23. Dezember 2020 in Weltkirche
Mindestens 27 Bootsflüchtlinge ertrunken
Wien-München (kath.net/KIN)
Die leblosen Körper der Schiffbrüchigen liegen am Hafenkai von Güiria aufgereiht – vom Wasser aufgequollen, die Gesichter entstellt, halbnackt. Die erschreckenden Bilder, die das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ aus dem Küstenort an der nordöstlichen Landzunge Venezuelas erreicht haben, zeigen die Flüchtlingstragödie, die Venezuela derzeit heimsucht. „Es sind Leichen von Kindern, Schwangeren und jungen Menschen dabei. Die Menschen in Venezuela sind verzweifelt und stürzen sich in ein gefährliches Abenteuer, das in einer Tragödie endet“, so schildert Jaime Villarroel Rodríguez, Bischof von Carúpano, mit gebrochener Stimme die Situation.
Zwei Boote waren am 6. Dezember, dem Nikolaustag, aus Güiria aufgebrochen. Wie viele Personen sich tatsächlich an Bord befanden, weiß niemand. Ihr Ziel: der Karibik-Inselstaat Trinidad und Tobago. Dessen Hauptstadt Port-of-Spain liegt nur 100 Kilometer von Venezuelas Küste entfernt. Für unzählige Venezolaner liegt zwischen beiden Ländern die vage Aussicht, einem Leben in Armut und Elend zu entkommen – oder, wie in diesem Fall, der Tod.
Venezolaner versuchen Elend und Hunger zu entkommen
Über 4,5 Millionen Menschen haben Venezuela bereits verlassen, das seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise taumelt. Beobachter ordnen den südamerikanischen Staat, was Armut und Ungleichheit angeht, inzwischen hinter afrikanischen Krisenstaaten wie dem Tschad und der Demokratischen Republik Kongo ein. Viele Venezolaner wandern in die Nachbarländer Kolumbien und Brasilien aus. Manche jedoch wählen den Seeweg in die Karibik. Wöchentlich brechen aus Güiria Flüchtlingsboote auf.
Seine Diözese betreibe dort ein Haus für Migranten, versorge sie mit Lebensmitteln und biete Beratung an, erklärt Bischof Villaroel: „Wir leisten sehr viel Unterstützung, damit junge Leute und andere Menschen nicht unter Lebensgefahr weggehen müssen und solche Tragödien geschehen. Leider können wir sie aber nicht immer verhindern.“
Flucht ist in den Händen von Mafiabanden
Bis zu 500 US-Dollar verlangen Mafiabanden für die Überfahrt, berichtet der Bischof. Sie wählen alte Schmugglerwege: Drogen und Treibstoff werden hier illegal verfrachtet, nun auch Menschen. Auch der Handel mit Prostitution und Arbeitssklaven blüht. Die Behörden setzten den Banden zu wenig entgegen, beklagt Villaroel. „Es ist eine sehr komplexe und schwierige Situation. Unsere Gemeindemitglieder haben ihre Gebete, ihre Bitten und Forderungen verdoppelt, damit die zuständigen Behörden auf all das reagieren, was den Flüchtlingen und ihren Familien widerfahren ist.“
Angehörige berichten, dass die Boote bei der Ankunft in Port-of-Spain am Anlegen gehindert worden seien. Sie mussten umkehren, ohne noch einmal auftanken zu können. So kam es zur Tragödie. Die erste Leiche, die am Hafen von Güiria aus dem Wasser geholt wurde, sei die Schwester eines ehrenamtlichen Mitarbeiters der Caritas gewesen, berichtet der Bischof. „Sie konnte nur noch an ihren Tätowierungen identifiziert werden.“
Die Diözese hat sofort ein Hilfsteam eingerichtet, um den Hinterbliebenen medizinisch und psychologisch beizustehen. Bischof Villaroel leitete einen Trauergottesdienst, eine große Prozession und eine Mahnwache für die Getöteten. Der Ort und die ganze Region stünden unter Schock, schildert der Bischof gegenüber „Kirche in Not“: „Wir bitten Gott um Barmherzigkeit für unser Volk und um menschenwürdige Verhältnisse. Ich danke Ihnen und allen anderen internationalen Organisationen für die Unterstützung, die Sie unserem Volk zukommen lassen. Vergessen Sie uns nicht in unserem Schmerz.“
Foto: Helfer der Diözese versorgen in Güiria Migranten mit Lebensmitteln. © Kirche in Not
© 2020 www.kath.net