10. September 2020 in Prolife
„Frau Künast, das ist ein wirklich wichtiger Satz für den Tierschutz. Doch ich hoffe darauf, von Ihnen auch bald zu hören: ‚Wir dürfen nicht vergessen, dass auch ungeborene Kinder Schmerzen fühlen können!‘“ - Kommentar von Petra Lorleberg
Berlin (kath.net/pl) „Ab dem siebten Tag empfindet auch das Embryo im Ei Schmerzen“. Darauf weist die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast in einem Interview mit dem SWR hin. Es geht um Auswege aus der grauenhaften industriellen Praxis, millionenfach geschlüpfte männliche Küken nach der Geschlechtsfeststellung zu vergasen und zu schreddern, da sie wirtschaftlich unrentabel sind. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kämpft um Möglichkeiten, das routinemäßige Töten von rund 44 Millionen männlicher Küken jährlich in Deutschland zu unterbinden. Diskutiert wird aktuell u.a., eine serielle „vorgeburtliche“ Geschlechtsfeststellung auf den Weg zu bringen. Künast setzt sich im Interview dafür, dass ab dem Moment der Möglichkeit zum Schmerzempfinden männliche Küken nicht mehr vernichtet werden sollten, das ist nach derzeitigem Wissensstand der 7. Tag nach Beginn der Bebrütung des Hühnereis. Gegen eine Vernichtung tierischen Lebens, bei dem noch keine Schmerzempfindlichkeit nachzuweisen ist, scheint sie keine Einwände zu haben – auch dann nicht, wenn es de facto um die sehr junge Form prinzipiell sehr hochentwickelter Wirbeltiere wie Vögeln geht. Notabene: „nachzuweisen“ ist ein Hilfsbegriff, denn niemand von uns kann wissen, was die jungen Wesen wirklich empfinden.
Die frühere grüne Bundeslandwirtschaftsministerin unterstützt gleichzeitig die umstrittene Abtreibungsärztin Kristina Hänel in ihrem Kampf um die Streichung des § 219a StGB, der Werbung für Abtreibung untersagt. Hänel möchte hingegen freies Informationsrecht für alle Ärzte, dass sie Abtreibungen durchzuführen bereit sind.
Was ist davon zu halten? Im Interview gebraucht Künast im Zusammenhang mit dem Kükentöten und der Möglichkeit, im Ausland weiterhin gegen den Tierschutz zu verstoßen, die Worte „Werte“ und „ethisch“. Ich begrüße das und es trifft sich mit meinen Lebensschutzanliegen. Denn ja, es geht genau um „Werte“ und um „Ethik“. Sind wir Menschen es uns nicht schuldig, dass wir Leben, das unter unserer Verantwortung entsteht und heranreift, mit Respekt behandeln? Dürfen wir dies nicht als einen „Wert“, eine „Ethik“ einstufen, der für alle Menschen Richtschnur sein sollte, egal, welche persönlichen Lebenseinstellung sie sonst auch vertreten?
- Das gilt für die männlichen Küken, die zu hunderttausenden produziert und dann als überflüssig vernichtet werden.
- Das gilt für ungeborene Kälber, deren Mütter zum Schlachthof geführt werden ohne Achtung vor dem jungen Leben, das sie in sich tragen und das nach dem Tod der Mutter qualvoll erstickt.
- Das gilt sogar für die – teilweise langen und unzumutbaren – Tiertransporte zu Schlachthöfen, statt das Fleisch regional geschlachteter Tiere nach möglichst kurzem Lebendtransportweg dann tiefgekühlt weiterzuleiten. Dabeiplädiere ich für die Hofschlachtung oder Dorfschlachtung.
Daraus möchte ich weiterleiten zu dem Gedanken: Das Hinschauen nicht auf Nützlichkeit, sondern auf „Ethik“, „Werte“ und (zumindest!) „Schmerzempfinden“ (alles Begriffe von Künast) gilt erst recht für Menschenkinder, die – durch welche Schicksalsläufe hindurch auch immer – von ihrer Mutter als Last empfunden werden. Man möge mir die Listung unter die obigen Themen verzeihen, aber ich argumentiere hier nunmal ausgehend vom Tierschutz, der inzwischen allgemein einen erfreulichen breiten gesellschaftlichen Konsens vorzuweisen hat und zu Recht auch in unseren Gesetzen verankert ist.
„Respekt vor der Natur“, das ist ein Stichwort, das auf Google innerhalb von Sekunden mehrere Millionen Ergebnisse liefert. Sollten wir unsere „Werte“ und unsere „Ethik“, Frau Künast, nicht dahingehend stärken, dass dieser „Respekt vor der Natur“ nicht nur junges Leben von Nutztieren mit einschließt, sondern auch junges Leben von Menschen?
„Wessen Augen uns noch nicht ansehen und wessen Stimme wir noch nicht hören, der ist noch kein Wesen, das unseren Schutz verdient“. Das ist das ungesagt bleibende Motto für die Tötung von Leben hochentwickelter Wirbeltiere in früheren Stadien ihrer Individualentwicklung. Sollten wir dieses Motto nicht stärker thematisieren und hinterfragen? Und sollten wir uns nicht deutlicher in Erinnerung rufen, dass der Vorgang, aussortierte embryonale männliche Küken vor den Schlüpfen zu töten, frappant an Abtreibung erinnert?
Ich bin Zeit meines Lebens naturverbundener Tierfreund (dazu muss man übrigens keineswegs Vegetarier sein). Der Gedanke an in großem Umfang geschredderte Küken – egal ob nach oder vor dem Schlüpfen – löst in mir tiefes Grauen aus; Bilder, wie Küken geschreddert werden, sind für mich völlig unerträglich. Wir Christen sollten uns dringend mehr für aktiven Tierschutz einsetzen (bitte aber mit gesundem Augenmaß, denn es gibt auch zahlreiche übertriebene Formen des Tierschutzes, die das eigentliche Anliegen ins Absurde pervertieren).
Doch ich möchte darüber hinaus betonen: Frau Künast, Ihr Hinweis auf die Schmerzempfindlichkeit ungeschlüpfter und zur Tötung vorgesehener Küken ist ein wirklich wichtiger Satz für den Tierschutz. Doch ich hoffe darauf, von Ihnen auch bald zu hören: „Wir dürfen nicht vergessen, dass auch ungeborene Kinder Schmerzen fühlen können!“ Oder haben Sie Sorge vor den Konsequenzen, die diesem Satz folgen?
Interview im SWR: "Renate Künast: Ausstieg aus dem Kükentöten macht Hoffnung"
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