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4. Mai 2020 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Friede und Einheit, in der Familie, in der Kirche. Die Versuchung der Spaltung überwinden. ‚Dominus Iesus’ – der eine und einzige Herr. Möge der Herr uns von jener Psychologie der Spaltung befreien. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Papst Franziskus – Montag der 4. Woche im Osterkreis, einundfünfzigste Messe in Live-Streaming über Fernsehen und Internet aus der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ in der messelosen Zeit.

In der Einleitung zur Feier der heiligen Messe richtete Franziskus seine Gedanken an die Familien:

„Lasst uns heute für die Familien beten: in dieser Zeit der Quarantäne versucht die Familie, die zu Hause eingeschlossen ist, so viele neue Dinge zu tun, so viel Kreativität mit den Kindern, mit allen, um voranzukommen. Und dann ist da noch die andere Sache, dass es manchmal häusliche Gewalt gibt. Wir beten für die Familien, damit sie in dieser Quarantäne mit Kreativität und Geduld in Frieden weiterleben können“.

In seiner Predigt kommentierte der Papst die Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 11,1-18), in der Petrus, der von seinen Brüdern beschuldigt wird, in einem Haus von Heiden gegessen zu haben, berichtet, wie der Heilige Geist auch auf sie herabkam. Petrus habe dies getan, weil der Geist ihn geführt habe. Doch in der Kirche gebe es immer dieses Gefühl der Rechtschaffenheit in einem selbst und der Meinung, dass andere Sünder seien. Dies sei eine „Krankheit der Kirche“, die aus Ideologien entstehe: ein weltliches Denken, das zum Interpreten des Gesetzes werde und Spaltung schaffe.

Im Evangelium (Joh 10,11-18) sage Jesus, dass er auch andere Schafe habe, die nicht aus diesem Stall kämen und die er auch führen müsse. Sie würden auf seine Stimme hören und eine Herde, ein Hirte werden. Er sei der Hirte aller: groß und klein, reich und arm, gut und schlecht: „Er kam für alle, er starb für alle. Auch für Menschen, die nicht an ihn glauben oder anderen Religionen angehören. Er ist für alle gekommen“:

„Als Petrus nach Jerusalem hinaufging, machten ihm die Gläubigen Vorwürfe. Sie warfen ihm vor, er sei im Haus der Unbeschnittenen eingekehrt und habe mit ihnen, mit den Heiden, gegessen: das sei eine Sünde. Die Reinheit des Gesetzes erlaubte dies nicht. Doch Petrus hatte es getan, weil der Geist ihn dorthin gebracht hatte. Es gibt immer in der Kirche – in der Urgemeinde so viel, weil die Sache nicht klar war – diesen Geist des ‚wir sind die Gerechten, die anderen die Sünder’. Dieses ‚wir und die anderen’, ‚wir und die anderen’, die Spaltungen: ‚wir haben genau die richtige Position vor Gott’. Stattdessen gibt es ‚die anderen’, es heißt auch: ‚sie sind die Verurteilten’, ja.

Und das ist eine Krankheit der Kirche, eine Krankheit, die von Ideologien oder religiösen Parteien herrührt... Wenn man bedenkt, dass es zur Zeit Jesu mindestens vier religiöse Parteien gab: die Partei der Pharisäer, die Partei der Sadduzäer, die Partei der Zeloten und die Partei der Essener, und jede interpretierte ‚die Vorstellung’, die sie vom Gesetz hatte. Und diese Vorstellung ist eine Schule der ‚Gesetzlosen’, wenn sie eine Art des weltlichen Denkens und Empfindens wird, das sich zu einem Interpreten des Gesetzes macht. Jesus wurden auch Vorwürfe gemach, weil er das Haus der Zöllner betrat – die ihrer Meinung nach Sünder waren – und mit ihnen, mit den Sündern, aß, weil dies die Reinheit des Gesetzes nicht zuließ. Und er wusch sich vor dem Essen nicht die Hände... Aber immer dieser Vorwurf, der Spaltung hervorbringt: das ist das Wichtige, das ich betonen möchte.

