5. November 2020 in Aktuelles
Mit Rosenkranzgebeten bis 8. November wollen Katholiken in Polen um Vergebung für Sünden gegen den Lebensschutz bitten - Polens Regierung und Kirche angesichts von Protesten nach Richterspruch unter Druck
Rom/Warschau (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat sich hinter eine polnische Gebetsinitiative gegen Abtreibung gestellt. Die Bitten der Gläubigen sollten Heilung für die Wunden erwirken, die der Tod ungeborener Kinder verursacht habe, sagte das Kirchenoberhaupt in der Videoansprache während seiner Online-Generalaudienz am Mittwoch im Vatikan. Franziskus wandte sich damit an Teilnehmer der Aktion "Rozaniec do Granic Nieba". Mit Rosenkranzgebeten vom 1. bis 8. November wollen Katholiken in Polen um Vergebung für Sünden gegen den Lebensschutz bitten.
"Rozaniec do Granic Nieba" ("Rosenkranz an den Grenzen des Himmels") war mit einer Messe von Erzbischof Jozef Gorzynski eröffnet worden. Die achttägige Aktion knüpft an eine katholische Laieninitiative an, mit der im Oktober 2017 Zehntausende Polen für eine Rückkehr Europas zu seinen christlichen Wurzeln beteten.
Polens Verfassungsgericht hatte am 22. Oktober die Möglichkeit legaler Schwangerschaftsabbrüche noch einmal eingeschränkt. Gesetzlich erlaubt sein sollen Abtreibungen demnach künftig nur, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist.
Die Entscheidung löste anhaltende, massive Straßenproteste im Land aus. Allein am vergangenen Freitag sollen mehr als 800.000 Menschen an Kundgebungen teilgenommen haben. Laut mehreren Umfragen lehnen rund 70 Prozent der Polen das Urteil der Verfassungsrichter ab. Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), aber auch die katholische Kirche stehen unter Druck.
Polens Regierung und Kirche unter Druck
Am Montag hätte das Urteil im polnischen Amtsblatt veröffentlicht werden und damit Geltung erlangen sollen. Entgegen den Gepflogenheiten hat die Regierung die Richterentscheidung aber bislang nicht veröffentlichen lassen - offenbar um Zeit für die Suche nach einem Ausweg im heftigen Abtreibungsstreit zu gewinnen. Regierungssprecher Piotr Müller sagte nach Angaben der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag, das Urteil müsse zwar nach "angemessener Zeit" publiziert werden, "doch im Moment brauchen wir alle Ruhe, eine Diskussion über dieses Urteil und eine Dämpfung gesellschaftlicher Emotionen".
Die Protestierenden machen die PiS für das Urteil verantwortlich, weil es vor allem ihre Abgeordneten waren, die eine der drei Ausnahmen vom bisherigen Abtreibungsverbot beim Verfassungsgericht angefochten hatten. Die Regierungspartei plant nun eine Präzisierung des Abtreibungsgesetzes, ist sich allerdings bisher nicht einig, wie diese aussehen soll. Staatspräsident Andrzej Duda schlug dem Parlament vor, Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben, wenn es laut medizinischer Diagnose wahrscheinlich ist, dass das Kind tot geboren werde oder so krank sei, dass es trotz Behandlung "unweigerlich" gleich nach der Geburt sterbe.
Weil sich zahlreiche Kirchenvertreter zuletzt für eine Verschärfung der Abtreibungsregelung stark gemacht hatten, hat das Urteil auch Auswirkungen auf die katholische Kirche. In mehr als 20 Kirchen störten Aktivisten Gottesdienste, auch in den Kathedralen von Posen und Lodz.
Politologe sieht "tiefe Krise"
Zuletzt wurde am Mittwoch eine Umfrage bekannt, wonach eine breite Mehrheit der Polen der katholischen Kirche in ihrem Land in einer Umfrage aktuell ein schlechtes Zeugnis ausstellt. 65,7 Prozent sind der Meinung, die Kirche spiele eine negative Rolle im öffentlichen Leben, ergab eine Erhebung des Institut United Surveys auf Basis von 1.000 Befragten für die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna" und Radio RMF. Nur 27,4 Prozent beurteilen die Rolle als positiv. Die übrigen Befragten trauten sich kein Urteil zu.
Bei jenen Polen, die regelmäßig ihren Glauben praktizieren, sieht es etwas anders aus. 50 Prozent von ihnen bewerten demnach die Rolle der katholischen Kirche im öffentlichen Leben negativ, 48 Prozent hingegen positiv. Auch besonders viele PiS-Wähler sind mit der Kirche zufrieden, nämlich 69 Prozent.
Der Politologe Antoni Dudek sprach gegenüber der Zeitung von einer "tiefen Krise" der Kirche. Diese Krise sei über die Jahre immer größer geworden. Als Gründe hierfür nannte er Vertuschung von Verstrickungen mit dem ehemaligen kommunistischen Geheimdienst, Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, mangelnde Bescheidenheit von Geistlichen sowie Verbindungen von Priestern mit der Regierungspartei PiS.
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