5. Februar 2021 in Deutschland
„Der Vorwurf, Kardinal Woelki würde das erstellte Gutachten zurückhalten, ist also letztlich der Vorwurf, er sei bereit, die Rechtsordnung zu achten“ – Appell: Für Recht und Gerechtigkeit, Fairness und respektvollen Umgang in der katholischen Kirche
Köln (kath.net) kath.net dokumentiert den Apell „Für Recht und Gerechtigkeit, Fairness und einen respektvollen Umgang in der katholischen Kirche“ in voller Länge:
Wir sind katholische Christen, die das ehrliche Aufklärungsanliegen von Kardinal Woelki unterstützen. Wir plädieren entschieden für Fairness und Gerechtigkeit, auch und gerade gegenüber dem Erzbischof. Unseren Appell verstehen wir als Aufruf zu einem notwendigen und klärenden Dialog im Dienst der Wahrheit und des Respekts.
Offener Brief:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Mitmenschen guten Willens,
Das Faktum sexualisierter Gewalt und ihr in den vergangenen Jahren ans Licht gekommene Ausmaß in der katholischen Kirche erschüttert uns. Wir sind entsetzt über das unsägliche Leid, das vor allem Kindern und Jugendlichen angetan wurde und fordern eine angemessene Untersuchung aller Sachverhalte. Wir hoffen zudem, dass durch die Erfahrungen der Kirche mit der Aufarbeitung dieses überaus traurigen Kapitels ihrer Geschichte auch andere Institutionen innerhalb der Gesellschaft ermutigt werden, ebenfalls offen und ehrlich notwendige Aufklärungs- und Reinigungsprozesse zu initiieren, wo auch immer sexueller Missbrauch an Minderjährigen stattgefunden hat. Denn es geht darum, unsere Kinder effektiv und umfassend zu schützen. Wir wissen und bedauern, dass im Zusammenhang mit der begonnenen Aufarbeitung im Erzbistum Köln offensichtlich Fehler gemacht wurden, die das ehrliche Anliegen der Verantwortlichen zu verdunkeln scheinen. Unglückliches Handeln soll nicht verschwiegen werden. Ziel muss eine menschengerechte Aufarbeitung und Aufklärung im Dienste der Wahrheit sein.
Wir setzen Vertrauen in die Aufklärungsarbeit
Fairness und Gerechtigkeit aber sind – gerade in emotionalisierten Zeiten – gegenüber allen Personen geboten. Vor diesem Hintergrund setzen wir Vertrauen in die Aufklärungsarbeit, die Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern seit Jahren leistet. Wir nehmen mit viel Hoffnung und Zuversicht wahr, wieviel Gutes in diesen Jahren in der katholischen Kirche im Allgemeinen und im Erzbistum Köln im Besonderen bereits mit Blick auf Intervention, Prävention und Betroffenenhilfe geschehen ist. Der Kölner Erzbischof selbst hat in seinen zahlreichen Initiativen, Äußerungen, Stellungnahmen und Entscheidungen wiederholt bewiesen, wie sehr er entschlossen ist, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass es möglichst nie wieder zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche kommt. Dazu gehört auch die notwendige Aufarbeitung des Umgangs mit solchen Fällen seitens der Verantwortlichen, die Feststellung von Versäumnissen und die entschlossene Festlegung eventueller Konsequenzen. Falsche Rücksichtnahme sollte unbedingt vermieden werden, auch wenn das für manche schmerzlich sein kann. Dies kann aber nur auf einer vollständig recherchierten und sachlichen Grundlage geschehen.
Kardinal Woelki hat als erster deutscher Bischof ein solches Gutachten auf der Grundlage der eigenen Akten der Diözese in Auftrag gegeben. Dies ist eine gute Entscheidung und die Einholung eines Gutachtens ein bewährtes Verfahren. Der Kardinal hat darüber hinaus vorgegeben, dass das Gutachten veröffentlicht werden soll und sich als Zeichen der Transparenz und der Wahrhaftigkeit seines Aufklärungswillens verpflichtet, dieses auch selbst nicht vor der Veröffentlichung einzusehen.
