Die Liturgiereform wird umgesetzt

4. Mai 2020 in Kommentar


Alles in allem befindet sich der Ordo Corona wohl noch in der Entwicklung und es wird sich zeigen, was sich verstetigt und was sich wieder verändert - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)
Nach Ende des Interdikts in deutschen Diözesen wird seit dem 1. Mai fast überall wieder Liturgie oder nichtliturgischer Gottesdienst in den Kirchen öffentlich gefeiert. Der Novus Ordo Missae wird in den deutschen Ländern allerdings weitestgehend von Ordo Corona abgelöst. Dabei ist festzustellen, dass es sich nicht mehr um einen einheitlichen Ritus mit festen Rubriken handelt. Vielmehr ist es ein buntes Sammelsurium an Rubriken und rubrikenähnlichen, z.T. sehr weltlichen Vorschriften, welche regional völlig unterschiedlich sind. War der Novus Ordo Missae noch von Rom für die ganze Kirche bestimmt worden, zeigt sich nun ein liturgischer Flickenteppich, der von einer Einheit sehr weit entfernt ist.

Nicht die Liturgietradition der Kirche bestimmt das Tun. Es stehen Vorschriften der Hygiene im Mittelpunkt. Ist die Liturgie der Kirche darauf ausgerichtet, dem auferstandenen, wiederkommenden Herrn entgegen zu gehen und die Gläubigen in den Himmel zu führen, so dient der Ordo Corona vor allem dem Infektionsschutz. Das Wichtigste, so Bischof Jung (Würzburg), sei die Gesundheit der Gläubigen. Damit verabschiedet sich die Kirche in Teilen von der Vorstellung, das Wichtigste sei das ewige Seelenheil der Gläubigen. Unter dem Primat der diesseitigen zeitlichen Gesundheit vor dem jenseitigen ewigen Heil wird im Bistum Würzburg sogar die öffentliche Feier der Heiligen Messe trotz staatlichen Idults weiter ausgesetzt. An anderen Orten verfährt man anders und ergibt sich den staatlichen Vorschriften für die Feier der Liturgie. Wobei Vertreter der Kultreform in Hildesheim und Erfurt hier sehr eindringlich vor einer gefährlichen Eucharistiefixierung des Volkes warnen. Würzburg geht wirklich vorbildlich dagegen vor.

Seltsame, der katholischen Liturgie fremde Vorstellungen ziehen allerdings in den Kult ein. So wird es, wie vor Discotheken und Clubs schon länger üblich, Türsteher geben, die über Einlass oder Nichteinlass entscheiden. An manchen Orten muss man wie im Nobelrestaurant rechtzeitig reservieren, um in die Messe zu dürfen. Gläubige verhüllen beim Betreten der Gotteshäuser aus Angst vor dem Virus demütig ihr Gesicht, welches sie danach aber wieder enthüllen müssen. Außer im Bistum Limburg, dort sieht der ortsübliche Ordo Corona Masken für Laien auch während der Kulthandlungen des Klerus vor. Nun ist der Ordo Corona keinesfalls nur modernistisch, wie man auf Grund des etwas inkonsistenten Mundkommunionverbots annehmen könnte. Es gilt genauso gut ein Verbot des im Novus Ordo Missae unausweichlichen Gruppenkuschelns zum Friedensgruß.

Man darf altüberkommene Maßstäbe hier nicht anlegen. Es gilt der Primat des Infektionsschutzes, der einem liturgischen Paradigmenwechsel von historischer Bedeutung gleichkommt.

Nicht unbedingt von Rubriken oder Regelungen abhängig, kommt man nun dem alten katholischen Wunsch nach Abstand endlich entgegen. Es ist nicht alles schlecht am Ordo Corona. Während Priester früher nicht müde wurden, die Gläubigen zu ermutigen doch alle näher nach vorne zu kommen, wird nun endlich das Kirchenschiff in seiner ganzen Fülle ausgereizt und den Gläubigen endlich erlaubt, sich vom „demda“ weit genug fern zu halten. Auch die im Novus Ordo überbordende Laienpopulation im Chrorraum fährt der Ordo Corona endlich wieder zurück. An manchen Orten gibt es nicht einmal mehr Ministranten.

