'Ich glaube, sie haben ihre Aufgabe verraten'

7. Jänner 2021 in Deutschland


Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung" übt Kritik am Verhalten der Kirchen während der Corona-Epidemie: Die öffentlichen kirchlichen Äußerungen "kleinmütig und ziemlich angepasst"


Köln (kath.net)

Heribert Prantl, bekannter Religionsjournalist der "Süddeutschen Zeitung", hat erneut das Verhalten der Kirchen in Deutschland während der Corona-Krise kritisiert und in einem Interview mit dem "Domradio" den Kirchen vorgeworden, den Menschen zu wenig Trost und Halt gegeben zu haben. Der Kirche ist es nicht gelungen, die Menschen zu kräftigen."Die Kirchen waren gekränkt von der Politik, nicht als systemrelevant eingestuft zu werden und versuchten, die Kränkung durch übertriebene Anpassung an die politischen Forderungen und durch vorauseilende Selbstbegrenzung der eigenen Spielräume wettzumachen." Die öffentlichen kirchlichen Äußerungen wirkten für Prantl doch "kleinmütig und ziemlich angepasst". Er habe den Eindruck, dass die ersten Monaten  in der Corona-Krise Ruhe die erste Bischofspflicht war. "Und so fiel z.B. das Osterfest des Jahres 2020 in ein wirklich unheiliges Nichts."

Die Kirchenleitungen haben laut dem Journalisten doch sehr angstgesteuert agiert. "Und etwas, was mir wirklich nicht gefallen hat: Die Religionsgemeinschaften erklärten den Abstand zum Mitmenschen zur neuen Form, und zwar zur ausschließlichen Form der Nächstenliebe. Und das war fatal! Erst in der Vorbereitung auf Weihnachten ab September oder Oktober 2020, haben die Kirchen zu heiliger Kreativität und manchmal zu fast urchristlicher Phantasie zurückgefunden.", erklärt Prantl, der dann den Kirchen vorwirft, in der Covid-Krise nicht an der Seite der Leidenden gestanden zu haben. "Besteht darin die Erquickung, dass man die Vorgaben des Staates möglichst penibel erfüllt und auch noch über-erfüllt? Und wenn man sich in einer Mischung von Vernunft, Angst und Unsicherheit entscheidet, sich den Regeln zu unterwerfen, sollte man – und das ist jetzt wichtig – sollte man da nicht wenigstens beklagen, welche Lieblosigkeit das für die vielen bedeutet, die so allein gelassen werden?"

Prantl wirft den Kirchen vor, dass diese den Abstand zur neuen Form von Liebe umdefiniert,anstatt diesen zu beklagen. "Und das war brutal fatal." Die Kirchen hätten laut über die Härten klagen können und den Betroffenen in den Altersheimen, in den Pflegeheimen, in den Familien mit Kindern, die nicht mehr wissen, wo hinten und vorne ist, eine Stimme zu geben. "Und es ist auch ein Trost, Trostlosigkeit offenzulegen und nicht Pflaster darüber zu kleben. Ich hatte ganz stark den Eindruck und das Gefühl und das Erleben, dass vor allem die kirchlichen Funktionsträger Pflaster darüber geklebt haben." Der Journalist glaubt, dass sich auch die Bischöfe und die kirchlichen Funktionsträger dafür entschuldigen müssten, dass sie so leise waren.  Das Absagen von Gottesdiensten auch zu Weihnachten sieht Prantl sehr kritisch, da diese Feiern auch die Kraft gaben, diese schwierige Zeit durchzustehen. "Daran haben viele, auch die in den Kirchen – aus Symbolgründen – die Gottesdienste absagen wollten, viel zu wenig gedacht. Ich glaube, sie haben ihre Aufgabe verraten."


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