4. Jänner 2021 in Interview
Emeritierter Präfekt der Glaubenskongregation: „Wer seinen Relativismus in der Wahrheitsfrage auf die geoffenbarte Glaubenslehre der Kirche überträgt, der wird ihr Credo wie eine bewegliche Knetmasse ansehen“. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg
Vatikan (kath.net/pl) „Der sogenannte Synodale Weg der deutschen Bistümer hat keinerlei Autorität, um eine in Fragen des Glaubens und der Moral von der verbindlichen Glaubenslehre der katholischen Kirche abweichende Lehre und Praxis einzuführen. Deshalb steht der Beschluss, auch glaubenswidrige Entscheidungen den Katholiken in Deutschland überstülpen zu wollen, im Widerspruch zur katholischen Kirchenverfassung und ist a limine null und nichtig. Die Disziplinargewalt der Bischöfe darf niemals der Erzwingung häretischer Lehren oder unmoralischer Handlungen dienen.“ Das stellt der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Kardinal Müller, im kath.net-Exklusiv-Interview fest. „Aus allen Teilen der Weltkirche werde ich voller Sorge auf den Synodalen Weg angesprochen. Die Sache ist schon so verfahren und die Fronten sind so verhärtet, dass ein Ausweg schwer vorstellbar ist.“ Der „endlos insistierenden Wiederholung der angeblich unter den Nägeln brennenden Synodalthemen“ liege außerdem „ein antikatholisches Ressentiment zugrunde“, beschreibt Müller, der 1986 als Dogmatikprofessor an die Ludwig-Maximilians-Universität in München berufen worden war und 2002 Bischof von Regensburg wurde. In seiner Zeit des Wirkens als Bischof fiel sein Wirken als Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz.
kath.net: Herr Kardinal Müller, Bischof Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sagt richtigerweise im Interview mit der „Herder Korrespondenz“: „Es gibt nun mal diese große Transformation von einer Milieu-gestützten Volkskirche zu einer Kirche der Entscheidung.“ Eine „Kirche der Entscheidung“ – doch, Herr Kardinal, wofür wird man sich in Deutschland künftig entscheiden, wenn man katholisch bleiben oder werden will? Für eine Mitgliedschaft in einer sympathischen Vorort-Pfarrei, für gepflegte Kirchenmusik und schöne Pfarrfeste, für das Zahlen der Kirchensteuer, für die eventuell auch unbequeme Nachfolge jenes Predigers aus Galiläa, der in Leben, Tod und Auferstehung bemerkenswert außergewöhnliche Maßstäbe setzte?
Kardinal Gerhard Müller: Die Gegenüberstellung von Volkskirche und Entscheidungskirche darf nicht auf soziologische Betrachtungsweisen reduziert werden. Der christliche Glaube ist immer eine Gnade, die aber nur in der persönlichen Überzeugung und der freien Hingabe an Jesus, das Fleisch gewordenen Wort Gottes, seines Vaters, in uns selbst und in der gesamten Jünger-Gemeinde wirksam wird zu unserem Heil. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Jesus nicht für eine kleine (sich selbst so definierende) Elite gestorben ist, sondern auch für die überwältigende Mehrheit der Sünder, der Armen und Schwachen. Denn „Gott, unser Retter, will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1 Tim 2, 4).
„Das Problem ist, dass die von Gott bestellten Hirten sich mit dem Niedergang abfinden.“
Das Problem besteht nicht darin, dass es in der – das ganze Volk ansprechenden – Kirche Christi auch die Lauen und Veräußerlichten gibt, sondern dass die von Gott bestellten Hirten sich mit dem Niedergang abfinden.
Trotz aller Enttäuschungen dürfen wir es nicht aufgeben, die müden und verirrten oder von antichristlicher Propaganda verwirrten Schafe des Herrn zurückzuführen auf die gute Weide, wo wir durch das Wort Gottes Orientierung und durch die sakramentalen Gnadenmittel das Leben Gottes empfangen.
