Woelki: „Ich bin gerne bereit mich auf einen Dialog über Lebenswirklichkeiten einzulassen“, aber…

27. September 2020 in Aktuelles


Kölner Kardinal bei Ratzinger-Schülerkreistreffen: Er sei nicht bereit, den Dialog/Synodaler Weg „gegen die lebendige Überlieferung der Kirche“ zu führen, denn „das verzerrt das Wort Gottes“ - TEXTAUSZÜGE


Köln (kath.net/pl) kath.net dokumentiert einige Textauszüge aus dem Beitrag „Offenbarung im Spannungsfeld von Wahrheitsvorgaben und Lebenswirklichkeiten“ des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki beim Ratzinger-Schülerkreistreffen (der ursprüngliche Bericht zum Beitrag: siehe Link):

Nach einigen Ausführungen über die Dogmatische Konstitution Dei Verbum (1965) und das Nachsynodale Apostolische Schreibens Verbum Domini von Papst Benedikt XVI. 2010 erläuterte der Kardinal Woelki, es müsse „die Perspektive mitbedacht werden: Sie reflektieren die Lebenswirklichkeit der Menschen deshalb so positiv, weil es ihr Anliegen ist, Gottes Heilsangebot darzustellen, wie es offensichtlich von Gott mit seiner Offenbarung intendiert war und ist.“ Ganz anders sähe es jedoch aus, führte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki aus, wenn man sich die Frage stelle, „wie der Mensch sich zu diesem Angebot Gottes stellt. In Verbum Domini wird dies deutlich. Hier schreibt Benedikt unter dem Punkt ‚Die Antwort des Menschen an Gott, der spricht‘ es bestehe auch ‚die dramatische Möglichkeit, die der Freiheit des Menschen gegeben ist, sich diesem Dialog des Bundes mit Gott, für den wir geschaffen sind, zu entziehen.‘ Gerade im Angesicht des göttlichen Wortes werde die Sünde enthüllt, die auch im Herzen des Menschen wohne. Das gibt einen Hinweis darauf, weshalb nicht jede Lebenswirklichkeit dem Wort Gottes entspricht und nicht jede Lebenswirklichkeit die Überlieferung mitprägen sollte. Manche Lebenswirklichkeiten und Überlieferungen entstellen das Wort Gottes, manche versperren sogar den Weg.“ Deshalb bedürfe es der Unterscheidung der Geister, erinnerte Woelki, wie Papst Franziskus immer betone. „Je nachdem, ob die Lebenswirklichkeit im Gegensatz zu Schrift und Überlieferung steht oder nicht, je nachdem, ob sie vom Wort Gottes geprägt wird oder nicht, kann sie neue Antworten auf alte Fragen geben.“ Er wolle dies anhand „einer Problemstellung des synodalen Weges in Deutschland deutlich machen“, in der sich „Richtiges und Falsches“ vermische, was „dramatische Folgen haben“ könne.

„Weiterentwicklung im christlichen Sinne kann man aber nur annehmen, wenn man zugleich glaubt, dass Gott die Geschichte und seine Kirche leitet und in ihr wirkt“, betonte der Erzbischof. „Dass es da Menschliches gibt, das dies durchsetzt und mitwirkt, vielleicht sogar verdunkelt, ist richtig. Weiterentwicklung kann aber nicht bedeuten, dass die vermeintliche Überlieferung sich selbst widerspricht, indem sie beispielweise im völligen Gegensatz zum bisherigen kirchlichen Lehramt steht.“

Der Kölner Kardinal erläuterte wörtlich weiter: „Wenn man auf diesem Hintergrund einige Aussagen des Arbeitstextes des Synodalforums ‚Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche‘ betrachtet, wird man verstehen, weshalb ich diesbezüglich Befürchtungen hege. Dort heißt es zu Diensten und Ämtern: ‚Deren Vielfalt hat sich nicht zuletzt aufgrund pastoraler Bedarfe und Notwendigkeiten geschichtlich entwickelt. Angesichts der gegenwärtigen pastoralen Kontexte ist zu prüfen, welche neuen Dienste und Ämter zu gestalten sind, mit denen die Kirche auf neue Herausforderungen antworten kann und muss.‘ So weit, so richtig oder eben falsch. Nimmt man an, dass der Handelnde bei dieser geschichtlichen Entwicklung Gott ist, der seine Kirche durch den Heiligen Geist leitet, ist sie richtig. Nimmt man die historistische Interpretation, gegen die sich Dei Verbum wandte, und sieht die Gründe für diese Entwicklung als rein menschengemacht, säkular und innergeschichtlich an, ist sie falsch.“

