18. Jänner 2021 in Aktuelles
‚Infiltration’ – mal anders. Wenn ein Haus vom Dach her zusammenbricht – die Fundamente: sie werden von anderem getragen werden müssen. Non prævalebunt, auch wenn die Zeit davonläuft. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Infiltration“ – mal anders. Wenn ein Haus vom Dach her zusammenbricht, und wenn es sich dabei um das Haus des Papstes handelt? Man kommt in dieser Zeit der sogenannten Pandemie, nach all diesen Jahren und der aktuell nur virtuellen Präsenz des Papstes nicht umhin, das Symbolische zu spüren. Der Apostolische Palast steht da. Verlässt man das Haus, erhebt sich auf der Schwelle der Blick unweigerlich zu dem, was nicht allein ein Monument ist. Und doch: der Petersplatz, la „Piazzetta“ ist leer und trostlos (was mit einer intensiven und tragischen Schönheit verbunden ist), Dinge wie das traditionelle Sonntagsgebet des Angelus gibt es nicht mehr, die „Generalaudienzen“ online sind nichts anderes als eine groteske Karikatur.
„Früher“ hieß es: wenn der Papst ans Fenster tritt, hört es auf zu regnen, damit die Leute auf dem Platz dem Wort des Nachfolger Petri gut folgen können. Jetzt: Wasser und „Infiltration“, im weiten und im konkreten Sinn, und das Konkrete ist symbolisches Zeichen für andere „Infiltrationen“, die sich im Gewebe der Kirche seit vielen Jahrzehnten ausbreiten, verbunden mit stinkendem Schimmel und der Zerstörung des Gewebes. Dazu kommt: diese konkrete Infiltration ist Folge einer besonderen und barbarischen „in-curia“ (heißt: „Vernachlässigung“). „Kurienreform“ anders.
Und nun bricht das Haus des Papstes von oben her zusammen, oder wie es auf Italienisch heißt: der Fisch beginnt, vom Kopf her zu stinken. Die Fundamente der „Una Sancta Ecclesia Catholica et Apostolica“ aber, außerhalb derer es kein Heil gibt, die Fundamente auch des Vatikans: sie liegen zum Glück anderswo, was immer deutlicher wird, auch wenn man es nun mit einbrechenden Heerscharen und den Folgen eines „Sacco di Roma 2.0“ zu tun hat.
Eine neue Geschichte. Was ist geschehen?
Vor einiger Zeit waren es einige herabgefallene Stuckelemente, die den Restauratoren des Vatikans Sorgen bereiteten und sofort die Aufmerksamkeit auf sich zogen: sie wurden auf den Marmorböden einer der schönsten Räumlichkeiten des Apostolischen Palastes, der „Sala Regia“ (1540 und 1573), gefunden. Die „Sala Regia“, der Königssaal – sie erhebt das Herz, einen Steinwurf von der Sixtinischen Kapelle entfernt, vor allem dann, wenn man alleine unter dem Gewölbe stehen kann (die Sala ist für die Öffentlichkeit in der Regel nicht zugänglich). Die katholische Welt kennt sie: zum Beginn eines Konklaves begeben sich die Kardinäle nach einer Andacht in der Paulinischen Kapelle durch die „Sala Regia“ in die Sixtinische Kapelle.
Von ihr aus gelangt man also wie gesagt in die „Sixtina“, in die (unter Benedikt XVI. mit einem neuen Altar ausgestattete) „Cappella Paolina“ und in die „Sala Ducale“. Sie gehört zu dem, was für den, der den Apostolischen Palast kennt und liebt, „Heimat“ ist, ein Herzstück. Die „Sala Regia“ mit Fresken des Vasari ausgestattet – mehr als ein „Kleinod“: ein Schatz mitten im Apostolischen Palast. Sie ist auch der Raum, in dem sich der Papst in der Regel mit den Botschaftern aller Welt zum Neujahrsempfang trifft.
Die Fragmente führten, wie Franca Giansoldati, Vatikanistin der römischen Zeitung „Il Messaggero“, ausführt, sofort zur schlimmen Entdeckung, dass der Schaden durch anhaltende Feuchtigkeit verursacht wurde.
Wegen starker Regenfälle und, wie es scheint, wegen des Wassers, das im Laufe der Zeit (weil die Abflüsse nicht so häufig wie früher gereinigt wurden) auf auf dem Dach des Apostolischen Palastes stagnierte, kam es dazu, dass die antiken Eichenbinder verfielen, die das Dach tragen.
„Einfach gesagt“: die großen, jahrhundertealten Massivholzbalken, die bisher das Gewicht des Dachs getragen haben, sind „eingeknickt“. Die Feuchtigkeit drang in das Innere und dann in die darunter liegenden Räume ein, bis sie an einigen Stellen die Decke und den Stuck erreichte.
Die Entdeckung von Stuckfragmenten auf dem Boden führte natürlich sofort zu einer Untersuchung. Gleichzeitig wurde die prächtige, unter dem Pontifikat Pauls III. (* 29. Februar 1468 in Canino; † 10. November 1549) geschaffene Stuckkassettendecke durch eine Firnisierung, bestehend aus einem Stoff und einem Spezialkleber, provisorisch repariert, um weitere Abfälle zu verhindern.
Die große Frage, die sich nun aufgetan hat, ist die nach dem Zustand der Traversen und ob sie noch halten können und wie lange. Die Techniker des Vatikans haben sich über das Risiko einer möglichen Verschlimmerung bei weiterem Regen Gedanken gemacht, auch weil die Wettervorhersagen im Moment nicht günstig sind und nicht das Beste erhoffen lassen. Die größte Gefahr besteht darin, dass die schweren Balken, die inzwischen verfallen sind, auf das Tonnengewölbe einstürzen.
Die Angelegenheit ist so heikel und brisant, dass sie den „obersten Etagen“ des Vatikans zur Kenntnis gebracht wurde. Viele fragen sich: wie konnte so etwas passieren? Wie ist es möglich, dass keiner das Problem der Feuchtigkeit in einem der Gebäude bemerkt hat, in dem sich die größten Kunstwerke der Welt befinden – und das in einem Raum, der nur einen Steinwurf von der Sixtinischen Kapelle entfernt ist?
Der Vatikan ordnete sofort eine Untersuchung und eine Studie an. Nun geht es darum, wie das Dach repariert werden kann, ohne zu viel und weiteren Schaden anzurichten. Zu den noch zu definierenden Hypothesen vor Ort gehört die, das Gebäude „schnell schnell“ mit einem umfangreichen temporären Dach, vielleicht aus PVC, zu überdecken. Inzwischen läuft die Zeit davon.
Nun denn: trotz aller „Infiltrationen“ – non prævalebunt!
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