Wir neigen als Menschen mehr zur leichten Unterhaltung als zu der herausfordernden Bekehrung des Herzens. Mit Brot und Spielen haben allezeit die Potentaten dieser Welt die Massen sich gewogen gemacht. Das sind jedoch nicht die pastoralen Methoden der Apostel Christi. „Der gute Hirt, der sein Leben hingibt für die Schafe“ (Joh 10, 11), ist Maß und Vorbild der Neuevangelisierung und einer missionarischen Kirche, von der die letzten Päpste sprachen.
Die große Zahl der Teilnehmer beim Pfarrfest mit Kaffee und Kuchen oder etwas gehobener beim Weihnachtsoratorium im Kirchenraum als stimmungsvoller Kulisse, darf die Verantwortlichen nicht verführen, die Kirche trotz sinkender Zahlen bei den Taufen, den Beichten, dem Messbesuch, den kirchlichen Trauungen ausgerechnet deswegen für systemrelevant zu halten.
Wir dürfen das Wesentliche nicht mit dem Beiläufigen verwechseln. Im Krankheitsfall ist das Können der Ärzte wichtiger die gute Atmosphäre im Spital. Kein eifriger Seelsorger wird die Eltern schroff zurückweisen, die ihr Kind zu Taufe bringen, nur weil sie dies lediglich für einen traditionellen Brauch halten und die bei aller selbstbewussten Aufgeklärtheit mit einem Restbestand an Aberglauben den Ritus nicht unterlassen für den Fall, dass es doch ein Jenseits geben sollte. Aber es wird dem Priester auch nicht an dem Bekennermut fehlen, ihnen die Frohe Botschaft zu verkünden, dass ihr Kind schon in Gottes Ewigkeit „im Voraus dazu bestimmt ist, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ (Röm 8, 29). Erwählung und Gnade, Rechtfertigung und Heiligung werden diesem konkreten Menschen jetzt durch das Sakrament der Taufe unverlierbar zuteil.
Gegenüber der Verweltlichung des Christentums und dem wilden Harakiri der Selbstsäkularisierung kann jeder, der die Kirche liebt, voll den „verzehrenden Eifer Jesu für das Haus Gottes“ (Joh 2, 13- 25) mitempfinden, mit dem er die „Verkäufer und Geldwechsler“ unsanft aus dem Tempel vertrieben hat. Er wird aber auch nicht Jesu Mitleid vergessen mit den „vielen Menschen, die erschöpft und müde waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9, 36). Statt nun die Bischöfe, Priester, Diakone und andere hauptamtliche Mitarbeiter der Kirche für die Krise des Christentums in der westlichen Welt verantwortlich zu machen und den eigenen Frust mit der dumm-frechen Vokabel vom „Klerikalismus“ an ihnen abzureagieren, sollten alle gemeinsam den Auftrag Jesu erfüllen: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Denn die Ernte ist groß und es gibt nur wenig Arbeiter“ (Mt 9, 37f).
kath.net: Gesetzt der Fall, die großen Anliegen des Synodalen Weges würden in der katholischen Kirche in Deutschland tatsächlich die offizielle Großrichtung werden: Haben wir Grund zur Annahme, dass sich dann wieder viele Menschen Jesus Christus mit persönlichem Glauben zuwenden und die Kirchen wieder spürbar voller würden? Wäre ein neuer Andrang auf das Priesteramt und die kirchlichen Berufungen und Verantwortungen in Haupt- und Ehrenamt zu verzeichnen? Wäre ein solcher Weg also faktisch tatsächlich ein Beitrag zur von Papst Franziskus erbetenen Neuevangelisierung?
Kardinal Müller: Man hat sich einreden lassen, dass die Sexualdelikte, die von den Tätern individuell zu verantworten sind, „systemisch“ begründet seien. Allein schon die Selbst-Diffamierung der Kirche, „die Christus geliebt und für die er sich hingeben hat, um sie zu heiligen“ (Eph 5, 25) als ein Kriminalität generierendes Geflecht von Macht, Verführung und Gier ist ein die Vernunft jedes denkenden Katholiken beleidigendes Konstrukt glaubensloser Ideologen.
