4. Mai 2020 in Aktuelles
Benedikt XVI. in druckfrischer Papstbiographie von Peter Seewald: Ich wollte ja nicht bloß und nicht einmal in erster Linie die Reinigung in der kleinen Welt der Kurie voranbringen, sondern in der Kirche als ganzer.
Vatikan (kath.net/pl) Natürlich sind Angelegenheiten wie »Vatileaks« ärgerlich und vor allem für die Menschen in der weiten Welt unverständlich und im höchsten Grad störend. Aber die eigentliche Bedrohung der Kirche und somit des Petrusdienstes liegt nicht in diesen Dingen, sondern in der weltweiten Diktatur von scheinbar humanistischen Ideologien, denen zu widersprechen den Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Grundkonsens bedeutet. Vor hundert Jahren hätte es noch jedermann für absurd gehalten, von homosexueller Ehe zu sprechen. Heute ist gesellschaftlich exkommuniziert, wer sich dem entgegenstellt. Ähnliches gilt bei Abtreibung und für die Herstellung von Menschen im Labor. Das sagt der emeritierte Papst Benedikt XVI. in der neuerschienenen Biographie in einem direkten Gespräch mit seinem Biographen Peter Seewald. Die Gesellschaft sei dabei, ein , ein antichristliches Credo zu formulieren, dem sich zu widersetzen mit gesellschaftlicher Exkommunikation bestraft wird. Die Furcht vor dieser geistigen Macht des Antichrist ist dann nur allzu natürlich, und es braucht wirklich der Gebetshilfe eines ganzen Bistums und der Weltkirche, um ihr zu widerstehen.
Gleichzeitig gehöre es aber zur Papstgeschichte, dass die Kirche immer ein Netz mit guten und schlechten Fischen gewesen sei. Zum katholischen Verständnis der Kirche und der Führungsämter in ihr gehört es, dass man sich nicht eine ideale Kirche ausdenkt, sondern gerade in einer von der Macht des Bösen bedrängten Kirche zu leben und zu wirken bereit ist.
Zu Diskussionen über seinen Rücktritt erläuterte Benedikt XVI., dass es nicht einzusehen sei, wieso ein Kirchenhistoriker, das heißt jemand, der die Vergangenheit der Kirche studiert, besser als andere wissen soll, ob es einen emeritierten Papst geben kann oder nicht. Bis zum Ende des II. Vatikanums gab es auch keinen Rücktritt der Bischöfe, als man diesen dann ermöglichte, stand man vor dem Problem der Zuweisung des Bischofssitzes. Die Lösung hat meines Wissens der damalige Bischof von Passau Simon Konrad Landersdorfer gefunden. Benedikt erläuterte weiter: Das Wort »emerito« besagte, dass er sein Amt voll abgegeben hatte, aber die geistige Verbundenheit zu seinem bisherigen Sitz wurde nun auch als rechtliche Qualität anerkannt. Dabei gebe es nicht zwei Bischöfe, wohl aber einen geistlichen Auftrag des betenden Mitseins und Fürseins für das bisherige Bistum. Es ist nicht einzusehen, warum diese Rechtsfigur nicht auf den Bischof von Rom ebenfalls angewandt werden soll.
Dabei werde nicht die Vaterschaft zurückgenommen, doch diese sei nicht nur ontologisch, sondern auch funktional. Ich finde dies sehr schön ausgedrückt in der Weise, wie sie bei den bayerischen Bauern üblich war. Da gibt es den sogenannten Austrag, räumlich dargestellt durch ein einfaches Wohnhaus, das neben dem großen Hof steht. Der Vater »übergibt« sein Anwesen dem Sohn. Er zieht von der großen bäuerlichen Residenz ins Austragshaus und erhält überdies einen »Austrag« in der Weise von materiellen Zuwendungen (Essen, Geld usw.). So ist seine materielle Unabhängigkeit ebenso gesichert wie der Übergang der konkreten Rechte an den Sohn. Das bedeutet: Die spirituelle Seite des Vaterseins bleibt bestehen, während auf der Seite der konkreten Rechte und Pflichten die Situation sich entsprechend ändert. Es ist wohl nicht schwer zu sehen, dass diese Struktur auch für einen emeritierten Bischof zutrifft.
kath.net-Buchtipp
Benedikt XVI.
Ein Leben
Von Peter Seewald
Hardcover
1184 Seiten; 245 mm x 170 mm
2020 Droemer/knaur
ISBN 978-3-426-27692-1
Preis Österreich: 39.10 EUR
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