12. Jänner 2021 in Spirituelles
Pariser Erzbischof Aupetit: „Also, liebe Brüder und Schwestern lasst uns die Befreiten des Evangeliums sein, lasst uns zur Messe kommen, um den König der Könige zu treffen.“ Gastbeitrag von Juliana Bauer
Paris (kath.net) „Zu Beginn dieser Messe wünschte ich euch ein frohes neues Jahr und hoffe wirklich, dass es für uns alle ein gutes werden wird.“ So der Wunsch von Erzbischof Aupetit, den er schriftlich festhält. Als er seine Predigt jedoch am Sonntag von Epiphanie (3. Januar) in St. Germain l’Auxerroix begann, war er für einen Moment skeptisch, da er, wenn er ehrlich sei, sagen müsse, dass „wir nicht wissen, was dieses Jahr bringen wird. Denn“, fuhr er mit Blick auf das vergangene fort, „mit dem, was wir durchgemacht haben, können wir uns die Frage stellen, ob wir ein weiteres Jahr eingesperrt verbringen werden.“
Dann aber lenkt Michel Aupetit seine Reflexionen auf das Evangelium, das vom verheißungsvollen Aufbruch der Weisen zu Christus hin berichtet und das er einmal in neuer Weise betrachten wolle, das Evangelium, das ihn die Frage nach Beschränkung und Befreiung stelle lasse. Er spricht dabei eine Realität an, welche zurzeit viele, gerade auch politisch Agierende zu vergessen scheinen: die innere Freiheit des Menschen. Der Pariser Oberhirte erläutert dazu seine eigenen, nicht sofort verständlichen Gedanken. „In der Tat hat mich dieses Evangelium dazu gebracht, darüber nachzudenken, … dass wer hierherkommt, letztlich nicht eingesperrt bleibt und auch frei bleiben wird, jedenfalls in seinem Kopf“, sprich in seinem Innern.
„Schaut auf die Magier, sie sind völlig frei. Sie wagen es, sich auf den Weg zu machen und sich weit weg von zu Hause zu begeben“ (was natürlich für die Europäer augenblicklich kaum möglich, ja sogar für viele unmöglich ist), „um einen König der Juden zu finden und anzubeten, der ihnen a priori fremd ist. Sie sind Gelehrte, Weise, Philosophen, die in der Lage sind, die Zeichen am Himmel zu lesen, Astrologen, die nach Wissen streben und staunen können. Sicher, sie erfahren keine Offenbarung (im biblischen Sinn). Sie repräsentieren diejenigen, die Gott mit allen Möglichkeiten und Mitteln menschlicher Intelligenz und Weisheit suchen. Das ist sehr ehrenwert. Auch heute gibt es Menschen, die auf dem Weg der Weisheit, der Intelligenz Gott suchen. Es stimmt, die Weisen erfuhren keine Offenbarung … Aber sie machten sich auf den Weg, wohingegen die Schriftgelehrten und Hohepriester, die die Offenbarung hatten – wir hörten es im Evangelium –… jämmerlich (in ihren Vorstellungen) gefangen bleiben. Sie bewegen sich nicht, sie gehen nicht zu dem Kind in der Krippe, obwohl sie genau wissen, wo der Messias geboren werden soll.
Ich glaube, dass, wenn ich die Schriftgelehrten und Pharisäer betrachte, wir uns alle selbst die Frage stellen müssen, ob nicht auch für uns die Gefahr besteht, dass wir uns auf unsere kleinen religiösen Gewissheiten beschränken und wir nicht in der Lage sind, das Unerwartete von Gott zu bestaunen. Denn Gott überrascht uns immer. Und ich glaube, dass diese Schriftgelehrten, diese Hohepriester eingeschränkt in ihrem Kopf sind.