Das ist sicher übertrieben. Aber Kommunionhelfer(m/w/d) und Lektoren(m/w/d) sind über. Da räumt der neue Ordo kräftig auf.
Grob verärgern wird man den Heiligen Papst Pius X., der sich so viel Mühe gemacht hatte, den Gläubigen die Kommunion näher zu bringen. Erstkommunion für Kinder fallen aus oder werden weit verschoben. Mancherorts wird die Kommunion nun nach Ende der Messe gereicht. Sie wird in einer Form gereicht, die zu massiven Ärgernissen Anlass gibt.

Kommunionspendung soll mit einer Zange oder mit Handschuhen erfolgen. Mag man Zangen noch ordentlich purifizieren (in der Terminologie des Ordo Corona heißt das allerdings desinfizieren) können, so lässt sich nicht erklären, wie man dies mit Einweghandschuhen bewerkstelligen will. Auch die Wiedereinführung einer Art Kommunionbank, die allerdings mehr Ähnlichkeit mit einem Bankschalter hat, wie im Kölner Dom, ist Realität geworden.

Ein völlig neuer Ritus, der im profanen Bereich bereits gründlich eingeübt wurde, zieht in die Liturgie ein. Es handelt sich um den Ritus des Abstandhaltens. Hier findet ein Inkulturation der Liturgie statt, wie es sich die Väter der Amazonassynode nur wünschen konnten. Ganz gleich ob bei Betreten der Kirche, Einzug des Zelebranten, Kommunionspendung, Auszug und Verlassen der Kirche ist nun der Ritus des Abstandhaltens zu üben. Manche sind darin noch etwas plump, andere machen fast einen Tanz daraus und üben sich in ästhetischem Abstandhalten.

Professionelle Virtuosität an distanzierter Eleganz ist das Ziel. Es war bislang umstritten, ob das Versammeln der Gemeinde im Novus Ordo schon Bestandteil der Liturgie ist, mit der Aufnahme des Ritus des Abstandhalten in die Liturgie ist diese Frage wohl abschließend geklärt, das Versammeln ist schon liturgisch.

Alles in allem befindet sich der Ordo Corona wohl noch in der Entwicklung und es wird sich zeigen, was sich verstetigt und was sich wieder verändert. Auch eine gewisse Dynamik in der Ausübung des Ordo, sowie eine unbedingt notwendige geschmeidige Anpassung an sich wandelnde gesellschaftliche Vorstellungen und staatliche Verordnungen, erfordert dieser Ritus und kann damit als weitaus anspruchsvoller als der Novus Ordo Missae angesehen werden. Von Gläubigen, die nach Aufhebung von Reiseverboten Liturgie an anderen Orten feiern möchten, verlangt der Ritus eine ungeheure Flexibilität, die der katholischen Liturgie auf Grund ihrer Einheitlichkeit bis dato fremd war.

Bei aller Freude daran, dass die Kirche nun endlich auch wieder zur gemeinsamen Feier der Gottesdienste geöffnet ist, muss man doch feststellen, dass die Kirche ihren Gläubigen hier eine ganze Menge abverlangt. Für alle, denen eine solche Umstellung zu dramatisch ist, kann dennoch festgehalten werden, dass die Kirche den Fehler von 1969 nicht wiederholt. Damals zwang man in schockierender Weise alle sofort und ohne Gewöhnung den Novus Ordo zu feiern. Derzeit sind weiterhin alle Gläubigen von der Sonntagspflicht dispensiert.

Niemand muss sich sofort und ohne hinreichende Vorbereitung den Änderungen aussetzen. Man hat auch in diesem Punkt dazu gelernt. Es gibt bereits Ansätze Ordo Corona - Katechesen vorzubereiten. Viel Arbeit für das pastorale Personal.

Weitestgehend verschont davon bleibt allerdings die außerordentliche Form des römischen Ritus. Eine Stille Messe kann auch unter den Bedingungen des Infektionsschutz ohne weitere Auflagen gefeiert werden. Die Kommunion wird nicht sakramental gespendet, die Gläubigen sind zur geistlichen Kommunion eingeladen.

Alles andere bleibt wie es ist. Der Vetus Ordo zeigt sich dem Novus Ordo erneut sehr weit überlegen. Ein paar Rahmenbedingungen um den Zutritt wird man auch dort einstweilen nicht vermeiden können. Doch hier gilt ganz klar und ohne jeden Zweifel, dass nach Ende der Krise alles wieder genau so ist, wie es in den Jahrhunderten vorher war. Und das ist gut so.


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