Anstatt auf die Kirche, die Braut Christi und unsere Mutter im Glauben, einzudreschen, sollte jeder von uns an die eigene Brust schlagen und mit seinem mea culpa sich der Vergebung Gottes und der Erneuung durch seine Gnade empfehlen. Christus baut selbst seine Kirche auf durch sein Evangelium und die sakramentale Vermittlung seiner Gnade, wozu er die Apostel und ihre Nachfolger im Bischofsamt (zusammen mit den Priestern und Diakonen) als seine Diener berufen und bevollmächtigt hat.
Ein Christentum, das aus den Elementen einer defizitären Anthropologie (Genderideologie, Recht auf Abtreibung, sexuelle Kontakte außerhalb der ehelichen Liebe von Mann und Frau; Antizölibats-Polemik) und den Restposten einer ruinierten Glaubenslehre zusammengebastelt ist, wird bis zum nächsten Sturm solange Bestand haben wie das Haus, das auf Sand gebaut war.
Die Treue zum Wort Christi von der Unauflöslichkeit der Ehe und die Anerkennung der sakramentalen Verfassung der Kirche nach der Darlegung des II. Vatikanums (Lumen gentium, 3. Kap.) bieten die ungleich bessere Voraussetzung dafür, dass die „Kirche in der Welt von heute“ (Gaudium et spes) ihren Dienst am zeitlichen Wohl (Anerkennung der universalen Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Weltfrieden) und dem ewigen Heil der Menschheit (Gottesschau und Gemeinschaft der Heiligen) erfüllt, als der Beifall von der falschen Seite nämlich der schöpfungsfeindlichen Neognostiker, von den man sich wider alle Vernunft (der leib-seelischen Einheit, der Inkarnation, der sakramentalen Heilsvermittlung, der Auferstehung des Fleisches) als leibfeindlich verhöhnen lässt.
Die endlos insistierende Wiederholung der angeblich unter den Nägeln brennenden Synodalthemen, denen ein antikatholisches Ressentiment zugrundeliegt, erinnert irgendwie an Nietzsches Idee von der „Ewigen Wiederkunft des Gleichen“. Der Prophet des Nihilismus wollte der mit dem „Tod Gottes“ heraufziehenden Entwertung aller Werte und angesichts der abgründigen Leere des Seins den (Über-)Menschen noch einen Sinn gewaltsam andichten.
Wer seinen Relativismus in der Wahrheitsfrage auf die geoffenbarte Glaubenslehre der Kirche überträgt, der wird ihr Credo wie eine bewegliche Knetmasse ansehen, die er nach seinem Gusto und Bedarf umformt, nicht ohne sich als mutiger Reformer und Neudenker von den manipulierten Mehrheiten feiern zu lassen.
Katholisch ist dagegen die Einsicht: Das Lehramt der Bischöfe mit dem Papst an der Spitze „ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.“ (II. Vatikanum, Dei verbum 10).
Der sogenannte Synodale Weg der deutschen Bistümer hat keinerlei Autorität, um eine in Fragen des Glaubens und der Moral von der verbindlichen Glaubenslehre der katholischen Kirche abweichende Lehre und Praxis einzuführen. Deshalb steht der Beschluss, auch glaubenswidrige Entscheidungen den Katholiken in Deutschland überstülpen zu wollen, im Widerspruch zur katholischen Kirchenverfassung und ist a limine null und nichtig. Die Disziplinargewalt der Bischöfe darf niemals der Erzwingung häretischer Lehren oder unmoralischer Handlungen dienen.
Hier gilt für die von solcher Bosheit Betroffenen: Lieber Unrecht leiden als Unrecht tun. Wenn es um die „Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2, 14) geht, haben Bischöfe sogar die Pflicht öffentlich ihren Mitbrüdern ins Angesicht zu widerstehen, wie es einst Paulus gegenüber Petrus als Einzelperson tat, ohne sein primatiales Amt in Frage zu stellen.