Lese man „diese Aussage wohlwollend und geht davon aus, dass der Text vom Wirken Gottes in Geschichte und Kirche spricht, muss klar sein: Die Frage nach neuen Ämtern kann nicht gegen die Schrift und Überlieferung beantwortet werden, in denen sich uns Gott selbst und seinen Willen offenbart.“

Es sei „bezeichnend, dass in den weiteren Ausführungen nur auf die Bibel geschaut wird“. Hier kritisierte Kardinal Woelki einseitige Zitieren und Auslassungen“ in umfangreichem Maßstab. „Ich würde nun gerne sagen, dass die Überlieferung in der Kirche im Dokument stiefmütterlich behandelt wird. De facto muss man aber sagen: Das Bollwerk der Überlieferung in der Kirche, dass die Bibel davor schützt, fundamentalistisch oder ideologisch interpretiert zu werden, kommt gar nicht vor. Es würde dann schnell auffallen, dass die Überlieferung der Kirche keine Weihe von Frauen kennt. Jetzt stellt sich die Frage: warum möchte man auf das Wort Gottes, das sich in der Überlieferung offenbart, nicht hören?“

„Der Text der Synode scheint … ganz bewusst auf die Weihe von Frauen vorbereiten zu wollen“, moniert der Kardinal weiter. Und falls dies nicht gelänge, „so sollen neue Ämter erschaffen werden – nicht, weil man konkrete ‚Bedarfe‘ anführen könnte. Es scheint vielmehr eine Antwort auf Befindlichkeiten, denn ‚den Ausschluss von Frauen von den Weiheämtern nehmen viele als verletzend und ungerecht wahr.‘“ Tatsächlich müsse „auf diese Lebenswirklichkeit eine Antwort gefunden werden“, räumte Woelki ein, „aber eben nicht gegen die Offenbarung“.

Weiter thematisierte der Kölner Kardinal, „dass die ursprüngliche Lebenswirklichkeit, die zum synodalen Weg führte, der Glaubwürdigkeitsverlust der Frohen Botschaft und der Kirche durch den sexuellen Missbrauch durch Kleriker war. Wenn diesem Problem nur ein marginaler Absatz gewidmet ist, kann ich den Verdacht nicht verschweigen, dass diese Lebenswirklichkeit nur ein Vehikel zu sein scheint, um lang gehegte Wünsche wahr werden zu lassen.“ Ihm seien in diesem Kontext noch weitere Beispiele begegnet.

Obendrein könne er „auch einen weiteren Verdacht nicht verschweigen, nämlich den, dass hier eher die Überlieferung und die Auslegungsgemeinschaft mit der Weltkirche zur Disposition gestellt wird, als wirkliche Antworten zu finden, die den Lebenswirklichkeiten genauso wie der Wahrheit der Offenbarung gerecht werden.“

Eigens betonte er noch einmal: „Ich bin gerne bereit mich auf einen Dialog über Lebenswirklichkeiten einzulassen. Ich bin nicht bereit, das gegen die lebendige Überlieferung der Kirche zu tun. Das verzerrt das Wort Gottes. Das macht den Dialog mit Gott unmöglich, der uns zu unserem eigentlichen Glück und zu wahrer Freude führen soll. Das versperrt den Weg zur Gemeinschaft mit ihm, die uns zu dem Menschen macht, der wir eigentlich sein sollen und wollen. Vielleicht also ist die Antwort auf viele Fragen, die unseren Lebenswirklichkeiten entspringen: dass unsere Lebenswirklichkeiten viel mehr vom Wort Gottes geprägt sein sollte als unser Verständnis vom Wort Gottes von unserer Lebenswirklichkeit.“

Archivfoto Kardinal Woelki (c) Erzbistum Köln


© 2020 www.kath.net