„Ah, meine Freunde! Das, was uns erwartet im Reich Gottes, ist ein Fest“

20. Oktober 2020 in Spirituelles


Pariser Erzbischof Aupetit in Predigt: „Aber da gibt es einen Mann, jenen Mann, den der Hausherr ohne sein Festgewand vorfindet… den er rauswirft. Da schreien wir ‚Das ist Ausgrenzung.‘“ Gastbeitrag von Juliana Bauer


Paris (kath.net) „Ah, meine Freunde! Welch eine schöne Nachricht! Das, was uns erwartet im Reich Gottes, ist ein Fest…“ Das ruft der Pariser Erzbischof Michel Aupetit in der Sonntagsmesse in der überaus gut besuchte Pfarrkirche St. Germain l’Auxerrois aus. Ja, sie sind gekommen, les Parisiens. Und sie füllten das Gotteshaus, ungeachtet der steigenden Corona-Zahlen in der französischen Hauptstadt. Selbstverständlich die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einhaltend. Aber sie sind gekommen. Um die Messe mit ihrem Erzbischof zu feiern, um seine Predigt zu hören. Und sie ließen sich anstecken von seiner Lebensfreude. Die Begeisterung vieler seiner Gläubigen brach sich dann in den Kommentaren Bahn…

Die Schrifttexte des zweiten Sonntags im Oktober, insbesondere jener des Propheten Jesaja wie auch jener des Evangeliums, waren wieder prädestiniert für Michel Aupetit. Bevölkerten Weinberge und Weingärtner die biblischen Texte der vergangenen Wochen – Metaphern für Gottes Reich, wie sie nicht erst Jesus liebte, wie sie bereits das alte Volk Israel zahlreich kannte – so wechselt Jesus dieses Mal das vertraute Umfeld. Das Reich Gottes gleicht jetzt einem königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14), vorbereitet in dem üppigen Festmahl, welches Gott auf dem Berg Zion nicht nur für sein Volk, sondern für alle Völker der Erde ausrichtet (Jes. 25,6-10a). „Welch eine schöne Nachricht!“

Erzbischof Aupetit scheint selbst im Festsaal zu sitzen: „Das, was uns erwartet im Reich Gottes, ist ein Fest, ein Fest mit fettem Fleisch und auserlesenen Weinen. Wenn es wirklich etwas gibt, das uns erfreut, dann ist das eine gute Nachricht! … Oh!“ Mit einem Ausruf des gespielten Bedauerns unterbricht er plötzlich die Verkündigung der frohen Botschaft. „Ich weiß sehr gut, da gibt es einige Veganer, die uns erklären, dass sie kein fettes Fleisch lieben. Ich fürchte leider, sie bevorzugen tiefgefrorene Embryonen.“ Lachen aus der Menge der Gläubigen. Aber der provokative Hieb saß. Die Spitze des Hiebs, der auch nicht bei den Nicht-Kirchgängern unbemerkt bleiben dürfte – funktioniert doch die Mund-Propaganda auch hinter den Masken – wird sich in das Fleisch der Verfechter des Bioethik-Gesetzes wie auch vieler radikalisierter Veganer und Ökoaktivisten bohren.

Schon die jüngsten Predigten des Erzbischofs enthielten Kritiken in Richtung des Bioethik-Gesetzes, in denen er, diese auf Twitter und Facebook erhärtend, Stellung bezog: gegen die Schaffung von Chimären, gegen die Freigabe der künstlichen Befruchtung und das Einfrieren vielzähliger menschlicher Embryonen, deren Leben letztlich vernichtet wird, Missbilligungen, in denen er die Abtreibung, d.h. den Mord an den ungeborenen Kindern massiv geißelte, insbesondere den Mord an den ausgewachsenen, kurz vor der Geburt stehenden Babys, wie ihn die französische Nationalversammlung im Fall einer „sozialen Notlage“ beschloss. Und Michel Aupetit trifft mit einem einzigen Satz, ohne diesen ausführen zu müssen, die klaffende Wunde unserer Gesellschaft: einer Gesellschaft, die ihre Kinder im Mutterleib tötet, die aber, wie ich es mehrfach miterlebte, verendete Krähen oder überfahrene Kröten beweint, einer Gesellschaft, in der fanatische Öko-Anhänger anders Denkende als „Fleischfresser“ beschimpfen oder gar angreifen. Man wird den Erzbischof nach dieser Predigt u.U. wieder mit beleidigenden Worten zumüllen, ihm vorwerfen, er sei ein Feind der Ökologie, ohne seinen Einsatz für die gesamte Schöpfung Gottes und den verantwortungsvollen Umgang mit ihr zu beachten, den er immer wieder anmahnt (u.a. in seiner Predigt vom 4.Oktober).

