Worin besteht diese Hoffnung, die als Hoffnung ‚Erlösung’ ist?

8. Februar 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: die heilige Josphine Bakhita. Die Hoffnung, die ihr geworden war und sie ‚erlöst’ hatte, durfte sie nicht für sich behalten. Sie sollte zu vielen, zu allen kommen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Morgen, am liturgischen Gedenktag der heiligen Josephine Bakhita, einer sudanesischen Schwester, die die Erniedrigung und das Leid der Sklaverei erlebte, feiern wir den Gebets- und Besinnungstag gegen den Menschenhandel. In diesem Jahr geht es darum, für eine Wirtschaft zu arbeiten, die diesen verabscheuungswürdigen Handel nicht, auch nicht indirekt, begünstigt, das heißt, eine Wirtschaft, die aus Mann und Frau niemals eine Ware, ein Objekt, sondern immer den Zweck macht. Der Dienst am Mann, an der Frau, sie aber nicht als Ware zu benutzen. Bitten wir die heilige Josephine Bakhita, uns dabei zu helfen“ (Papst Franziskus, Angelus am 7. Februar 2021).

Als Kind entführt und zur Sklavin gemacht, lernte Josephine erst bei ihrer Ankunft in Italien Jesus kennen. Als sie ihre Geschichte erzählte, sagte sie: „Wenn ich die Sklavenhändler treffen würde, die mich entführt haben, und auch die, die mich gefoltert haben, würde ich niederknien und ihre Hände küssen, denn wenn das nicht passiert wäre, wäre ich jetzt nicht christlich und und eine Ordensfrau“.

Benedikt XVI., Enzyklika „Spe salvi“, gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 30. November, dem Fest des heiligen Apostels Andreas, im Jahr 2007, „dem dritten des Pontifikats“, 3-6:

3. Aber nun wird die Frage dringend: Worin besteht diese Hoffnung, die als Hoffnung "Erlösung" ist? Nun, der Kern der Antwort ist in der eben angeführten Stelle aus dem Epheser-Brief angegeben: Die Epheser waren vor der Begegnung mit Christus hoffnungslos, weil sie "ohne Gott in der Welt" waren. Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen. Für uns, die wir seit je mit dem christlichen Gottesbegriff leben und ihm gegenüber abgestumpft sind, ist der Besitz der Hoffnung, der von der realen Begegnung mit diesem Gott ausgeht, kaum noch wahrnehmbar.

Ein Beispiel einer Heiligen unserer Zeit mag ein wenig verdeutlichen, was es heißt, diesem Gott erstmals und wirklich zu begegnen. Ich denke an die von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochene Afrikanerin Giuseppina Bakhita. Sie war ungefähr – das genaue Datum kannte sie nicht – 1869 in Darfur im Sudan geboren. Mit neun Jahren wurde sie von Sklavenhändlern entführt, blutig geschlagen und fünfmal auf den Sklavenmärkten des Sudan verkauft. Zuletzt war sie als Sklavin der Mutter und der Gattin eines Generals in Diensten und wurde dabei täglich bis aufs Blut gegeißelt, wovon ihr lebenslang 144 Narben verblieben. 1882 wurde sie schließlich von einem italienischen Händler für den italienischen Konsul Callisto Legnani gekauft, der angesichts des Vormarschs der Mahdisten nach Italien zurückkehrte. Hier lernte Bakhita schließlich nach so schrecklichen "Patronen", denen sie bisher unterstanden war, einen ganz anderen "Patron" kennen – "Paron" nannte sie in dem venezianischen Dialekt, den sie nun lernte, den lebendigen Gott, den Gott Jesu Christi. Bisher hatte sie nur Patrone gekannt, die sie verachteten und mißhandelten oder bestenfalls als nützliche Sklavin betrachteten. Aber nun hörte sie, daß es einen "Paron" über allen Patronen gibt, den Herrn aller Herren und daß dieser Herr gut ist, die Güte selbst. Sie erfuhr, daß dieser Herr auch sie kennt, auch sie geschaffen hat – ja, daß er sie liebt. Auch sie war geliebt, und zwar von dem obersten Patron, vor dem alle anderen Patrone auch nur selber armselige Diener sind. Sie war gekannt und geliebt und wurde erwartet. Ja, dieser Patron hatte selbst das Schicksal des Geschlagenwerdens auf sich genommen und wartete nun "zur Rechten des Vaters" auf sie. Nun hatte sie "Hoffnung" – nicht mehr bloß die kleine Hoffnung, weniger grausame Herren zu finden, sondern die große Hoffnung: Ich bin definitiv geliebt, und was immer mir geschieht – ich werde von dieser Liebe erwartet. Und so ist mein Leben gut. Durch diese Hoffnungserkenntnis war sie "erlöst", nun keine Sklavin mehr, sondern freies Kind Gottes. Sie verstand, was Paulus sagte, wenn er die Epheser daran erinnerte, daß sie vorher ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt gewesen waren – ohne Hoffnung, weil ohne Gott. So weigerte sie sich, als man sie wieder in den Sudan zurückbringen wollte; sie war nicht bereit, sich von ihrem "Patron" noch einmal trennen zu lassen.

