16. Oktober 2020 in Kommentar
Ein tägliches Experiment: Wie eine Checkliste der heiligen Mutter Teresa auch dein Leben ein Stück heiler machen kann. Benedicta von Petra Knapp-Biermeier.
Linz (kath.net) Zusammengekauert sitzt sie da, der Rücken gekrümmt. Sie lauscht. Nickt, presst die Lippen zusammen. Führt ihre Hand zum Mund, senkt den Kopf, zeichnet mit dem Daumen rasch drei kleine Kreuze drauf. Schweigt weiter und hört zu.
Etwa eine Sekunde dauert das, und wer nicht scharf beobachtet hat, dem ist sie nicht aufgefallen, die kleine Geste, die ausschlaggebend dafür ist, ob Mutter Teresa etwas sagt oder ob sie schweigt und weiter zuhört.
P. Leo Maasburg, ihr langjähriger geistlicher Begleiter, erzählt von den geheimnisvollen drei Kreuzchen, jener inneren Checkliste, mit denen die Heilige ihr Reden regulierte. Jedes Kreuzchen stand für eine Frage. Erstens: Ist es wahr, was ich sage? Zweites: Ist es in der Liebe? Drittens: Ist es notwendig, dass ich das überhaupt sage bzw. dass ich das genau jetzt sage, zu diesem Zeitpunkt?
Immer wieder sprechen mich Erfahrungen an, wo es um die Macht unserer Worte geht. Und ich versuche in meinem Alltag, kleine Inseln zu schaffen, wo ich Sätze beginne mit den Worten „Ich ermutige dich, ...“ Allein dieser Satzanfang lässt Menschen aufhorchen, durchatmen, sich entspannen.
Worte können froh machen oder massiv entmutigen und kränken. Eine Freundin erzählte mir von ihrem Sohn, der eine schlechte Note auf eine Schularbeit bekommen hatte. Der Lehrer fragte ihn vor der Klasse „Hast du gelernt?“ Der Schüler nickte, weil er tatsächlich gelernt hatte. Der Lehrer legte ihm das Heft hin mit den Worten „Da habe ich aber nichts davon bemerkt.“
Hätte der Lehrer die drei Kreuzchen berücksichtigt, hätte er wohl geschwiegen. Welchen Effekt hatte sein Kommentar? Der Schüler ging beschämt, entmutigt und traurig nach Hause. Es gibt unzählige Geschichten, die unseren Alltag durchweben, wo durch Worte eine Situation schlagartig eskaliert und innerhalb von Sekunden in ein Schlachtfeld verwandelt.
Es ist schon Jahre her, als wir mit einer befreundeten Familie in einem Gasthaus zusammen saßen. Wir waren ins Gespräch vertieft, und meine Bekannte wurde im Minutentakt von ihrer achtjährigen Tochter unterbrochen und angequängelt. Irgendwann flüsterte die Mutter mir zu: „Puh, ich muss jetzt atmen und bis zehn zählen, sonst fange ich zum Schreien an...“ Sie schaffte sich mit dieser kleinen Übung innerlich wieder einen Freiraum, und bei der nächsten Unterbrechung schickte sie ihre Tochter mit einem klaren „Nein“ weg.
Es ist viel leichter, die passenden Worte zu finden, wenn wir entspannt und ausgeglichen sind. Aber wie schwer ist es, die Selbstkontrolle zu bewahren, wenn kurz vor dem Abendessen die offene Saftflasche umkippt und alles verklebt, während das Telefon läutet und dein Kind dich zum dritten Mal fragt, ob du seine Handyzeit verlängerst?
Wie oft kriegt mein Mann den Frust ab, der sich im Laufe der Stunden bei mir ansammelt, und mit dem er nichts zu tun hat? Wie oft lassen wir es andere spüren, wenn uns etwas nicht passt? Wie oft laden wir unseren Frust über die Politik ab oder über die Kirche, wie oft verbreiten wir Negatives und suchen dadurch Erleichterung?
Was auch immer dein persönliches Schlachtfeld ist, das dich zu negativen, entmutigenden, kränkenden Worten verleitet: Ich ermutige dich zu einem Experiment, das dein Leben ein Stück heiler machen wird. Bringe einmal am Tag eine herausfordernde Situation mit deinen Worten unter Kontrolle. Zeichne die drei Kreuzchen auf deine Lippen und checke, ob deine Worte wahr, liebevoll und nötig sind. Dann sprich – oder schweige. Mit deinen Worten hast du viel in deiner Hand, mit deinen Worten schaffst du Raum und ermöglichst neues Leben! „Freundliche Worte können kurz und leicht ausgesprochen werden, aber ihr Nachklang ist unendlich.“ (Heilige Mutter Teresa von Kalkutta)
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