7. Mai 2020 in Chronik
Überall entstanden neue Initiativen. Sie bauten soziale Netzwerke auf, schufen eigene Portale wie kath.net für Nachrichten und Meinungen, die in der bürgerlichen Presse unterdrückt wurden Leseprobe 2 aus Peter Seewald: Benedikt XVI., Ein Leben
München (kath.net/pl) Im interkonfessionellen Dialog konzentrierte er sich bei den kirchlichen Gemeinschaften des Westens auf die Anglikaner, den Lutherischen Weltbund, die Reformierte Weltallianz und den Weltrat der Methodisten. Er beauftragte seinen »Rat zur Förderung der Einheit der Christen« mit einer Studie über die noch vorhandenen Konvergenzpunkte. In der Beziehung zum Osten hatte die »Gemischte Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen« am 16. Oktober 2007 ihre Arbeit wieder aufgenommen und ein entscheidendes Thema angepackt: »Die Rolle des Bischofs von Rom in der Gemeinschaft der Kirche im ersten Jahrtausend«, einer Zeit, als die Christen des Ostens und des Westens noch in Gemeinschaft lebten.
Der ökumenische Dialog hatte laut Kardinal Kasper, dem zuständigen Präsidenten, eine »neue Dimension« erreicht. Auch Metropolit Hilarion, der Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, hob bei seinem Besuch im Vatikan hervor, dass die Wahl Benedikts XVI., der unter orthodoxen Christen als »Verteidiger traditioneller christlicher Werte« hohes Ansehen genieße, die Annäherung gefördert habe. »Wir nähern uns dem Zeitpunkt, an dem es möglich wird«, so Hilarion, »ein Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Moskau vorzubereiten.«
Unter Benedikt XVI. stieg auch die Zahl katholisch-protestantischer Begegnungen auf ein bislang nicht erreichtes Niveau, zuletzt demonstriert in der Feier des 10. Jahrestages der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre«, die wesentlich Ratzingers Einsatz zu verdanken war. Der evangelische Pfarrer der Christus-Kirche in Rom, Jens-Martin Kruse, betonte nach einer gemeinsamen Abendliturgie in seiner Kirche am 14. März 2010, Benedikt XVI. greife die großen Fragen und Themen der Zeit auf. Wer dem Papst begegne, treffe einen Christen, der sich nicht selbst oder sein eigenes Amt in den Mittelpunkt stelle, sondern Christus »auf eine überzeugende Weise, die ihn zu einem Modell des Glaubens auch für Lutheraner macht«.
Zur Förderung der Beziehungen zum Judentum hatte Benedikt inzwischen drei Synagogen besucht, mehr als alle Päpste vor ihm. Er nannte die Juden nicht mehr »unsere älteren Brüder«, wie Wojtyla es tat, sondern »Väter im Glauben«. Beim Besuch in der Synagoge von Rom rief er im Januar 2010 Juden und Christen dazu auf, den Weg der Aussöhnung und des Dialogs fortzusetzen. Die Neuorientierung der katholischen Kirche durch das Konzil sei unwiderruflich. Entschieden verurteilte er jede Form von Antisemitismus und entschuldigte sich für das Fehlverhalten von Katholiken gegenüber jüdischen Mitbürgern. »Christen und Juden haben großenteils ein gemeinsames geistliches Erbe«, rief er aus, »sie beten zum selben Herrn, haben die gleichen Wurzeln« und das ethische Grundgesetz der Zehn Gebote. Gemeinsam müssten sie sich nun für die Achtung Gottes in einer Welt einsetzen, die das Übernatürliche oft für überflüssig hält und sich neue Götter schafft.
Nach der umstrittenen Regensburger Rede entstand das katholisch-muslimische Forum, das im November 2008 eine erste gemeinsame Erklärung gegen jede Art von Unterdrückung, aggressiver Gewalt und Terrorismus veröffentlichte. Zur positiven Bilanz gehörte das eben beendete Priesterjahr, das der Papst auch zur Aufarbeitung der Missbrauchsskandale nutzte. Die Geistlichen rief er auf, sich der Bedeutung und der richtigen Weise katholischen Priestertums neu bewusst zu werden. Es schloss mit dem größten Priestertreffen aller Zeiten, bei dem sich am Herz-Jesu-Fest, am Freitag, dem 11. Juni 2010, auf dem Petersplatz 9000 geweihte Diener Gottes aus 91 Ländern versammelten. Nicht zuletzt waren da die Reden Benedikts in den Metropolen der Welt. Die Reaktionen der kulturellen Eliten zeigten, so Erzbischof Rino Fisichella, »dass sie das Gefühl hatten, in diesem Papst einen Partner zu haben.«
Trotz der eher pessimistischen Stimmung des Papstes: Es hatte sich etwas gedreht. Da waren die vielen jungen Menschen, die auf Weltjugendtagen, auf Pilgerfahrten und in Gebetskreisen neue Zugänge zum katholischen Glauben fanden. Wie ein Flächenbrand ausgebreitet hatte sich nach Ratzingers Weltjugendtag von Köln die Initiative »night fever«, die in vielen Städten junge Menschen versammelte, um innig und emotional Gottesdienst zu feiern. Da waren die jungen Priester, die sich wieder auf katholische Klassik besannen. Überall entstanden neue Initiativen. Sie bauten soziale Netzwerke auf, schufen eigene Portale wie kath.net für Nachrichten und Meinungen, die in der bürgerlichen Presse unterdrückt wurden, oder machten mit einem Großprojekt wie »YouCat« Katechese wieder zu einem Ereignis. Die »Generation Benedikt« und die jungen spirituellen Bewegungen lernten gerade, Tradition und Modernität neu zu verbinden. Längst stellten sie in Deutschland etwa mit »Treffpunkt Weltkirche«, dem Kongress »Freude am Glauben« oder der »MEHR-Konferenz« des Gebetshauses Augsburg nicht nur lebendigere, sondern auch größere Kongresse hin als die etablierten katholischen Verbände. Es gab den üblichen Streit mit den Progressisten, aber jeder wusste, dass katholisch drin sein musste, wo katholisch drauf stand, und dass dieser Papst der Garant dafür war, dass die Orientierung nicht verloren ging.
kath.net-Buchtipp
Benedikt XVI.
Ein Leben
Von Peter Seewald
Hardcover
1184 Seiten; 245 mm x 170 mm
2020 Droemer/Knaur
ISBN 978-3-426-27692-1
Preis Österreich: 39.10 EUR
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Titelblatt zu Peter Seewald: Benedikt XVI. - Ein Leben
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