Das letzte Wort spricht immer Gott

18. Dezember 2020 in Kommentar


Wir sollen nicht zusammengekauert wie verängstigte Schafe über Corona nachdenken, sondern beten, reden, handeln. Benedicta von Petra Knapp-Biermeier.


Linz (kath.net) Meine Geschichte beginnt heute damit, dass ich kaum mehr Nachrichten mehr konsumiere. News, Schlagzeilen, diese fetten Wortmonster, die solange in meinen Gedanken herumschwirren, bis ich desolat zurück bleibe: Ich will am Laufenden bleiben, mitreden, mich innerlich einstellen auf das, was kommt. Monatelang bin ich super informiert – und irgendwann deprimiert.

Hin und her. Rauf und runter. Wie lange geht das noch? Welche Informationen brauche ich, welche nicht? Den Schlussstrich ziehe ich irgendwann im November. Tschüss Facebook. Diverse News-Portale beschränke ich mir selber auf eine Minute am Tag. Und an vielen Tagen kriege ich gar nichts mit von neuen Maßnahmen und politischen Statements.

Schon nach kurzer Zeit spüre ich, wie ich wieder resistenter werde. Die Psyche pendelt sich wieder ein auf ein normales Level. Ich kreise nicht mehr so viel um mich selber, sondern frage mich, wie es den Menschen da draußen geht, den vielen, die ich nicht mehr sehe! Hinter Masken die einen, in den Wohnungen oder hinter hohen Gartenhecken die anderen.

Gestern habe ich im Supermarkt zum ersten Mal länger geplaudert, mit einem älteren Mann, der immer die Getränke einschlichtet. Ich habe meinen Lieblingspunsch gesucht, und er schlurfte mit mir durch die Gänge, zeigte mir Glühwein und Martini. Den Punsch fanden wir nicht, aber wir verbrachten ein paar nette Minuten miteinander. Es ist absurd, das überhaupt auszusprechen, weil es ja normal sein sollte, aber längst nicht mehr ist: Es tat gut, sich einfach zu unterhalten.

Und das ist die erste Lektion, die ich lerne: Ich blicke hinter die Maske. Ich nehme wieder wahr, dass hier Menschen sind und nicht Maskenträger oder Virenüberträger. Ich fokussiere mich auf Gesichter, versuche Gespräche bewusst aufzubauen, nachdem ich monatelang Einkaufswägen durch Supermärkte geschoben habe und immer abgestumpfter wurde und manchmal keinem Menschen mehr in die Augen geblickt habe.

Und die zweite Lektion hängt eng damit zusammen: Wir brauchen es, miteinander zu reden! Es ist so wichtig, miteinander zu sprechen, Anteil zu nehmen am Leben der anderen. Ganz unabhängig von den jeweiligen Welt-Themen hat doch jeder seinen Alltag, seine Herausforderungen, seine Freuden. Ich investiere jetzt wieder mehr Zeit in Gespräche, auch en passant.

Und da ist schon die dritte Lektion. Denn mit wem auch immer ich spreche: Das Thema Nummer 1 kommt spätestens im zweiten Satz. Und mit dem Thema kommt die Angst, der Zorn, die Furcht, die Resignation. Jetzt wird es herausfordernd. Denn meine Hoffnung ist nicht die Impfung. Oder dass alles wieder so wird wie vorher. Oder dass ich endlich wieder ins Schwimmbad kann. Auf Urlaub fahren. Dies oder das. Das wünsche ich mir.

Aber hoffen? Ich hoffe auf Gott. Er ist meine einzige Hoffnung, was all meine Lebensbereiche betrifft. Meine einzige Hoffnung ist der Schöpfer des Universums, der diese sich immer irrer drehende Welt souverän in Händen hält. Meine aller letzte Hoffnung ist der, der mich gewollt und geliebt hat, als ich noch fünf Zentimeter klein im Bauch meiner Mutter heranwuchs. Meine Hoffnung und mein Glaube ist, dass wir nicht allein gelassen sind in dieser Zeit.