„Die Meinung, man könne den ‚Katechismus der Katholischen Kirche‘ beliebig umschreiben…“
Die Meinung, man könne den „Katechismus der Katholischen Kirche“ beliebig umschreiben, indem man die geoffenbarte Wahrheit zu einer Funktion menschlicher Wünsche macht (Segnung sexueller Beziehungen außerhalb der Ehe) (siehe Link) bedeutet die Umkehrung der Rechtfertigung des Sünders durch Gottes Gnade in die Rechtfertigung der Sünde durch den Ungehorsam des Menschen. Die vom Papst gelegentlich vorgenommen „Änderungen“ des Katechismus sind kein Korrektur des dogmatischen Inhaltes des katholischen Glaubens, sondern beziehen sich auf die gedankliche und sprachliche Differenzierung eines dargestellten Glaubensinhaltes oder wollen die Umsetzung allgemeiner sittlicher Prinzipien auf eine veränderte gesellschaftliche Situation aktualisieren (z. B. kürzlich: die Legitimität oder Abschaffung der Todesstrafe in der weltlichen Justiz). Von daher kann man aber nicht zurückschließen auf eine Vollmacht des Lehramtes, dem Zeitgeist befremdliche Offenbarungswahrheiten zu eliminieren oder in ins Gegenteil verkehren, indem wir etwa die leibliche Auferstehung Christi nur als Symbol des „Stirb und Werde“ des Kreislaufs in der biologischen oder kosmischen Natur umdeuten.
kath.net: Sehen Sie Möglichkeiten für einen sakramentales Diakonat der Frau? Wollen diese Frauen eigentlich wirklich „Diakone“ – „Diener“ – werden, oder wird der Diakonat hier vor allem als Türöffner in das Weihesakrament hinein benutzt? Warum fordert eigentlich – zumindest bisher – niemand, dass Frauen dann auch die Bischofsweihe zustehen sollte? Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück warnte, dass eine Frauenpriesterweihe ökumenisch belastet sei und schismatisches Potential in sich berge, siehe Link. Teilen Sie diese Auffassung?
Kardinal Müller: Das Weihesakrament besteht in den Stufen von Bischof, Priester und Diakon. Dies ist die katholische Lehre, wie sie sich aus ihrer Quelle in der Offenbarung und gemäß den inneren Prinzipien der Lehrentwicklung ergibt und wie sie verbindlich vom Lehramt unter dem Einfluss des Heiligen Geistes zu glauben vorgelegt wird.
Insofern das Wort Diakonos allgemein Diener meint, sind alle Getauften Diener des Heils im Namen Christ aufgrund der Anteilhabe an der priesterlichen, prophetischen und pastoralen Sendung der Kirche. Der Dienstcharakter eignet besonders allen nichtsakramentalen Ämtern und den Personen in den drei Stufen des einen Weihesakramentes. Das kirchliche Lehramt kann nicht nur die Frage entscheiden, ob eine Frau eine das einen Weihesakramentes in einer seiner drei Stufen empfangen kann, sondern auch, ob die 2000-jährige kirchliche Praxis, nur einen Katholiken männlichen Geschlechtes zum Bischof, Priester oder Diakon zu weihen, in der Natur des Weihesakramentes begründet ist bzw. nur den veränderlichen Mentalitäten oder soziologischen Bedingungen vergangener Zeiten geschuldet war.
Das höchste Lehramt hat eine letztverbindliche Entscheidung getroffen und die Begründung in der Natur des Weihesakramentes erkannt, so dass subjektive Vorstellungen und die begrenzte theologische Kompetenz von einzelnen Bischöfen nicht das Kriterium für das hinreichende Begründetsein konkreter kirchlicher Glaubenslehren in der Offenbarung sein können. Wir glauben z.B. an die Siebenzahl der Sakramente nicht deshalb, weil wir sie in einem rein historischen Beweisverfahren auf einen juristischen Stiftungsakt zurückführen, sondern weil sie im Leben der Kirche Christi durch den Heiligen Geist als von Christus gewollte Gnadenmittel von der Kirche und ihrem Lehramt erkannt worden sind.
