5. Jänner 2021 in Aktuelles
Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: jenseits der Ideologien. Ohne Gott weiß der Mensch nicht, wohin er gehen soll. ‚Caritas in veritate’: eine ‚Magna Charta’ gerade in dieser Zeit für eine wahre Zukunft. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Sozialenzyklika“ – nicht nur ein gern mit triefenden Augen ausgesprochenes Modewort des aktuellen Pontifikats, in dem sich Ökologismus, eine sozio-politische Sicht ausgehend von den „Volksbewegungen“ auf die Gesellschaft, eine neu-alte Form des Anti-Kapitalismus und globalistische Positionen im Kontext einer UN-Ideologie der universalen „Brüderlichkeit“ engstens miteinander verbunden haben. Im Zuge der sogenannten Pandemie, mit der man sich seit dem Jahr 2020 auf planetarischer Ebene beschäftigt, kommt auch noch der technokratische und „sanitäre Aspekt“ dazu.
So erklärte zum Beispiel der Direktor des vatikanischen Gesundheitsamtes Andrea Arcangeli gegenüber Franca Giansoldati von der römischen Zeitung „Il Messaggero“ in Bezug auf die bevorstehende Impfkampagne im Kleinstaat: die Impfung (das neue Goldene Kalb der aktuellen Situation) sei „die einzige Chance, die wir haben. Die einzige Waffe, die uns zur Verfügung steht, um diese Pandemie unter Kontrolle zu halten. Wir können sagen, dass die Impfstoffe ausgiebig getestet wurden, dass die Versuche im Vergleich zu anderen Medikamenten weniger Zeit in Anspruch nahmen als erwartet, dass aber dank der Investitionen aller Staaten die Versuche schneller durchgeführt werden konnten“.
Die „einzige“: wer das „Einzige“ behauptet, steht schon jenseits von Wissenschaft, mitten im sumpfigen Raum der gefährlichsten Ideologien.
Und der Herr Professor fuhr fort in seinem Credo: „Früher hat es mehrere Jahre gedauert, diesmal war es in einem Jahr erledigt. Ich persönlich habe großes Vertrauen in die Wissenschaft und bin mehr als überzeugt, dass die verfügbaren Impfstoffe sicher sind und keine Risiken bergen. Das Ende der Tragödie, die wir erleben, hängt von der Verbreitung von Impfstoffen ab“.
Vielleicht wäre anzumerken, dass die „Tragödie“ in erster Linie in den Köpfen von gewissen Leuten stattfindet und dort induziert wurde (zum Beispiel als irrationale „Angst“) und dass deren „Ende“ zweifellos nicht von diesen Leuten begünstigt wird. Es ist auch nützlich daran zu erinnern, dass zum Beispiel in Italien im Jahr 2020 12,99% weniger Menschen gestorben sind als im Jahr 2019. Aber im Zeitalter der Fake-News zählen willkürliche und nicht gesicherte Privatvideos von Militärlastwagen, die angeblich (was nachgewiesen falsch ist) unzählige Särge abtransportieren, mehr als die Wirklichkeit (und es gibt tatsächlich noch Leute, die auf derartiges Material Bezug nehmen). Dazu gesellen sich dann die ideologischen Fantasien zur „neuen Welt nach Corona“, der „neuen Ordnung“, die sich radikal von der „alten Ordnung“ zu unterscheiden hat, der elitäre Wahn von in erster Linie finanziellen Powergroups des „rebuild“ und des „reset“.
Zurück zum Thema „Sozialenzyklika“: auch Benedikt XVI. war vor 13 Jahren bedrängt worden, etwas derartiges für die Welt und die Kirche zu verfassen. Es kam dann die große Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 dazwischen. Der Text musste neu gemacht werden, vor allem um sich der globalistischen Verflachung und Uniformierung zu widersetzen. Und wie sein Vorgänger Johannes Paul II. konzentrierte sich der Papst auf die Verantwortung und Position des Menschen im Spiel der globalisierten Technokratie. Der Mensch und der Bezug auf Gott, der den Menschen erst Mensch werden lässt, nicht die Technik, nicht die neue Kommunikation nicht die Macht über die Schöpfung. „Caritas in veritate“ wurde so zu einem sozio-anthropologischen Traktat, der gerade in der Zeit der sanitären Pseudotechnologie und Machtergreifung eine wichtige Richtlinie bieten kann. Die Hauptwarnung: es muss darauf geachtet werden, dass die Macht der Instrumente, die dem Menschen zur Verfügung stehen, diesen nicht verschlingt und zerstört und ins Abseits rutschen lässt, ins Abseits der Verlorenheit vor Gott, im Spiel der tödlichen Mächte der Welt, die sich gerade heute so mächtig gebären.