Und davon will ich erzählen, an der Supermarktkasse, der gestressten Lady vom Paketdienst, der schweigsamen Mama am Spielplatz. Denn ich habe nur mein Hier und Jetzt. Und das spürt sich manchmal recht mickrig an, wenn mir Antworten fehlen, wenn ich nur schweigend zuhöre, versuche, einen verständnisvollen Blick zu schenken oder ein Lächeln.

Aber mit Gott an meiner Seite, da passieren Wunder! Da muss die Angst weichen, denn wo Gott seinen Platz in meinem Leben einnimmt, da schrumpft die Angst und Sorge auf ein gesundes Maß. Ich will das nicht vergessen, und so bete ich, backe Kekse, putze Schuhe, räume auf, prüfe Lateinvokabeln, gehe eislaufen, spazieren, rede, tue, lebe mein Leben.

Ein paar Sätze des Schriftstellers C. S. Lewis inspirieren mich. Auf die Frage „Wie sollen wir in einem Atomzeitalter leben?“ antwortete er vor über 60 Jahren: „Ich bin versucht, zu antworten: Na, so wie Sie im 16. Jahrhundert gelebt hätten, als die Pest fast jedes Jahr die Stadt London heimsuchte, oder wie Sie im Wikingerzeitalter gelebt hätten, als Räuber aus Skandinavien jede Nacht bei uns landeten und Ihnen die Kehle durchschneiden konnten; oder so, wie Sie bereits jetzt im Zeitalter von Krebs, Syphilis, Kinderlähmung, Terroranschlägen, Flugunglücken und Autounfällen leben. Mit anderen Worten: Fangen wir nicht an, zu glauben, dass wir es mit einer völlig neuartigen Herausforderung zu tun haben.“

„Glauben Sie mir“, fährt Lewis fort: „Sie und alle, die Sie lieben, waren schon zum Tode verurteilt, bevor die Atombombe erfunden wurde. Jeder von uns wird sterben. Früher oder später. Auf angenehme oder weniger angenehme Weise. Die Atombombe ist nur eine weitere Gelegenheit von vielen für einen vorzeitigen Tod in einer Welt, in der es praktisch nur Möglichkeiten gibt zu sterben. Der Tod ist keine Möglichkeit, sondern eine Gewissheit.“

Das Erste, was wir tun müssten, sei „uns zusammenzureißen“, rät Lewis: „Wenn diese Atombombe uns zerstört, dann soll sie uns dabei erwischen, wie wir sinnvolle Dinge tun – beten, arbeiten, unterrichten, lesen, Musik hören, die Kinder baden, Sport treiben oder mit unseren Freunden plaudern. Wir sollen nicht zusammengekauert wie verängstigte Schafe über die Atombombe nachdenken.“

Wir sollen nicht zusammengekauert wie verängstigte Schafe über Corona nachdenken. Das denke ich, das feuert mich an, mich der Angst entgegenzustemmen, die Tag und Nacht in unsere Poren hineinkriechen will. Das bestärkt mich, im Gebet einzutreten für meine Lieben, für alle, mit denen ich täglich zu tun habe. Das ermutigt mich, meine Gedanken darauf zu trainieren, was Gott über diese Welt denkt. Das bekräftigt meinen Glauben, dass Gott alles zum Guten wenden kann.

Er weiß um die Gefährlichkeit dieser Welt. Nicht umsonst ist er als kleines, verletzliches Kind in eine politische extrem angespannte Situation hineingeboren. Aber er liebt die Menschen so sehr, und die Liebe überwindet alle Furcht. Lassen wir uns an diesem Weihnachtsfest ganz neu vom Gott der Hoffnung und Zuversicht beschenken! Er weiß, was er tut. Und das letzte Wort spricht immer er...


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