Die Kirche stützt sich bei ihrem Urteil, dass nur ein getaufter Mann gültig das Weihesakrament in einer seiner drei Stufen empfangen kann, nicht naturalistisch auf soziologische Analysen, die nicht voll historisch rekonstruierbare Entwicklung der sichtbaren Strukturen der Kirche oder stellt sich gar auf den schwankenden Boden der Geschlechterstereotypik. Und sie ist schon gar nicht das Opfer einer männlichen Machterhaltungsstrategie, was weniger mit der reifen Annahme des eigenen Geschlechtes als Mann oder Frau als mit einer infantilen Regression zu tun hätte.
Die lehramtliche Entscheidung über die Gültigkeit der Weihe hängt weder an der subjektiven Empfindung, ob man sich eine Frau am Altar vorstellen kann noch am unguten Gefühl, der Erfüllung eines Traums (als Frau im Messgewand am Altar zu stehen) mit lehramtlichen Erklärungen im Wege zu stehen.
kath.net: Überzeugt Sie die Argumentation von Bischof Bätzing in der „Herder Korrespondenz“, dass es auf dem nächsten Ökumenischen Kirchentag nicht um „generelle Interkommunion“ gegangen wäre, sondern „lediglich um die Frage, ob Menschen, die als Katholiken zum Abendmahl oder als Protestanten zur Eucharistie gehen, gute Argumente dafür haben“?
Kardinal Müller: Wenn die dogmatischen Prinzipien nicht klar sind, flüchtet man sich gerne in taktische Spielchen und in sprachliche Sophistereien, die aber dem ökumenischen Anliegen mehr schaden als nützen. Der unlösbare Zusammenhang von Kirche und Eucharistie ist ein Wesensmerkmal des katholischen (und orthodoxen) Glaubens. Hier besteht ein asymmetrisches Verhältnis zwischen der evangelischen und katholischen Glaubenslehre von der Kirche. Dies betrifft sowohl das Wesen der Kirche als auch neben fünf weiteren, evangelischerseits nicht anerkannten Sakramenten (Firmung, Buße, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe), besonders die Eucharistie (als sakramentale Vergegenwärtigung des Opfers Christi).
Die katholische Eucharistiefeier ist nicht bloß im äußeren Ritus, sondern auch ihrem dogmatischen Inhalt nach keineswegs identisch ist mit dem evangelischen Abendmahl.
Gerade auch die innere Beziehung von Kirche und Eucharistie und ihre wechselseitige Konstitution sind dem normalen protestantischen Denken fremd (wobei es im ökumenischen Gespräch beachtliche Annäherungen gibt, die aber noch nicht ans Ziel gelangt sind).
Ein Katholik kann gar nicht zum Abendmahl gehen, ohne dem Glauben der katholischen Kirche zu widersprechen. Ein nichtkatholischer Christ kann als Einzelperson – von katholischer Sicht her – um die hl. Kommunion in einem Extremfall bitten, wenn es um sein Heil geht (etwa in Todesgefahr) und wenn er den katholischen Glauben an die Eucharistie (Opfercharakter, Wesensverwandlung) innerlich anerkennt.
In Todesgefahr kann freilich auch ein Katholik einen evangelischen Geistlichen um Beistand bitten durch das Wort Gottes, das Gebet und den Segen. Natürlich wissen wir in unserem konfessionell geteilten Mitteleuropa um das Leiden bis in die Familien hinein, die die abendländische Kirchentrennung verursacht hat.
Das Ziel ist generell die Widervereinigung aller Christen in der einen sichtbaren Kirche Christi unter der Leitung durch den Papst als Nachfolger Petri und die Bischöfe in Gemeinschaft mit ihm. In singulären Situationen muss ein erfahrener Seelsorger um Rat gefragt werden – jedoch jenseits medienwirksamer Spektakel auf Kirchentagen und sogenannter genereller Regelungen durch Kirchenleitungen und Bischofskonferenzen, die dazu neigen, ihre Kompetenz zu überschreiten.
kath.net: Bischof Bätzing sagte der „Herder Korrespondenz“: „Ich habe im Juni Vorbehalte erlebt gegenüber uns Deutschen und der Art und Weise, wie wir Dinge angehen. Dazu gehört auch der Synodale Weg.“ Geht es in der Kritik, die in der letzten Zeit rund um den Synodalen Weg aus dem Vatikan kam, wirklich um „Vorbehalte gegen uns Deutsche“?