Am 9. Januar 1890 wurde sie getauft und gefirmt und empfing die erste heilige Kommunion aus der Hand des Patriarchen von Venedig. Am 8. Dezember 1896 legte sie in Verona die Gelübde der Canossa-Schwestern ab und hat von da an – neben ihren Arbeiten in der Sakristei und an der Klosterpforte – vor allem in verschiedenen Reisen in Italien zur Mission zu ermutigen versucht: Die Befreiung, die sie selbst durch die Begegnung mit dem Gott Jesu Christi empfangen hatte, die mußte sie weitergeben, die mußte auch anderen, möglichst vielen, geschenkt werden. Die Hoffnung, die ihr geworden war und sie "erlöst" hatte, durfte sie nicht für sich behalten; sie sollte zu vielen, zu allen kommen.

Das Verständnis der Hoffnung des Glaubens im Neuen Testament und in der frühen Kirche

4. Kehren wir noch einmal in die frühe Kirche zurück, bevor wir uns der Frage stellen: Kann die Begegnung mit dem Gott, der uns in Christus sein Gesicht gezeigt und sein Herz aufgetan hat, auch für uns mehr als "informativ", nämlich "performativ" sein, das heißt das Leben umgestalten, so daß wir uns erlöst wissen durch die Hoffnung, die sie bedeutet. Es ist nicht schwer zu sehen, daß die Erfahrung der kleinen afrikanischen Sklavin Bakhita auch die Erfahrung vieler geschlagener und zum Sklavendienst verurteilter Menschen in der Zeit des werdenden Christentums gewesen ist. Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte, war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete. Was neu geworden war, wird am deutlichsten im Brief des heiligen Paulus an Philemon. Dies ist ein ganz persönlicher Brief, den Paulus im Gefängnis schreibt und dem davongelaufenen Sklaven Onesimus für seinen Herrn – eben Philemon – mitgibt. Ja, Paulus schickt den zu ihm geflohenen Sklaven an seinen Herrn zurück, nicht befehlend, sondern bittend: "Ich bitte dich sehr für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin [...] Ich schicke ihn zu dir zurück, das bedeutet mein eigenes Herz [...] Vielleicht wurde er nur deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern weit mehr: als geliebten Bruder" (Phlm 10-16).

Die Menschen, die ihrem zivilen Status nach sich als Herren und Sklaven gegenüberstehen, sind als Glieder der einen Kirche einander Brüder und Schwestern geworden – so redeten sich die Christen an; sie waren durch die Taufe neu geboren, mit dem gleichen Geist getränkt und empfingen nebeneinander und miteinander den Leib des Herrn. Das änderte, auch wenn die äußeren Strukturen gleich blieben, von innen her die Gesellschaft. Wenn der Hebräer-Brief davon redet, daß die Christen hier keine bleibende Stadt haben, sondern die künftige suchen (vgl. Hebr 11, 13-16; Phil 3, 20), so ist dies alles andere als Vertröstung auf die Zukunft: Die gegenwärtige Gesellschaft wird von den Christen als uneigentliche Gesellschaft erkannt; sie gehören einer neuen Gesellschaft zu, zu der sie miteinander unterwegs sind und die in ihrer Wanderschaft antizipiert wird.

5. Wir müssen noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzunehmen. Der Erste Korinther-Brief (1, 18-31) zeigt uns, daß ein großer Teil der frühen Christen den niedrigen sozialen Schichten zugehörte und so gerade der Erfahrung der neuen Hoffnung zugänglich war, wie sie uns am Beispiel Bakhitas begegnet ist. Aber es hat doch auch von Anfang an Bekehrungen in aristokratischen und gebildeten Schichten gegeben. Denn gerade auch sie lebten "ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt". Der Mythos hatte seine Glaubwürdigkeit verloren; die römische Staatsreligion war zum bloßen Zeremoniell erstarrt, das gewissenhaft ausgeführt wurde, aber eben nur noch "politische Religion" war. Die philosophische Aufklärung hatte die Götter in den Bereich des Unwirklichen verwiesen. Das Göttliche wurde in verschiedenen Weisen in den kosmischen Mächten gesehen, aber einen Gott, zu dem man beten konnte, gab es nicht. Paulus schildert die wesentliche Problematik der damaligen Religion durchaus sachgerecht, wenn er dem "Leben gemäß Christus" ein Leben "unter der Herrschaft der Elemente des Kosmos" entgegenstellt (vgl. Kol 2, 8).

In diesem Zusammenhang kann ein Text des heiligen Gregor von Nazianz erhellend sein. Er sagt, daß in dem Augenblick, in dem die vom Stern geführten Magier den neuen König Christus anbeteten, das Ende der Astrologie gekommen war, da die Sterne jetzt die von Christus bestimmte Bahn laufen.[2] In der Tat ist in dieser Szene das Weltbild von damals umgekehrt, das auf andere Weise auch heute wieder bestimmend ist. Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt, dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte; dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei. Ein solches Bewußtsein hat die suchenden und lauteren Geister der Antike bestimmt. Der Himmel ist nicht leer. Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie, sondern in allem und zugleich über allem steht ein persönlicher Wille, steht Geist, der sich in Jesus als Liebe gezeigt hat.

 


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