„Caritas in veritate“: eine „Magna Charta“ gerade in dieser Zeit für eine wahre Zukunft.
Benedikt XVI., Enzyklika „Caritas in veritate“, ,,gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 29. Juni, dem Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, im Jahr 2009, dem fünften Jahr meines Pontifikats“:
75. Schon Papst Paul VI. hatte den weltweiten Horizont der sozialen Frage erkannt und auf ihn hingewiesen.[155] Wenn man ihm auf diesem Weg folgt, muß man heute feststellen, daß die soziale Frage in radikaler Weise zu einer anthropologischen Frage geworden ist, insofern sie die Möglichkeit selbst beinhaltet, das Leben, das von den Biotechnologien immer mehr in die Hände des Menschen gelegt wird, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu manipulieren. In der heutigen Kultur der totalen Ernüchterung, die glaubt, alle Geheimnisse aufgedeckt zu haben, weil man bereits an die Wurzel des Lebens gelangt ist, kommt es zur Entwicklung und Förderung von In-vitro-Fertilisation, Embryonenforschung, Möglichkeiten des Klonens und der Hybridisierung des Menschen. Hier findet der Absolutheitsanspruch der Technik seinen massivsten Ausdruck. In dieser Art von Kultur ist das Gewissen nur dazu berufen, eine rein technische Möglichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Man kann jedoch nicht die beunruhigenden Szenarien für die Zukunft des Menschen und die neuen mächtigen Instrumente, die der »Kultur des Todes« zur Verfügung stehen, bagatellisieren. Zur verbreiteten tragischen Plage der Abtreibung könnte in Zukunft – aber insgeheim bereits jetzt schon in nuce vorhanden – eine systematische eugenische Geburtenplanung hinzukommen. Auf der entgegengesetzten Seite wird einer mens euthanasica der Weg bereitet, einem nicht weniger mißbräuchlichen Ausdruck der Herrschaft über das Leben, das unter bestimmten Bedingungen als nicht mehr lebenswert betrachtet wird. Hinter diesen Szenarien stehen kulturelle Auffassungen, welche die menschliche Würde leugnen. Diese Praktiken sind ihrerseits dazu bestimmt, eine materielle und mechanistische Auffassung vom menschlichen Leben zu nähren. Wer wird die negativen Auswirkungen einer solchen Mentalität auf die Entwicklung ermessen können? Wie wird man sich noch über die Gleichgültigkeit gegenüber den Situationen menschlichen Verfalls wundern können, wenn die Gleichgültigkeit sogar unsere Haltung gegenüber dem, was menschlich ist oder nicht, kennzeichnet? Es verwundert einen die willkürliche Selektivität all dessen, was heute als achtenswert vorgeschlagen wird. Während viele gleich bereit sind, sich über Nebensächlichkeiten zu entrüsten, scheinen sie unerhörte Ungerechtigkeiten zu tolerieren. Während die Armen der Welt noch immer an die Türen der Üppigkeit klopfen, läuft die reiche Welt Gefahr, wegen eines Gewissens, das bereits unfähig ist, das Menschliche zu erkennen, jene Schläge an ihre Tür nicht mehr zu hören. Gott enthüllt dem Menschen den Menschen; die Vernunft und der Glaube arbeiten zusammen, ihm das Gute zu zeigen, wenn er es nur sehen wollte; das Naturrecht, in dem die schöpferische Vernunft aufscheint, zeigt die Größe des Menschen auf, aber auch sein Elend, wenn er den Ruf der moralischen Wahrheit nicht annimmt.