Kardinal Müller: Es ist erschütternd und erheiternd zugleich, dass in dieser Situation, in der es um die Wahrheit des Glaubens und die Einheit der katholischen Kirche geht, Mitleid heischend die deutsche Karte gezogen wird. Wieder einmal ist Deutschland von unverständigen Nachbarn eingekreist und die bornierten „Römer“ bezweifeln unsere theologische Überlegenheit und bestreiten unseren kirchenpolitischen Führungsanspruch.
„Wenn jetzt ausgerechnet das Deutschtum zu einem kirchenbildenden Faktor gemacht werden soll, dann…“
Wenn jetzt ausgerechnet das Deutschtum zu einem kirchenbildenden Faktor gemacht werden soll, dann ist wieder einmal mit Vollgas die katholische Ampel bei Rot überfahren worden.
Wir Katholiken in der ganzen Welt glauben nur an die eine und katholische Kirche, die seit Pfingsten alle Völker in ihrem Schoß umfasst und sie zur Familie Gottes macht. Irenäus, der Bischof von Lyon, hat (um 180 .n. Chr.) in seiner Schrift gegen die Gnostiker mit ihrer Berufung auf überlegenes Sonderwissen verwiesen auf die Universalität der Kirche in ihrer apostolischen Botschaft und Überlieferung: „Diese Botschaft, die sie empfangen hat, und diesen Glauben bewahrt die Kirche, obwohl sie über die ganze Welt verbreitet ist, so sorgfältig, wie wenn sie in einem einzigen Haus wohnte... denn wenn auch die Sprachen überall in der Welt verschieden sind, so ist doch der Inhalt der Überlieferung überall ein und derselbe. Die Kirchen in Germanien glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien und Gallien, wie im Orient, Ägypten, Lybien und in der Mitte der Welt.“ (Adv. haer. I 10,2).
kath.net: Wenn Sie einige Wünsche freihätten, wie sich der Synodale Weg neu orientieren und zu geistlicher Kraft kommen könnte, welche wären es?
Kardinal Müller: Aus allen Teilen der Weltkirche werde ich voller Sorge auf den Synodalen Weg angesprochen. Die Sache ist schon so verfahren und die Fronten sind so verhärtet, dass ein Ausweg schwer vorstellbar ist.
Phasen des spirituellen und moralischen Niedergangs sind in der Kirche immer überwunden durch die Besinnung auf das Evangelium und die Erneuerung unserer Liebe zu Gott über alles und zum Nächsten wie zu uns selbst.
„Die selbstgemachten Kirchenbilder führen uns auf einen Holzweg“
Auf einen Holzweg führen uns die selbstgemachten Kirchenbilder, mit denen die Kirche Gottes nach dem eigenen Bild und Gleichnis umgemodelt werden soll. Aber nicht wir gründen, gestalten, reformieren die Kirche oder machen sie anschlussfähig an die immer ambivalente Wissenschaft, die Gesellschaft, die herrschende Kultur. Die Kirche ist tief im Geheimnis des dreifaltigen Gottes begründet. Indem der Vater uns in Christus zu seinen Söhnen und Töchtern beruft, macht er auch im Heiligen Geist die Vielheit der Menschen zu einem Volk und Haus, in dem er als Wahrheit und Leben für alle Menschen zugänglich sein will. Die Kirche erfüllt dann ihre göttliche Sendung, wenn alle Glieder des Leibes Christi im Zusammenwirken der charismatischen und hierarchischen (=sakramentalen) Gaben (II. Vatikanum, Lumen gentium 4) den vom Nihilismus bedrohten Menschen von heute „die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21) vorleben.
Archivfoto: Kardinal Müller im Vatikanischen Presseraum (c) Michael Hesemann
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