25. Juli 2020 in Buchtipp
Eine Filmemacherin verliebt sich in Christus. Leseprobe 4 des neuen Buches von Natalie Saracco
Linz (kath.net)
Nie werde ich unsere erste Begegnung vergessen, es war surrealistisch. Man hätte glauben können, wir wären in eine italienische Komödie der 70-er Jahre versetzt worden. Ich habe ihn einige Zeit vor Drehbeginn kennengelernt, als ich auf der Suche nach Finanzmitteln war. Giovanni lebt in Rom. Er verbringt jedoch die meiste Zeit wie eine Feder im Wind überall auf der Welt entsprechend den Filmen, die gedreht werden. Dieser Mann ist ein echter Maestro wie aus den alten Zeiten. Er hatte bei Fellini, Visconti usw. Kurse belegt und von ihnen gelernt. Kein Kommentar dazu. Später arbeitete er bei Filmen mit wie Der Name der Rose oder Wolf mit Jack Nicholson und Michelle Pfeiffer. Ich habe Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, schließlich seine Handynummer erhalten und ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen, indem ich eine selbstsichere ragazza spielte. Zwei Tage später rief er zurück und wir haben uns zum Essen verabredet. Man muss bedenken, dass mein lieber Film-Maestro eigentlich nie in Paris und mehr als ausgebucht ist. Als ich im Restaurant ankam, war Giovanni noch früher dran und schon da. Er ist nicht sehr groß, hat einen olivfarbenen Teint, einen Schalk in den Augen und eine wilde Haarmähne. Gekleidet war er mit einer roten Lederjacke. Ich betrachtete ihn einen kurzen Augenblick und dachte mir:
Yes, das wird sich machen lassen! So wie er aussieht, wird er das Drehbuch mögen: Er ist sympathisch, Italiener – ein Land, in dem die Religion noch etwas bedeutet – und er gehört zu der Generation, die das Heilige noch achtet.
Wir waren sofort auf einer Linie. Er erzählte mir Aufnahme-Anekdoten über Sean Connery, Jack Nicholson, seine ersten Schritte bei Fellini usw. Für mich als junge Regisseurin war das faszinierend! Er redete lange und begeistert, und wie ein echter Italiener setzte er dazu auch seine Hände ein.
Nach einiger Zeit sprang ich ins kalte Wasser und stellte ihm die schicksalhafte Frage:
„Giovanni, glauben Sie an Gott?“, frage ich mit meiner rauen Stimme und setze mich aufrecht hin.
Für mich gab es gar keinen Zweifel, dass dieser Mann an Gott glaubte und sich jeden Sonntagmorgen am Petersplatz einfand, bevor er seinen Teller Spaghetti verschlang. Er hatte gerade den Kopf voll konzentriert über seinen Teller gebeugt – ein Nudelgericht – und erstickte beinahe. Langsam hob er den Kopf, wischte sich bedächtig die Mundwinkel ab und sagte zu mir mit dem finsteren Blick eines Don Corleone, der sich darauf vorbereitet, einen Verräter zu erschießen:
„Nein. Ich glaube nicht an Gott.“
Plötzlich wurde er scharlachrot und sein Gesicht schwoll an. Es sah aus, als würde er gleich explodieren. Die kleine, selbstsichere Regisseurin, die ich bislang gewesen war, veränderte sich ebenfalls: Von der stolzen Silvana Mangano verwandelte ich mich in Mimie Mathy, die jede Sekunde zehn Zentimeter kleiner wurde. Ich erlebte die schlimmste antiklerikale Anklage der ganzen italienischen Geschichte mit. Giovanni war „ein Roter“ und sah Rot. Er begann seinen Monolog, indem er sagte, dass man una bomba al Vaticano werfen müsste, und schloss damit, ein Blutbad mit einem Maschinengewehr zu imitieren! Am Ende seiner Beschimpfungen war ich beinahe unter dem Tisch verschwunden. Nachdem er sich gründlich über unsere arme Kirche ausgetobt hatte, aß er seinen Teller Nudeln auf, als ob nichts gewesen wäre. Ich dagegen öffnete den Mund nur noch, um Alkohol in mich hineinzuschütten. Meine Hoffnungen brachen auf der Stelle zusammen: Dieses Genie von Kameramann, dieser Lichtzauberer, glitt mir aus den Händen. Wie hätte er sich für einen Film interessieren können, der „die Kirche gut darstellt“ und einen Priester zeigt, der einer fleischlichen Versuchung widersteht? Wenn es ein Priester wäre, der mit Drogen handeln würde oder pädophil wäre, klar, das wäre kein Problem, aber dieser hier. Die Frage, ob ich ihm mein Skript geben dürfte, stellte sich für mich nicht mehr. Nach dem Essen begleitete er mich freundlicherweise zu einer Taxistation. Beim Einsteigen sagte er zu mir:
„Il scripto, gib es mir bitte.“
Oh Jammer und Not, er hat es nicht vergessen! Es war, als ob ich statt der Hände nur noch über Fausthandschuhe verfügte, von denen jeder 100 Kilo wog! Mit übermenschlicher Anstrengung übergab ich mein Baby dem roten Ungeheuer.
kath.net Buchtipp
Zurück aus dem Jenseits
Von Natalie Saracco
ISBN 978-3-9479310-9-5
Geb., 208 Seiten
Media Maria Verlag 2020
Preis: Euro 19,50
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