Dieser geheimnisvolle Stern interessiert die Schriftgelehrten nicht. Dieses kosmische Ereignis war jedoch von Bileam, einem heidnischen Propheten prophezeit worden. Ihr findet es im Buch Numeri, dem 4.Buch Mose. Ich zitiere ihn: "Ich sehe einen Stern aus Jakob aufgehen, ein Zepter erhebt sich in Israel" (Num 24,17) …
… Das lässt uns nachdenken, nicht, weil uns die Offenbarung zu Teil wurde, nicht, weil wir die Chance haben, das Wort Gottes zu kennen und dass wir befreit sein werden. Ja, wir müssen uns immer überraschen lassen… Und welcher Stern wird uns aus unserer körperlichen wie spirituellen Gefangenschaft herausführen? Dieser Stern ist unser Glaube, wie Papst Franziskus uns in seiner ersten Enzyklika erinnert: ‚Der Glaube ist kein Licht, das all unsere Dunkelheit zerstreuen würde, sondern die Lampe, die unsere Schritte in der Nacht führt und die für unseren Weg ausreicht.‘ Ihr seht also, der Glaube lässt Gott nicht komplett erkennen. Er genügt als Licht, um, wie auch die Magier, nicht irregeführt zu werden. Das ist der Glaube. Den Glauben zu empfangen, ist ein Geschenk Gottes.“
Erzbischof Aupetit führt nun die Verbindung zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Offenbarung und Erkenntnis aus. Der Glaube könne durch ein intellektuelles Werk vorbereitet werden. Intellektuell-geistiges Erfassen und Glaube schlössen einander nicht aus. Vom Beginn des Christentums an, weist Michel Aupetit darauf hin, seien es Intelligenz, Erkenntnis der Christen gewesen, die sie einsetzten, um das Geheimnis Gottes zu verstehen. Doch sie wussten, und wir wüssten es im Grunde auch, dass wir nicht allein durch unser intellektuelles Wissen Gott und die göttliche Realität begreifen könnten. Durch die Offenbarung würde uns der Weg gezeigt, wir könnten Gott aber nicht in unser Wissen einschließen. Die intellektuelle Arbeit könne den Glauben etwas mehr erhellen, den Glauben, der das Geschenk Gottes sei, um aus unserem Gefangen-Sein herauszukommen, um dem Licht zu begegnen, dem Licht der Völker, das Christus ist. „…dem Licht der Völker. Und diese Völker kommen heute, um den Sohn Gottes anzubeten… Und wir? Wie können wir den Glauben empfangen? Es ist wieder Papst Franziskus, der antwortet: ‚Der Glaube besteht in der Verfügbarkeit, sich durch den Ruf Gottes immer wieder neu verwandeln zu lassen.‘ Voilà. Ihr wollt befreit sein? Seid ihr verfügbar? Dem Ruf Gottes? Jeden Tag ruft er uns, um umzukehren. Sind wir seinen Zeichen gegenüber sensibel, die er uns gibt? Sensibel seinem Ruf gegenüber? Sich verwandeln zu lassen. Die wahre Frage ist in der Tat diese: sind wir verfügbar?
Diejenige, die uns diesen Weg des Glaubens zeigt, ist die Jungfrau Maria. Maria, die dem Unerwarteten von Gott gegenüber verfügbar war … Maria ist die „Tochter Zions“ des Propheten Jesaja. Sie repräsentiert das auserwählte Volk, das seinen Messias willkommen heißt und dadurch das Heil für alle Völker öffnet. So können alle Völker, alle, die suchen, sich auf den Weg machen, alle diejenigen, die auf ewig aus der Gefangenschaft befreit sein werden, das Kind in der Krippe entdecken und bestaunen, das Kind, das Maria in ihren Armen hält. Wir haben gehört, wie der heilige Paulus es uns in der zweiten Lesung bekräftigte: ‚Alle Nationen sind durch die Verkündigung des Evangeliums mit demselben Erbe verbunden, mit demselben Leib und Mitgenossen derselben Verheißung in Christus Jesus‘ (Eph 3, 6).
Und wir, die wir nicht das auserwählte Volk sind, wir haben die Chance Christus zu kennen und durch ihn gerettet zu werden. Also, liebe Brüder und Schwestern lasst uns die Befreiten des Evangeliums sein, lasst uns zur Messe kommen, um den König der Könige zu treffen, und uns auf eine Mission zu begeben, die Frohe Botschaft von Erlösung und ewigem Leben, die allen offensteht, zu verkünden.“ So wird, wie der Domdekan von Notre Dame am Schluss der Messe die Predigt des Erzbischofs kommentierte, „aus dem Zug der Könige der Zug der aus der Gefangenschaft Befreiten …“
Textlesungen: Jes. 60,1-6; Eph. 3,2-3.5-6; Matth. 2,1-12
Homélie de Mgr Michel Aupetit, Messe du 3 janvier 2021 à Saint-Germain-l'Auxerrois, KTOTV
Homélie de Mgr Michel Aupetit – Messe de l’Épiphanie à Saint-Germain-l'Auxerrois, Dimanche 3 janvier 2021 – Diocèse de Paris, L’Église catholique à Paris.
Übersetzung für kath net: Dr. Juliana Bauer
Anmerkungen
Der 6.Januar ist in Frankreich kein Feiertag, sodass Dreikönig jeweils am vorhergehenden oder nachfolgenden Sonntag gefeiert wird.
Zur genannten „ersten Enzyklika“ von Papst Franziskus: Es handelt sich um Lumen fidei (Licht des Glaubens), von Benedikt XVI. begonnen, um Beiträge von Franziskus ergänzt und vollendet.
Archivfoto Erzbischof Aupetit (c) Erzbistum Paris
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