11. Jänner 2021 in Schweiz
Raphael Rauch, der Redaktionsleiter des offiziellen katholischen Medienportals der Schweiz, gibt das Bistum Chur wiedermal zum Mobbing frei. Und das, obwohl es nur die Positionen der Schweizer Bischofskonferenz zitiert. Kommentar von Petra Lorleberg
Zürich-Chur (kath.net/pl) Der Suggestiv-Artikel des kath.ch-Redaktionsleiters Raphael Rauch liest sich, wie wenn das Bistum Chur in seiner jüngsten Stellungnahme zum Thema „Ehe für alle“ gegen sämtliche kirchlichen Gepflogenheiten verstoßen habe. Schon im Untertitel wird der Leser einseitig informiert: „Die Kirche soll sich aus politischen Fragen heraushalten: Das ist die Haltung von Bischof Peter Bürcher. Eigentlich. Nun fordert er Seelsorger des Bistums Chur auf, die «Ehe für alle» zu verhindern.“ Allerdings ist es kein akzeptierter kirchlicher Grundsatz, dass sich die Kirche aus allen politischen Fragen heraushalten solle, und die Stellungnahme des Bistums Chur ist keineswegs eine Einzelaktion, für das das Bistum wieder mit den bewährten Methoden des Mobbings abgestraft werden sollte. Vielmehr weist das Bistum Chur mit seinem Administrator Bürcher und – eigens genannt – der Bischofsrat des Bistums in der Stellungnahme gleich im ersten Satz auf die aktuell gültige Stellungnahme der Schweizer Bischofskonferenz zum Thema „Ehe für alle“. Irgendwo weiter unten in Rauchs „Kleingedruckten“ wird diese Information dann auch kurz genannt, sie ist leicht zu überlesen und wird im restlichen Artikel auch nicht in die Beurteilungen des Autors mit einbezogen.
Rauch ist der umstrittene Redaktionsleiter von kath.ch, dem „im Auftrag der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz“ (Selbstdarstellung) arbeitetende Mediendienstleister. Der Suggestiv-Artikel war nicht einmal als „Kommentar“ gekennzeichnet - doch auch als Kommentar wäre die Einschätzung Rauchs suggestiv geblieben. Gleich im ersten Abschnitt stellt Rauch zum Thema als unumstößliches Faktum fest: „Seit dem 9. Dezember steht fest: Die «Ehe für alle» wird künftig auch in der Schweiz möglich sein. Nach sieben Jahren Debatte hat der Nationalrat die «Ehe für alle» beschlossen – inklusive dem umstrittenen Zugang zur Samenspende für verheiratete Lesben.“ Im Duktus von Rauchs Artikel tauchen dann die „Kritiker der «Ehe für alle»“ auf, die „versuchen, mit einem Referendum den Vorstoss zu stoppen. Dazu gehört auch das Bistum Chur.“ Dass das Bistum Chur zur aktiven Teilnahme an einem Referendum aufruft, ruft offenbar aktiven Widerwillen bei Redaktionsleiter Rauch hervor. So wertet er abschließend in seinem Beitrag: „Das Vorpreschen der Churer Bistumsleitung ist insofern überraschend, als sie sonst immer wieder dazu aufruft, die Kirche solle sich parteipolitisch zurückhalten, die Tagesaktualität den Laien überlassen und nicht moralisieren.“
Die „Ehe für alle“ darf als Thema zählen, für das sich das Portal kath.ch gerne mit bemerkenswerter Einseitigkeit einsetzt., ein binnenkirchliches Pro und Kontra ist kaum mehr zu finden. Beispielsweise veröffentlichte das Portal Anfang Dezember einen Artikel: „Katholiken hoffen auf die ‚Ehe für alle‘“. Auch hier zeichnete Raphael Rauch verantwortlich – und wieder war der Beitrag nicht einmal als „Kommentar“ gekennzeichnet gewesen. Für diesen Artikel hagelte es bemerkenswerte Kritik von den eigenen Lesern auf dem kath.ch-Facebookauftritt unter dem Tenor: „Gilt die Meinungsfreiheit nur für Positionen, die gegen das Lehramt der Katholischen Kirche sind? Nichts mit Journalismus sondern reine Stimmungsmache.“ Ein Leser hatte notiert: „kath.ch hat für mich beschlossen, dass ich auf die Ehe für alle hoffen muss...“. Ein weiterer Leser stellte fest: „Pauschaliert der Titel einfach ein wenig, gibt dem Thema einen Spin in die richtige Richtung (?) - oder man ‚Wagt zu träumen‘ ... ?“ (kath.net hat bereits berichtet). Insgesamt müssen Schweizer Katholiken, die die normalen lehramtlichen Positionen der SBK und der römisch-katholischen Weltkirche (einschließlich Papst Franziskus) vertreten wollen, immer stärker feststellen, dass genau diese Positionen sich nicht mehr auf dem Medienportal kath.ch wertschätzend wiederspiegeln.
Erst vor gut einem Monat hatten sich die Konflikte zwischen der Schweizer Bischofskonferenz und dem von ihnen und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz RKZ gemeinsam betriebenen Medienportal vor einer breiteren Öffentlichkeit heftig zugespitzt. Im Zusammenhang mit der Konzerninitiative hatte die Sprecherin der SBK, Encarnación Berger-Lobato eine gewisse Aggressivität in der Arbeit von Raphael Rauch festgestellt, kath.net hat berichtet. Zuvor hatte beispielsweise die „Limmattaler Zeitung“ von einem „beinharten Konflikt“ zwischen den Schweizer Bischöfen und ihrem Nachrichtendienst „kath.ch“ gesprochen. Die SBK und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz entschuldigten sich dann in einer gemeinsamen Erklärung eigens für diese Äußerung ihres Medienportals, siehe Link. Der Name von Raphael Rauch tauchte in dieser Erklärung nicht auf, möglicherweise hatte es aber hinter den Kulissen durchaus meinungsstarke Äußerungen ihm gegenüber gegeben.
kath.net dokumentiert die Mitteilung des Bistums Chur an alle „Mitarbeitende in der Seelsorge“ in voller Länge:
Liebe Mitarbeitende in der Seelsorge
Anlässlich des derzeit laufenden Referendums gegen die so genannte "Ehe für alle", die von National- und Ständerat beschlossen wurde, erinnere ich Sie an die Stellungnahme der Schweizer Bischofskonferenz: http://www.bischoefe.ch/dokumente/communiques/ehe-fuer-alle
Die "Ehe für alle" ist, wie der Stellungnahme der Bischofskonferenz zu entnehmen ist, aus Sicht der katholischen Kirche sowie aufgrund der christlichen Definition von Ehe und Familie abzulehnen. Der Bischofsrat des Bistums Chur unterstützt den Apostolischen Administrator, Bischof Peter Bürcher, in der Ablehnung der "Ehe für alle". Daher empfiehlt das Bistum Chur allen Priestern, Diakonen sowie kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Engagement für das Referendum gegen die "Ehe für alle": https://ehefueralle-nein.ch/
Auf der verlinkten Homepage können Unterschriftenbögen heruntergeladen werden, welche direkt dem betreffenden Referendumskomitee zugestellt werden.
Ich danke Ihnen für die Kenntnisnahme und grüsse Sie herzlich, verbunden mit meinen besten Wünschen für das neue Jahr 2021
Donata Bricci
Bischöfliche Kanzlerin
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