2. Juli 2020 in Deutschland
Die Grünen wollen im November ein neues Grundsatzprogramm verabschieden, das den traditionellen Familienbegriff aushöhlt. Von Martin Bürger
Berlin (kath.net/mb) Der von den Grünen in Deutschland Ende Juni vorstellte Entwurf zum Grundsatzprogramm setzt sich für Abtreibung, frei verfügbare Verhütungsmittel und Gender-Ideologie sowie eine Auflösung des traditionellen Familienbegriffs ein. So behaupten die Grünen bezüglich Abtreibungen: „Schwangerschaftsabbrüche haben nichts im Strafgesetzbuch verloren.“ Stattdessen müsse das „Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben […] für alle Frauen und Mädchen uneingeschränkt gelten“. Die „reproduktive Selbstbestimmung müsse sichergestellt werden, was „den kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und die Sicherstellung von ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen“ einschließe. Außerdem biete die „Reproduktionsmedizin […] die Möglichkeit zur selbstbestimmten Elternschaft.“
Derzeit bleiben Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft straflos. Über die ersten zwölf Wochen hinaus gelten Abtreibungen auch dann als „nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann“. Damit ist §218 des Strafgesetzbuches, der das Vornehmen von Abtreibungen „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, faktisch außer Kraft gesetzt.
Die Grünen geben in ihrem Programmentwurf zu, dass die Partei Wurzeln „in der Öko- und Anti-Atom-Bewegung, der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung, der Lesben-, Schwulen-, Eine-Welt- und Friedensbewegung sowie der Freiheitsbewegung der friedlichen Revolution“ habe. Entsprechend betont das 58-seitige Dokument wiederholt den Einsatz der Grünen für die Gender-Ideologie.
Statt Toleranz fordert die 1980 gegründete Partei „Respekt und Akzeptanz allen Menschen gegenüber, unabhängig davon, wie sie leben, lieben, glauben und aussehen“. Das Wort Toleranz kommt im gesamten Dokument kein einziges Mal vor. Die „Akzeptanz“ von praktizierter Homosexualität ist etwa für überzeugte Christen unmöglich. „Antiqueere, homo- und transphobe Ressentiments und Diskriminierung sowie Angriffe auf Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle, Transgender oder Queers sind menschenrechtliche Verstöße und müssen von der gesamten Gesellschaft klar zurückgewiesen werden,“ heißt es im Entwurf zum Grundsatzprogramm. Unklar bleibt, ob eine Verweigerung von „Akzeptanz“ für praktizierte Homosexualität für die Grünen schon „Ressentiments und Diskriminierung“ darstellen würde. Gleiches gilt für die Aussage, „Hass und Hetze“ seien „nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt“.
Für die Grünen gilt: „Eine offene Gesellschaft ist eine der Geschlechtervielfalt, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können. Freiheit und Würde bedeuten, sich einem Geschlecht zuordnen zu können oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Identität selbstbestimmt zu finden. Freiheit und Würde bedeuten auch, gemäß der eigenen sexuellen Orientierung die Lebensform, die Partnerschaft und das Familienmodell selbst zu wählen und dafür jeweils die gleichen Rechte und den gleichen Schutz vom Staat zu erhalten.“
„Familie“ definieren die Grünen als Ort, „wo Menschen mit dem Ziel der Dauerhaftigkeit Verantwortung füreinander übernehmen, sich umeinander kümmern und füreinander da sind. Das unterstützen wir, egal ob mit oder ohne Trauschein, ob alleinerziehend oder mit Partner*in, ob gleich- oder mehrgeschlechtlich, ob Patchwork oder in Mehr-Eltern-Konstellationen.“ Wie unzureichend diese Definition von Familie ist, zeigt sich auch daran, dass Menschen dauerhafte Verantwortung füreinander aber auch in zahlreichen anderen Situationen übernehmen, die niemand als „Familie“ bezeichnen würde. Dies wird an anderer Stelle im Programmentwurf deutlich. So heißt es: „Privat übernehmen viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung für andere, sei es in Familie und Nachbarschaft oder in Vereinen, Kirchen und Initiativen.“
Kinderrechte sind für die Grünen im Grundgesetz zu verankern. „Kinder müssen bei Entscheidungen gehört, ihre Rechte und ihr Wille im Mittelpunkt stehen“, heißt es im Entwurf zum Grundsatzprogramm. Das Aktionsbündnis „Demo für Alle“, das sich für Ehe und Familie im herkömmlichen Sinne einsetzt, hatte schon im letzten Jahr herausgearbeitet, dass Kinderrechte das Elternrecht untergraben. „Begriffe wie ‚Kinderrechte‘ und ‚Kindeswohl‘ müssen interpretiert werden“, so „Demo für Alle“ in einem Flyer. „Die Auslegung, was dem Wohl aller Kinder diene und worauf diese (künftig) ein ‚Recht‘ haben sollen, läge aber allein beim Staat. Dieser könnte unter dem Deckmantel der ‚Kinderrechte‘ allerlei Maßnahmen auch gegen den Willen von Eltern anordnen, zum Beispiel den Krippen- und Kindergartenbesuch für alle verpflichtend machen oder bestimmte medizinische Behandlungen vorschreiben etc.“ Zudem stünden Kinder ohnehin unter dem vollen Schutz des Grundgesetzes.
Was die Forschung betrifft, die möglicherweise ethisch bedenkliche Entscheidungen trifft, vertreten die Grünen staatliche Eingriffe, auch und sogar zum Schutz ungeborenen Lebens. „Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen ausgeschlossen und der strenge Embryonenschutz soll beibehalten werden“, fordert der Programmentwurf. Auch in der Medizin brauche es „eine vorausschauende Ethik mit klaren Kriterien: Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen“, wobei unter dem Vorwand der Selbstbestimmung auch im Programm auch Abtreibungen gerechtfertigt werden. Das Klonen von Menschen jedenfalls sei auszuschließen.
Das neue Grundsatzprogramm der Grünen soll im November im Rahmen der Bundesdelegiertenkonferenz in Karlsruhe verabschiedet werden und das gegenwärtige Programm von 2002 ersetzen. Damals waren die Grünen Teil der Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD. Doch auch bei der nächsten Bundestagswahl im kommenden Jahr könnten die Partei bei der Bildung einer Regierung unter Führung der Christdemokraten mit von der Partie sein. Zuletzt kokettierte Friedrich Merz, der sich um den CDU-Parteivorsitz bewirbt und damit als möglicher Kanzlerkandidat gilt, öffentlich damit, eine Koalition mit den Grünen einzugehen.
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