Die verlassene Generation – Leseprobe 1

3. Oktober 2020 in Buchtipp


Leseprobe 1 aus dem neuen Buch von Gabriele Kuby: Die verlassene Generation


Linz (kath.net)

Das Kind unsere Zukunft

Kinder haben es bei uns nicht gut. Ein Viertel bis zu einem Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist krank an Leib und Seele, so krank, dass sie von Ärzten und Therapeuten behandelt werden müssen. Eine „glückliche Kindheit“, eine „sorglose Kindheit“, eingebettet in einer Familie von Vater, Mutter und Geschwistern, der weiteren Verwandtschaft, einer kindersicheren natürlichen Umgebung, die war gewiss auch „früher“, vor 1968, mit allen möglichen Beschwernissen durchsetzt, aber es gab sie doch noch als erstrebte Normalität.

Heute ist die Zerstörung der Familie gewollt als Schleichweg in den Sozialismus: Gleichheit auf dem untersten gemeinsamen Nenner kollektivierter Menschen, über die die politische Klasse herrscht. In den Großuntersuchungen, die das massenhafte Leiden der jungen Generation dokumentieren, wird der offensichtliche Zusammenhang mit niedrigem sozio-ökonomischen Bildungsstatus aufgezeigt, aber nach den tieferen Ursachen wird nicht gefragt. Der Zerfall der Familie taucht als Ursache nicht auf, das Wort Scheidung kommt nicht vor. Abhilfe wird von Medizin und Therapie erwartet. Diese können bestenfalls lindern, aber das weitere Abrutschen in eine Gesellschaft, die zu großen Teilen aus kranken Individuen besteht, nicht verhindern.

Die Zahlen des Leidens nicht hinnehmen zu wollen, hat mit Nostalgie gar nichts zu tun, mit Lebenswillen und Hoffnung auf Umkehr zu einer lebensfähigen Zukunft alles. Gibt es etwas Beglückenderes als das Lächeln eines Säuglings, etwas Ansteckenderes als das Kinderlachen? Gibt es etwas Schöneres, als wenn einem ein Kind voll Freude in die Arme läuft, sich ausschüttet vor Lachen über Dinge, die wir Großen gar nicht bemerken, sich voll Vertrauen vom Vater in die Luft werfen lässt, sich in den Arm der Großmutter schmiegt und ganz und gar Ohr ist, wenn sie ihm eine Geschichte vorliest?

Eine Mutter, die vierundzwanzig Stunden täglich das Kind nährt, wickelt, beschützt und mit ihm spricht, ohne dass Antwort in Worten kommt, die immer alle Antennen offen hat, ja einen siebten Sinn für die Bedürfnisse des Kindes entwickelt – „Ammenrapport“ nennt das die Kinderpsychologie – braucht einen langen Atem. Ein völliger Rhythmuswechsel wird der Mutter abverlangt vom rasenden Tempo der technisierten und digitalisierten Welt, dem Belohnungssystem beruflicher Arbeit und den Freizeitvergnügen der Kinderlosen zu ständigem, geduldigem Präsentsein. Zwischen der Freude über jeden neuen Schritt liegen Durststrecken, Schlafmangel, lange Stunden des Alleinseins mit dem Kind.

Ja, es ist anstrengend, ein Kind ins Leben zu begleiten, immer auf das Kind und nicht auf sich zu schauen. Aber der Lohn ist groß, unendlich viel größer als die Mühe: Ein neues Menschenkind ist auf der Welt. Die Eltern können neu werden in der bedingungslosen Liebe des Kindes. Sie sind nun mit dem Leben selbst unauflöslich verbunden. Es gibt keinen Rückzug mehr. Das Kind zieht die Eltern mit in die Zukunft.

kath.net Buchtipp
Die verlassene Generation
Von Gabriele Kuby
fe-Medienverlag 2020
ISBN: 9783863572761
368 Seiten, Paperback
Preis: Euro 18,30


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