Es gibt Ideen, Positionen, die eine Spaltung bewirken, bis zu dem Punkt, dass Spaltung wichtiger ist als Einheit. Meine Idee ist wichtiger als der Heilige Geist, der uns leitet. Es gibt einen emeritierten Kardinal, der hier im Vatikan lebt, ein guter Hirte, und er sagte zu seinen Gläubigen: ‚Aber die Kirche ist wie ein Fluss, wisst ihr? Einige sind mehr auf dieser Seite, andere auf der anderen Seite, aber das Wichtigste ist, dass alle im Fluss sind’. Das ist die Einheit der Kirche. Niemand draußen, alle drinnen. Dann mit den Besonderheiten: das ist keine Spaltung, das ist keine Ideologie, das ist rechtmäßig. Aber warum hat die Kirche diese Breite des Flusses? Weil der Herr sie so will.

Der Herr sagt uns im Evangelium: ‚Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten’. Der Herr sagt: ‚Ich habe überall Schafe, und ich bin der Hirte von allen“. Dieses ‚alle’ in Jesus ist sehr wichtig. Denken wir an das Gleichnis von der Hochzeitsfeier, zu der die Gäste nicht gehen wollten: einer, weil er ein Feld gekauft hatte, einer, weil er geheiratet hatte... jeder gab seinen Grund vor, um nicht hinzugehen. Und der Meister wurde wütend und sagte: ‚Geht an die Straßenkreuzungen und bringt alle zum Fest’. Und zwar alle. Groß und klein, reich und arm, gut und schlecht. Alle. Dieses ‚alle’ ist ein bisschen die Vision des Herrn, der für alle kam und für alle starb. ‚Doch ist er auch für diesen Unglücklichen gestorben, der mir das Leben unmöglich gemacht hat?’. Er starb auch für ihn. ‚Und für diesen Banditen?’. Er starb für ihn. Für alle. Und auch für die Menschen, die nicht an ihn glauben oder anderen Religionen angehören: er ist für alle gestorben. Das bedeutet nicht, dass man Proselytismus betreiben muss: nein. Aber er ist für alle gestorben, er hat alle gerechtfertigt.

Hier in Rom gibt es eine Dame, eine gute Frau, eine Lehrerin, die Lehrerin Mara, die, als sie in Schwierigkeiten war ... und es Parteiungen gab, sagte: ‚Aber Christus ist für alle gestorben: lasst uns weitermachen!’. Diese konstruktive Fähigkeit. Wir haben einen einzigen Erlöser, eine einzige Einheit: Christus ist für alle gestorben. Stattdessen die Versuchung... Auch Paulus litt unter dieser Versuchung: ‚Ich bin von Paulus, ich bin von Apollo, ich bin von diesem, ich bin von dem anderen...’. Und denken wir an uns, vor fünfzig Jahren, nach dem Konzil: die Dinge, die Spaltungen, die die Kirche erlitten hat. ‚Ich bin von dieser Seite, ich denke das so, du so...’. Ja, es ist legitim, so zu denken, aber in der Einheit der Kirche, unter dem Hirten Jesus.

Zwei Dinge. Der Vorwurf der Apostel an Petrus, weil er im Haus der Heiden eingekehrt war, und Jesus, der sagt: ‚Ich bin der Hirte aller’. Ich bin der Hirte aller. Und der sagt: ‚Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten’. Es ist dies das Gebet um die Einheit aller Menschen, dass alle Männer und Frauen... wir alle haben einen einzigen Hirten: Jesus.

Möge der Herr uns von jener Psychologie der Trennung, der Spaltung befreien und uns helfen, dies von Jesus zu erkennen, diese große Sache Jesu, dass wir in ihm alle Geschwister sind und er der Hirte aller ist. Dieses Wort, heute: ‚alle, alle!’, soll uns durch den Tag begleiten“.

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