Zu wem sollen wir sagen: "Bitte für uns arme Internetsurfer"?

16. Mai 2020 in Aktuelles


Als möglicher Schutzpatron des Internets kursieren zwei Favoriten: Erzbischof und Enzyklopädist Isidor von Sevilla und Carlo Acutis - Über die Früchte einer Online-Recherche berichtet Robert Mitscha-Eibl.


Wien (kath.net/ KAP)

Der heilige Josef ist der Schutzpatron der Zimmerleute, Nikolaus wird von Seefahrern angerufen, der Evangelist Lukas von Ärzten, Umwelt- und Tierschützer wenden sich an den heiligen Franziskus. Weniger bekannt dürfte sein, dass Franz von Sales für Journalisten zuständig ist, erst recht nicht, dass Köche den am glühenden Lattenrost gemarterten Laurentius und Latrinenreiniger mit Julius I. sogar einen spätantiken Papst um Hilfe bitten können...

 

Wer aber wacht über Internetsurfer, wenn die Suchmaschine den gewünschten Begriff nicht findet oder das Modem andauernd den Kontakt zum Provider verliert? Dazu kursieren zwei Favoriten: Es sind ein gelehrter Spanier aus dem Frühmittelalter und ein bereits als Teenager in Italien verstorbener Computer-"Nerd", zwischen denen nahezu eineinhalb Jahrtausende liegen - Isidor von Sevilla (560-636) und Carlo Acutis (1991-2006).

 

Zunächst zu dem christlichen Gelehrten im damals westgotisch regierten Spanien, dessen Namen "Geschenk der (ägyptischen Göttin) Isis" bedeutet: Isidor stammte aus einer vornehmen Familie mit Wurzeln in Rom, ging bereits als Jugendlicher ins Kloster und wurde mit 30 Jahren Abt. Sein Interesse an den Wissenschaften wurde durch die Klosterbibliothek in Sevilla genährt, die zu den berühmtesten ihrer Zeit gehörte. Im Jahr 600 wurde er als Nachfolger seines Bruders Leander Erzbischof der südspanischen Stadt, förderte die gute Ausbildung des Klerus, richtete Schulen und Bibliotheken ein und bekehrte die davor dem Arianismus zuneigenden Westgoten zum Glauben der katholischen Kirche.

 

Isidors größte Leistung aber war eine Art Wikipedia seiner Ära, eine lateinisch verfasste Enzyklopädie der Spätantike in 20 Bänden, die das gesamte weltliche und religiöse Wissen vereinen sollte. Diese "Etymologiae" des als letzter Kirchenvater des Westens geltenden Gelehrten machten ihn zu einem der meistgelesenen Autoren des Mittelalters. Sein literarisches Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und das mathematische Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik) bildeten bis in die frühe Neuzeit das Fundament für jede höhere Bildung. Zigmal wurden Isidors Werke von Mönchen im ganzen Abendland kopiert - freilich noch ohne "copy and paste". Dies prädestinierte ihn geradezu dafür, von der vom Vatikan dazu beauftragten italienischen Gruppe "Internet Observation Services" 2001 als Schutzheiliger des Internets vorgeschlagen zu werden.

 

Die zuständigen Dikasterien im Vatikan trafen dazu aber noch keine Entscheidung. Auch andere Glaubensvorbilder wie Karl Borromäus im 16. Jahrhundert oder der in Auschwitz ermordete Maximilian Kolbe werden genannt. Vielleicht wird es aber Carlo Acutis, auch wenn für ihn erst ein Seligsprechungsverfahren läuft.

 

"Cyber-Apostel" verband Glaube und Informatik

 

Ende März dieses Jahres vermeldete Kathpress, es sei in diesen Tagen in Italien nicht einfach, mit einem anderen Thema als Corona für Schlagzeilen zu sorgen. Ein 2006 verstorbener Teenager habe es dennoch geschafft, als Papst Franziskus ein von Carlo bewirktes Wunder anerkannte und damit die Voraussetzung für seine Seligsprechung schuf.

 

Die Geschichte des Burschen, der gerade einmal 15 Jahre alt wurde, ist ebenso beeindruckend wie herzzerreißend: Carlo wurde 1991 in London geboren, wo seine Eltern seinerzeit aus beruflichen Gründen für kurze Zeit lebten. Er wuchs in deren Heimat nahe Mailand auf und fiel dort früh durch eine tiefe Gläubigkeit auf. Von seiner Erstkommunion an entwickelte Carlo eine außergewöhnliche Liebe zur Eucharistie, die er seine "Autobahn in den Himmel" nannte. Der tiefgläubige junge Italiener engagierte sich als Katechet und als Betreuer von Obdachlosen in seiner Kirchengemeinde.

 

Ebenso außergewöhnlich wie Carlos frühe Religiosität war seine enorme Begabung für Informatik: Als Zehnjähriger schrieb er Algorithmen und gestaltete Webseiten und Layouts für Online-Zeitungen. Als Elfjähriger begann er in penibler Detailarbeit, ein Online-Verzeichnis weltweiter eucharistischer Wunder zu erstellen. Eine daraus entwickelte Ausstellung mit 146 Schautafeln wurde nach seinem Tod in zahlreiche Sprachen übersetzt, in vielen Ländern gezeigt sowie als Buch veröffentlicht.

 

Als Carlo erfuhr, dass er unheilbar an Leukämie erkrankt war, widmete er sein restliches Leben und Leiden ganz dem Papst und der Kirche. Es ist dieses tragische Ende, das den Jungen in den Augen vieler Gläubiger zu einem Heiligen machte. Er starb am 12. Oktober 2006 und wurde seinem Wunsch entsprechend in Assisi beigesetzt, wo seine Familie ein Ferienhaus hatte. Nun beschied der Papst dem Hochbegabten, nicht nur Wunder katalogisiert, sondern selbst für eines gesorgt zu haben: Carlo sei an der wundersamen Heilung eines brasilianischen Kindes beteiligt gewesen, hieß es aus Rom.

 

Schon zu Lebzeiten hatte Carlo als "Cyber-Apostel" internationale Bekanntheit erlangt. Beim Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro, wo den Besuchern seine Lebensgeschichte präsentiert wurde, bezeichnete man ihn als möglichen "Patron des Internets". Dabei sei er sich trotz seiner Jugend der Probleme des Internets durchaus bewusst gewesen, wies der Papst hin. Man könne es benutzen, um Menschen einzulullen oder zu Konsumsüchtigen zu machen. Carlo aber habe es verstanden, die neue Kommunikationstechnik geschickt einzusetzen, "um Werte und Schönheit zu vermitteln". Ihm wird der altersweise Satz zugeschrieben: "Alle werden als Original geboren, aber viele sterben als Fotokopie."

 

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