76. Einer der Aspekte des modernen technisierten Geistes besteht in der Neigung, die mit dem Innenleben verbundenen Fragen und Regungen nur unter einem psychologischen Gesichtspunkt bis hin zum neurologischen Reduktionismus zu betrachten. Die Innerlichkeit des Menschen wird so entleert, und das Bewußtsein von der ontologischen Beschaffenheit der menschlichen Seele mit ihren Tiefen, die die Heiligen auszuloten wußten, geht allmählich verloren. Die Frage der Entwicklung ist auch mit unserer Auffassung von der Seele des Menschen eng verbunden, da unser Ich oft auf die Psyche reduziert wird und die Gesundheit der Seele mit dem emotionalen Wohlbefinden verwechselt wird. Diesen Verkürzungen liegt ein tiefes Unverständnis des geistlichen Lebens zugrunde. Sie führen dazu, nicht anerkennen zu wollen, daß die Entwicklung des Menschen und der Völker jedoch auch von der Lösung von Problemen geistlicher Art abhängt. Die Entwicklung muß außer dem materiellen auch ein geistig-geistliches Wachstum umfassen, weil der Mensch eine »Einheit aus Seele und Leib«[156] ist, geboren von der schöpferischen Liebe Gottes und zum ewigen Leben bestimmt. Der Mensch entwickelt sich, wenn er im Geist wächst, wenn seine Seele sich selbst und die Wahrheiten erkennt, die Gott ihr keimhaft eingeprägt hat, wenn er mit sich selbst und mit seinem Schöpfer redet. Fern von Gott ist der Mensch unstet und krank. Die soziale und psychologische Entfremdung und die vielen Neurosen, die für die reichen Gesellschaften kennzeichnend sind, verweisen auch auf Ursachen geistlicher Natur. Eine materiell entwickelte, aber für die Seele bedrückende Wohlstandsgesellschaft ist an und für sich nicht auf echte Entwicklung ausgerichtet. Die neuen Formen der Knechtschaft der Droge und die Verzweiflung, in die viele Menschen geraten, finden nicht nur eine soziologische und psychologische, sondern eine im wesentlichen geistliche Erklärung. Die Leere, der sich die Seele trotz vieler Therapien für Leib und Psyche überlassen fühlt, ruft Leiden hervor. Es gibt keine vollständige Entwicklung und kein universales Gemeinwohl ohne das geistliche und moralische Wohl der in ihrer Gesamtheit von Seele und Leib gesehenen Personen.
77. Der Absolutheitsanspruch der Technik neigt dazu, eine Unfähigkeit entstehen zu lassen, das wahrzunehmen, was sich nicht mit der bloßen Materie erklären läßt. Und doch erfahren alle Menschen so viele immaterielle und geistige Aspekte ihres Lebens. Erkennen ist nicht ein nur materieller Akt, weil das Erkannte immer etwas verbirgt, was über die empirische Gegebenheit hinausgeht. Jede Erkenntnis, auch die einfachste, ist immer ein kleines Wunder, weil sie sich mit den materiellen Mitteln, die wir anwenden, nie vollständig erklären läßt. In jeder Wahrheit steckt mehr, als wir selbst es uns erwartet hätten, in der Liebe, die wir empfangen, ist immer etwas für uns Überraschendes. Wir sollten niemals aufhören, angesichts dieser Wunder zu staunen. In jeder Erkenntnis und in jeder Liebeshandlung erlebt die Seele des Menschen ein »Mehr«, das sehr einer empfangenen Gabe gleicht, einer Erhabenheit, zu der wir uns erhöht fühlen. Auch die Entwicklung des Menschen und der Völker steht auf einer ähnlichen Höhe, wenn wir die geistige Dimension betrachten, die diese Entwicklung notwendigerweise kennzeichnen muß, damit sie echt sein kann. Sie erfordert neue Augen und ein neues Herz, die imstande sind, die materialistische Sicht der menschlichen Geschehnisse zu überwinden und in der Entwicklung ein „darüber hinaus“ zu sehen, das die Technik nicht geben kann. Auf diesem Weg wird es möglich sein, jene ganzheitliche menschliche Entwicklung fortzusetzen, die ihr Orientierungskriterium in der Antriebskraft der Liebe in der Wahrheit hat.
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