In der Kriegszeit, Pest und Hunger wahre Sicherheit

11. Juni 2020 in Spirituelles


Gerade in der aktuellen Krisenzeit wäre eine feierliche und ausgedehnte öffentliche Prozession mit der heiligen Eucharistie ein wichtiges Zeugnis für die „wahre Sicherheit“ - Ein Gastkommentar von Michael Koder


Linz (kath.net)

Fronleichnam steht vor der Tür, aber kann es dieses Jahr würdig gefeiert werden? Dieses hohe Fest hat mich von Kindheit an begeistert, weil hier die Eucharistie als Zentrum unseres katholischen Glaubens in öffentlicher Kundgebung hochgehalten wird, eingebettet in eine lebendige und vielfältige Buntheit von Fahnen, Stoffen, Bildern, Kleidern, Hüten, Musikinstrumenten, Liedern und Blumen. Umrahmt von Texten, die das Herz erheben, wie vor allem das Lauda Sion Salvatorem, die Fronleichnamssequenz des hl. Thomas von Aquin, deren tiefsinnige Verse es sich zu betrachten lohnt.

 

Eine mitreißende Freude kennzeichnet dieses Fest. „An diesem heiligen Tage sollen aus dem Herzen der Gläubigen, aus ihrem Mund und von ihren Lippen Freudenhymnen ertönen. An diesem denkwürdigen Tage soll der Glaube triumphieren, die Hoffnung sich erheben, die Barmherzigkeit glänzen, die Frömmigkeit frohlocken, unsere Tempel von Freudengesängen widerhallen und die reinen Seelen vor Freude erzittern.“ So wünschte es Papst Urban IV., als er 1264 das Fronleichnamsfest für die ganze Kirche einführte. In seinem Schreiben ist zwar noch nicht ausdrücklich von einer Prozession die Rede, aber bereits das Trienter Konzil griff die im Mittelalter entstandene Praxis auf und erklärte, es sei eine vorzügliche fromme und erbauliche Sitte, dass alle Jahre dieses erhabene und ehrwürdige Sakrament durch die Straßen und öffentlichen Plätze herumgetragen werde. Martin Luther hingegen, infolge seiner Leugnung, dass Christus in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist, bezeichnete Fronleichnam als das schändlichste aller Feste und tat die Prozession als unbiblisch und Gotteslästerung ab.

 

Die Teilnahme an diesem Fest war also schon damals mehr als nur Anteilnahme an der gemeinsamen Freude. Sie war Bekenntnis zum Glauben. Sie war oft auch politisches Zeichen, etwa im christlichen Ständestaat der Dreißigerjahre und danach – mit umgekehrten Vorzeichen – unter der Herrschaft der Nationalsozialisten. Der Öffentlichkeitscharakter des Fronleichnamsfestes macht es zu einem politischen Akt im weiteren Sinn, zu einem An- und Aufruf an die Gesellschaft.

 

Unter diesem Aspekt ist auch der Abschnitt der „bischöflichen Rahmenordnung zur stufenweisen Wiedereinführung der Gottesdienste“ zu betrachten, wo die Bischöfe das diesjährige Fronleichnamsfest im Besonderen in den Blick nehmen und eigenen Regeln unterwerfen. „Die übliche feierliche Form der Prozession kann so in diesem Jahr nicht stattfinden“, wird dort – apodiktisch und beinahe feierlich – deklariert. Auch diese Erklärung ist Zeichen und Bekenntnis. In einer Fußnote findet man die Begründung:

 

Gemeinsames Singen und Sprechen sei wie im Kirchenraum nur stark eingeschränkt möglich. (Unter freiem Himmel? In ganz Österreich, wo doch zahlreiche Bezirke keinen einzigen Coronakranken mehr haben?)

 

Ein gemeinsames Schreiten werde nur mit großen Sicherheitsabständen möglich sein. (Sind mündige Gottesdienstbesucher nicht in der Lage, 1 m Abstand zu haushaltsfremden Personen zu halten?)

 

Die Teilnahme von Vereinen sei in der gewohnten Form nicht möglich. (Aber vielleicht zumindest in einer ungewohnten, reduzierten Form?)

 

Es könne nach der kirchlichen Feier kein Pfarrfest geben. (Abgesehen davon, dass mittlerweile wieder Veranstaltungen bis zu 100 Personen erlaubt sind, stellt sich mir die traurige Frage: ist das Pfarrfest also so wesentlich geworden, dass ohne ein solches eine Prozession nicht stattfinden kann?)

 

Warum genau laut Rahmenordnung „möglichst nur eine Statio“ stattfinden soll, erschließt sich mir nicht. Natürlich könnte man sich gerade bei einer weiteren Statio mit Corona anstecken. Ich kann zwar nicht die genaue Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, aber mein Hausverstand, von den am Tisch liegenden Zahlen und Fakten geleitet, sagt mir, dass das Risiko überschaubar und für mich verkraftbar wäre. Es geht nicht darum, jene zu verurteilen, die aus Angst vor einer Ansteckung nicht zu einer Prozession gehen wollen, sondern ich hinterfrage die unangebrachte Bevormundung und den zentralistischen Regelungseifer, die sich hier auftun. Selbst der Bundeskanzler hat schon von mehr Eigenverantwortung und weniger Regeln gesprochen.

 

Leider dürften die meisten Pfarrer nicht einmal den geringen Spielraum ausnützen, den ihnen die bischöfliche Rahmenordnung für Fronleichnam noch belässt. Ein Blick in die Auflistung der Messfeiern für diesen Tag auf der Homepage der Diözese Linz zeigt, dass die meisten Pfarren die Prozession von vornherein abgesagt haben. Manche sehen stattdessen eine heilige Messe unter freiem Himmel vor. Doch Fronleichnam heißt nicht einfach, die Messe ausnahmsweise im Freien, etwa im Pfarrgarten zu feiern. Nur ganz wenige Pfarren kündigen eine Prozession an, meist - der (bloßen) Empfehlung der Rahmenordnung folgend - in verkürzter Form mit nur einer Statio. Bei einer Linzer Pfarre ist zu lesen: „Keine Prozession; im Anschluss an den Gottesdienst Frühschoppen.“

 

Ist das eine geistvoll erneuerte Normalität? Gerade in dieser Zeit, voll von Ängsten und Ängstlichkeit, Panik und Panikmache, Unsicherheit im materiellen, aber auch im moralischen Bereich (wozu verpflichtet die Nächstenliebe?), (Über-)Regulierung und Bevormundung, und letztlich verdrehten Prioritäten von Gütern und Werten, gerade in dieser Zeit wäre eine feierliche und ausgedehnte öffentliche Prozession mit der heiligen Eucharistie ein wichtiges Zeugnis für die „wahre Sicherheit“.

 

Verborgen weilt der Born, der niemals endet,

im Brot, das Leben ist und Leben spendet,

wenn es auch Nacht ist.

(hl. Johannes vom Kreuz)


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