Michel Aupetit wendet sich wieder dem Propheten Jesaja zu, den er, mit Einfügungen gespickt, frei zitiert „Möge der Herr den Tod verschwinden lassen (vgl. Jes.25,8), darüber sind wir natürlich erfreut. Und wir sind dafür…!“ Und „Gott ‚wischt die Tränen auf allen Gesichtern ab‘ …entfernt von Illusionen, die uns glauben machen, dass der leibliche Tod überwunden werden kann, entfernt von den Phantasien einer Pseudowissenschaft, welche die Realität unserer Endlichkeit leugnet.“ Den irdisch bezogenen Phantasmen setzt der Erzbischof die Überzeugung der Christen entgegen, die den Glauben des jüdischen Volkes, wie er bei Jesaja anklingt, fortsetzen im Glauben an die Auferstehung Jesu, „die wir jeden Sonntag feiern, wenn wir uns am Auferstehungstag unseres Herrn versammeln… Das ist unsere Hoffnung, die wir einander mitteilen … das ist die wahre Botschaft der Hoffnung.“

Erzbischof Aupetit ist nun beim Gleichnis Jesu angelangt. Bei der Einladung Gottes zum Festmahl, die an alle ergeht. „Dass der Herr alle hereinlässt, die Guten und die Schlechten, da sind wir dafür!“ Noch einmal eine kleine Provokation! Offensichtlich gemünzt auf unsere heutige Gesellschaft, die „immer dafür“ ist, wenn alles, was gemacht wird, ihren Wunschvorstellungen entspricht. Aber „das ist auch gut für mich.“ Jetzt scheint der Humor des Erzbischofs durch und wird mit einem Lachen der Gläubigen quittiert. „Das heißt, dass ich dann vielleicht auch eine Chance habe...“ An dieser Stelle entwickelt er einen kurzen Diskurs darüber, wo heutzutage die Grenze zwischen Gutem und Bösem liege, wo diese zu finden sei… und dass letztlich Gott die Wahl treffe…

Dann verweist Michel Aupetit wie bereits in den Evangelien der vorhergegangenen Sonntage darauf, dass es wieder eine Stelle gäbe, „die schockiert. Nicht nur euch, auch mich selbst etwas“, da Jesus einen Gott verkündet, der so ganz anders ist als in unseren Vorstellungen. „Die ersten also wollten nicht kommen. Gut, das ist, wie wir heute sagen, ihre Entscheidung. Sie hatten zu tun, die einen auf dem Feld, die anderen hatten ihre Angelegenheiten zu regeln. Nun gut. Sie wollten nicht kommen, nicht zum Fest gehen. Das ist ihre freie Entscheidung, respektieren wir sie … Wir hätten es aber zweifelsohne gerne, dass das Gleichnis damit ende, dass die ganze Welt hereinkommt, die Guten wie die Schlechten, und dass die ganze Welt sich freut. Aber da gibt es einen Mann, jenen Mann, den der Hausherr ohne sein Festgewand vorfindet… den er rauswirft. Da schreien wir ‚Das ist Ausgrenzung.‘ “

Monseigneur Aupetit erklärt seinen zahlreichen Zuhörern nun von einem Brauch, der an orientalischen Königshöfen üblich war und ohne den wir alle das Gleichnis Jesu nicht verstehen können. Von dem Brauch, dass die zu Hochzeiten und zu anderen besonderen Festen geladenen Gäste nicht ohne ein Gewand, das der König ihnen bereitstellen ließ, am Bankett teilnehmen konnten. Wenn nun jener Mann, von dem Jesus spricht, ohne Festgewand erschien, bedeute das, dass er das königliche Angebot aus freiem Willen ablehnte. Demnach sei er kein armer Kerl, dessen Schicksal uns schockieren müsse. „Nein.“ Die Verweigerung zog demnach „die Sanktion nach sich, dass er hinausgeworfen wurde.“ Das sei ein wenig wie Metro fahren ohne Ticket.

Im Grunde, meint Erzbischof Aupetit weiter, spreche Jesus hier vom Leben, das es uns erlaube, zum Hochzeitsfest zu gehen. Er möchte in diesem Evangelium eine Anspielung auf die spätere Taufe und unser Taufkleid verstehen, auf das reine Gewand, welches dafür stehe, dass wir ins Gottesreich gelangen, dass wir, wie Paulus es ausdrückt, „Christus angezogen“ haben (Gal. 3,27). Aupetit wiederholt in diesem Kontext noch einmal seine früheren Predigtworte, dass es nicht unser Verdienst sei, sondern Gottes Liebe, die „über unsere Wehwehchen hinausreicht“ und uns den Eintritt in das Reich Gottes gewähre. Denn „wir sind alle gerufen, alle, ausnahmslos … Gott lädt großzügig und frei ein.“ Dennoch läge es an uns, das Festkleid anzunehmen oder zu verweigern … „wir denken vielleicht wie die ersten Gäste im Gleichnis, dass wir bessere Dinge zu tun haben …“ Ohne das Festkleid aber seien wir nicht würdig, in das Reich Gottes einzutreten, „dann schließen wir uns vom großen Glück aus … …

Wir können … das Geschenk ablehnen, das uns gegeben wird. Eingeladen zur Liebe und aus Liebe“ sei dies immer möglich, wie es jener Mann tat, der sich dem Hochzeitskleid verweigerte. „Wir sind zur Liebe berufen, und durch die Liebe sind wir gerufen … wir sind von Gott adoptiert, wir sind wie ein legitimes Kind, das von Gott das erhalten wird, was er uns verheißt, sein Reich…“

Auszüge aus: Homélie de Mgr Michel Aupetit. Messe à Saint-Germain l’Auxerrois – Dimanche 11 octobre 2020, in: Homélies - Diocèse de Paris. L’église catholique à Paris sowie Messe du St. Germain l‘Auxerrois, Dimanche 11 octobre 2020, KTOTV (Télévision Catholique). Predigt zu den Texten: Jesaja 25, 6-10a; Matthäus 22,1-14 – Übersetzung: Dr. Juliana Bauer für kath.net

 


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