Grundsatzkritik am sogenannten „Synodalen Weg“ von Kardinal Müller, em. Präfekt/Glaubenskongregation

18. September 2020 in Buchtipp


„Weil man nicht vom christlichen Menschenbild ausgeht“ – „Ich kann mich nur wundern, was selbst Bischöfen, deren erste Aufgabe es ist, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, so alles einfällt“ – Leseprobe aus Gesprächsband Martin Lohmann/Kard. Müller


Vatikan (kath.net) Leseprobe aus dem Gesprächsband Martin Lohmann/Gerhard Kardinal Müller: "Wahrheit - Die DNA der Kirche":

 

Lohmann: Der sogenannte gemeinsame synodale Weg, was eigentlich wörtlich übersetzt so viel heißt wie der gemeinsam gegangene gemeinsame Wegesweg, beruft sich unter anderem auf eine Studie, die zu Beginn vorgestellt wurde. Ist es aus Ihrer Sicht ein fataler Irrweg?

 

Kard. Müller: Das stimmt. Und zwar vom Grundsatz her. Der von Ihnen erwähnten Studie liegt eine materialistische Anthropologie zugrunde, die ihren Hedonismus als Wissenschaft ausgibt. Die Themen des Wegesweges sind also, das muss man deutlich festhalten, vom Ansatz her schräg. Warum?

 

Weil man – ob erkannt oder nicht, ob gewollt oder nicht – nicht vom christlichen Menschenbild ausgeht. Die Kirche aber ist auf einem starken und geraden Fundament aufgebaut und dieses Fundament ist Jesus Christus selbst. Das Fundament heißt Wahrheit.

 

Lohmann: Der sogenannte synodale Prozess oder synodale Weg wird von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam gestaltet. Die Tatsache, dass sich viele Katholiken nicht vom ZdK vertreten fühlen, scheint man dort immer wieder wegzuwischen. Ist dieses ZdK noch eine zukunftsfähige Institution? Ist es zu politisch und zu einseitig geworden?

 

Kard. Müller: Das ist eine Institution, die eigentlich nicht mehr der Zeit entspricht und auf keinen Fall den Anspruch erheben kann, alle Katholiken in Deutschland zu vertreten. Und tatsächlich äußern viele immer wieder den Eindruck, dass das ZdK – nach seiner Außenwirkung zu urteilen – eher eine politische als eine kirchliche Ausrichtung verfolgt, ohne einzelnen Personen zu nahe treten zu wollen. Ich beziehe mich auf den Gesamteindruck. Das ZdK ist eine Einrichtung, die so nicht mehr in unsere Zeit hineinpasst und dringend der Reform bedarf. Seltsam, dass es hier wohl keinen Reformbedarf zu geben scheint gemäß der Lehre des II. Vatikanums vom Laienapostolat. Wenigstens hört man so etwas nicht, schon gar nicht aus diesem Gremium selbst. Was einige dort gestellte Forderungen mit dem Glauben der Kirche zu tun haben, ist jedenfalls nicht immer ersichtlich. Der Vorsitzende verkündete zum Beispiel, dass keiner aus diesem Kreis beichten gehe und dass der Petrusdienst nur eine aus zufälligen geschichtlichen Machtkonstellationen gewordene Funktion sei, die man nach der Tauglichkeit für die eigene Agenda bewerten müsse.

 

Lohmann: In diesem Zusammenhang wird gelegentlich kritisch darauf hingewiesen, dass offenbar der Glaube auch unter Bischöfen verdunstet. Wie kommt so etwas? Warum wird so häufig der soziale Jesus der Gerechtigkeit betont, aber die Gottessohnschaft ignoriert, verschwiegen – oder gar geleugnet? Warum spricht man zwar von Jesus, aber immer weniger von Christus? Gibt es eine eklatante Glaubenskrise bis hinein in den Episkopat? Ist das vielleicht der Rauch des Satans, von dem Papst Paul VI. einst sprach, dass dieser bis hinein in die Spitze der Kirche vorgedrungen sei?

 

Kard. Müller: Es gibt immer wieder Anzeichen für Glaubensverlust und mangelndes Glaubenswissen. Es ist nicht Aufgabe der Bischöfe, sich der Welt anzupassen und vor allem auf Applaus aus der Politik und den Medien zu schielen.

 

Lohmann: Ein deutscher Bischof meinte im Blick auf die katholische Kirche, man sei dort möglicherweise viel zu sehr eucharistiefixiert (siehe Link). Können Sie eine solche Äußerung verstehen?

 

Kard. Müller: Ich kann mich nur noch wundern, was selbst Bischöfen, deren erste Aufgabe es ist, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, so alles einfällt. Und ich kann nur hoffen, dass der Kollege im Amt das nicht so gemeint hat, wie er es über die Medien verlauten ließ. Denn das wäre ja nun wirklich ein eklatanter Glaubensabfall. Die heiligste Eucharistie steht für den Gottessohn selbst, für Jesus Christus, der allein Grund, Kern und Lebensodem der Kirche ist. Wer das leugnet, erst recht als Bischof, der hat das Wesen der Kirche nicht verstanden und den Kern des Glaubens aus dem Blick verloren. Nichts ist wichtiger als eine - jetzt benutze ich dieses Wort einmal - Fixierung auf die Eucharistie, also eine auch sakramental verdichtete ehrfurchtsvolle und andächtige Bindung an Jesus Christus. Nur so wird die Kirche befreit, nur durch Christus empfängt jeder Christ die volle Freiheit und das Leben in Fülle. Manchen Bischöfen und Geistlichen kann man nur raten, erst ein-mal intensiv zu beten und auf den Herrn zu hören, bevor sie sich öffentlich und höchst fragwürdig äußern, was selten dem Aufbau der Kirche Jesu Christi dient. Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben, heißt es im Buch Sacharja 12,10. Und im 1. Buch der Chronik heißt es: Richtet euer Herz und euren Sinn darauf, den Herrn, euren Gott zu suchen (11, 19). Nein, nein, auch wenn es einige wohl vergessen haben oder nicht mehr wissen: es gibt nichts Wichtigeres, Besseres und Heilenderes als eine Ausrichtung auf den Herrn. Das heutige Problem ist eher ein Zuwenig an Fixierung auf die Eucharistie als ein Zuviel.

 

kath.net-Buchtipp:

Wahrheit - Die DNA der Kirche
Von Lohmann Martin; Müller Gerhard Kardinal
Hardcover, 344 Seiten;
2020 fe-medienverlag
ISBN 978-3-86357-277-8
Preis Österreich: 20.40 EUR

 


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