Äußerungsrechtliche Herausforderungen
Mit dem Ziel der Veröffentlichung beginnen allerdings die juristischen, äußerungsrechtlichen Herausforderungen: Ein Gutachten, auch wenn es von einer Anwaltskanzlei angefertigt wird, bleibt ein Privatgutachten, welches weder ein staatliches Gerichts- noch ein kirchenrechtliches Verfahren ersetzen kann. Es ist daher auch nicht zulässig, durch ein solches Privatgutachten öffentlich ohne hinreichenden Faktenaufweis eine Zuschreibung von Verantwortlichkeit oder gar eine Verurteilung vorzunehmen. Daher ließ Kardinal Woelki von zwei verschiedenen Fachjuristen die äußerungsrechtliche Zulässigkeit des vorliegenden ersten Gutachtens prüfen und erhielt die übereinstimmende Einschätzung, dass dieses die gestellten Anforderungen nicht erfüllt.
Der Vorwurf, Kardinal Woelki würde das erstellte Gutachten zurückhalten, ist also letztlich der Vorwurf, er sei bereit, die Rechtsordnung zu achten. Die Bereitschaft, das geltende Recht zu beachten, ist eine Selbstverständlichkeit, die auch und besonders von einem Bischof erwartet werden muss. Diesen Anforderungen an ein rechtstreues Verhalten entspricht der Erzbischof. Es wäre absurd, aus seiner juristisch gebotenen Rücksichtnahme ihm einen mangelnden Aufklärungswillen zu unterstellen oder gar eine Vertuschungsbereitschaft anzuheften.
Wir unterstützen Kardinal Woelkis Initiative
Deswegen unterstützen wir Kardinal Woelkis Initiative, ein zweites Rechtsgutachten über den Umgang mit sexualisierter Gewalt in Auftrag gegeben zu haben, das auch äußerungsrechtliche Rechtssicherheit bieten soll. Dieses zweite Gutachten, das die Kanzlei von Prof. Dr. Björn Gercke derzeit erstellt und am 18. März 2021 veröffentlichen wird, wird nach heutigem Kenntnisstand alle 236 bislang bekannt gewordenen Fälle untersuchen. Damit ist diese zweite von Kardinal Woelki beauftragte Untersuchung die umfassendste überhaupt, die bislang in einem Bistum in Deutschland erarbeitet wird. Denn der Größe der geschehenen Verbrechen muss die Sorgfalt einer wirklichkeitsgerechten und vollständigen Aufarbeitung entsprechen, damit wirksame zukunftsträchtige Veränderungen stattfinden können.
Wir wissen, dass die Maßnahmen von Kardinal Woelki, das Evangelium glaubwürdig in Wort und Tat zu verkünden, von vielen Menschen wahrgenommen und anerkannt werden. Wir fordern, dass es auch in der gegenwärtigen Auseinandersetzung zu einem gerechten Umgang mit Fakten und der Person des Kardinals kommt, der mehr Solidarität und Loyalität, aber auch Respekt und Fairness verdient hat, als er sie in diesen Tagen zuweilen erfährt.
Köln, am 5. Februar 2021
Wir weisen klarstellend darauf hin, dass in einer vorherigen Version des Aufrufs geschrieben stand, das erste Gutachten habe nur 15 Fälle herausgegriffen und begutachtet. Damit war gemeint, dass nur 15 Fälle im Gutachten exemplarisch dargestellt wurden.
Erstunterzeichner
TOBIAS GRAF BERNSTOFF, Bedburg
HERMANN GERBAULET, Berlin
ACHIM GREIF, Remagen
JOSEF IRL, Mindelstetten-Imbath
TERESA und CHRISTOPH KONOPKA, Bonn
MARIA KURZ, Bonn
JÜRGEN LIMINSKI, St. Augustin
THIBAULT LIMINSKI, Bonn
FLAVIA und TOBIAS LIMINSKI, Regensburg
HEIKE und MARTIN LOHMANN, Bonn
ANDREAS und CLARA LORENZ, Regensburg
BENJAMIN MARX, Köln
THOMAS MERTZ, Bonn
THOMAS PÖPPINGHAUS, Bonn
GABRIELE und KLAUS POTT, Bonn
ANDREAS REIMANN, Köln
JEFFREY SCHROEDINGER, Regensburg
NATALY und RÜDIGER VON STENGEL, Bonn
CÄCILIA und JOHANN BAPTIST WEHLER, Köln
KAROLIN und WALTER WEHLER, Köln
Für Rückfragen und weitere Informationen:
MARTIN LOHMANN - www.fairness-in-der-kirche.de (Link)
VIDEOTIPP: "
Archivfoto Kardinal Woelki (c) Erzbistum Köln
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