(Fast) Alle gegen Woelki

8. Februar 2021 in Deutschland


Marx und Bätzing setzen Kölner Kardinal Woelki weiter unter Druck. Im Hintergrund geht es nicht nur um behaupte Fehler des Kölner Kardinals, sondern darum, einen synoden-kritischen Kirchenmann loszuwerden - "SPIEGEL" übt Kritik, aber nicht an Woelki


Köln-München (kath.net/rn)

Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofs Konferenz, und der Münchner Kardinal Reinhard Marx, haben am Wochenende den Druck auf den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki erhöht. So meinte Bätzing bei einer Online-Pressekonferenz: "Die Krise, die entstanden ist, weil das Gutachten nicht jetzt öffentlich ist, die ist nach meiner Ansicht nicht gut gemanagt worden." Anlass für die Kritik ist ein Gutachten über Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln, welches Woelki erst dann veröffentlichen möchte, sobald ein zweites Gutachten fertig ist. Beides ist für März geplant. Woelki gibt dafür rechtliche Gründe an, was von Marx, Bätzing & Co. aber nicht akzeptiert wird. Gegenüber der "Rheinischen Post" spricht Woelki explizit von möglichen Verstöße gegen das Persönlichkeits- und das Äußerungsrecht. Für ihn bestehe die Gefahr, dass das Gutachten „gar nicht das Licht der Welt erblickt und vorher weggeklagt "werde.

Marx , der gewichtige Kirchenmann aus München, spricht gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" von einem "großen Schaden" für die katholische Kirche. "Die Wirkung dessen, was da passiert, ist für uns alle außerordentlich negativ." Woelki selbst hat erklärt, dass er durchaus auch für einen Rücktritt bereit sei, sollte er hier unverantwortlich gehandelt haben. Gegenüber der "Rheinischen Post" meint er: "Auf dem Weg habe auch ich Fehler gemacht, und die sind in der Tat schmerzlich. Ich hoffe sehr, dass der Vertrauensverlust wiedergutzumachen ist."

Im Hintergrund gibt es allerdings den Verdacht, dass die echten und vermeintlichen Fehler von Woelki genutzt werden sollen, um den Kardinal abzuschießen. Denn in nicht wenigen Fragen hat sich der Erzbischof von Köln zuletzt auf der Seite der katholischen Kirche positioniert, etwas was Marx und Bätzing ein Dorn im Auge ist. So sind interessierte hochrangige Kirchenkreise durchaus auch bereit "eine unheilige Allianz" mit deutschen Journalisten einzugehen, um Woelki loszuwerden.

Doch nicht alle Journalisten machen das Spiel mit. So schreibt Lucas Wiegelmann in der "Welt am Sonntag": "Wahr ist aber auch: Die öffentliche Wut trifft einen Mann, der vielen Gläubigen, Journalisten und auch manchem Amtsbruder schon lange ein Dorn im Auge ist wegen seiner konservativen Positionen im Allgemeinen, wegen seiner Bremsversuche im derzeit laufenden Reformprozess 'Synodaler Weg' im Besonderen." Wiegelmann betonte dann auch, dass der Fall Woelki zumindest komplizierter sei als die landläufige Erzählung vom starrsinnigen Kirchenfürsten, der die Wahrheit unter dem Deckel halte.

Besonders bemerkenswert ist jetzt ein kritischer Artikel ausgerechnet im "Spiegel", der sich mit den Gutachten befasst. Dort erinnert der bekannte Rechtswissenschaftler Thomas Fischer, dass es sich bei dem Gutachten um ein Werk handle, dessen Anfertigung die Erzdiözese Köln bei der Münchner Kanzlei in Auftrag gegeben hat. Es war ein Folgeauftrag sozusagen, nachdem die Kanzlei zunächst in München und Freising und sodann auch in Aachen nach dem Unrechten sehen durfte. Der Kölner Erzbischof  Woelki veröffentlichte das Gutachten nicht, sondern beauftragte eben zwei Strafrechtsprofessoren mit einem "methodenkritischen Gutachten" zur Prüfung der fachlichen Qualität. Der Spiegel erinnert daran, dass dieses Gutachten zu dem Schluss kam, dass die Münchner Kanzlei erhebliche methodische Fehler gemacht habe und dass ihr Gutachten teilweise tendenziös und daher fehlerhaft sei. Inzwischen wurde eben ein Kölner Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Zweitgutachtens beauftragt. Beides soll am 18. März veröffentlicht werden.

Das Ganze werde laut Fischer derzeit auf einem Niveau abgehandelt, auf dem ernsthafte Zweifel am Sachverhalt gar nicht mehr als diskutabel angesehen werden, vielmehr öffentlich Schlachten um das gebotene Maß von »Abscheu« und moralischer Verurteilung der »Verantwortlichen« gefochten werden. Abschließend schreibt der Autor: "Meine persönliche Entrüstung über diesen Fall hält sich in Grenzen. Und damit will ich wahrlich nicht sagen, dass die missbräuchlichen und zerstörerischen Übergriffe von Klerikern gegen Kinder harmlos gewesen seien. Aber nach 45 Jahren, einer schweren Demenz und dem Eintreten des Todes könnte man die stellvertretende Rache gut sein lassen. Es gibt genügend Kinder im Jahr 2021, die der Fürsorge des Publikums bedürfen." Thomas Fischer selbst ist ein früherer Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, sein jährlich überarbeiteter Kurzkommentar zum Strafgesetzbuch (StGB) gilt als Standardwerk und ist jedem Juristen in Deutschland bekannt.

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