11. Februar 2021 in Schweiz
„kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch wäre von einem zivilen Arbeitgeber in einem analogen Fall schon längst vor die Tür gesetzt worden" - "Die Kündigung ist fällig", werde aber nicht kommen. Gastkommentar von Niklaus Herzog
Zürich (kathn.net) Das Unheil hatte sich früh angekündigt. In der Neuen Zürcher Zeitung vom 7. Juni 2019 veröffentlichte der an der Universität Fribourg tätige Markus Jost eine luzide Analyse mit dem Titel „Gezähmte Religion“. Darin plädiert er für die Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften und prangert gleichzeitig die Tatsache an, dass Religionsgemeinschaften nur dann öffentlich-rechtlich anerkannt werden, wenn sie sich ein Korsett nach dem Muster der protestantischen Kantonalkirchen aufzwingen lassen. Markus Jost wörtlich: „In den traditionell protestantischen Kantonen Zürich und Bern ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat sehr stark von Ideen der evangelisch-reformierten Kirche geprägt. Die in diesen Kantonen öffentlichrechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften mussten sich den reformierten Vorstellungen rigoros unterwerfen. Die katholische Kirche wurde in diesen Kantonen sozusagen zwangsreformiert...Ist es wirklich sinnvoll, Religionsgemeinschaften ihnen wesensfremde Strukturen aufzuzwingen? Zumal diese Ideen just von jener Religionsgemeinschaft stammen, die den grössten Mitgliederschwund zu beklagen hat und der es immer noch schwer fällt, ihrem Wesen fremde Kirchen zu akzeptieren.“ Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten – allerdings von einer eher unerwarteten Seite: Der aus dem grossen Kanton eingesickerte Raphael Rauch glaubte Markus Jost in „Lehrer-Lämpel-Pose“ mit erhobenem Zeigfinger schulmeistern zu müssen, gab sich „empört“, denn, so sein Kurzschluss: „Die Schweiz ist für ihr duales System zu beneiden“ (NZZ vom 4. Juli 2019). Das Bedürfnis, sich von einem Deutschen über das Schweizer Staatskirchenrecht aufklären zu lassen, hält sich zwar in Grenzen, hat aber in diesem Fall seinen Zweck voll und ganz erfüllt: Nämlich als Empfehlungsschreiben zuhanden des zukünftigen Co-Arbeitgebers, der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ), Finanzquelle Nr. 1 des katholischen Medienzentrums und damit der Internet-Plattform kath.ch. In der Tat: Nur wenig später wurde Raphael Rauch mit Wirkung vom 1. April 2020 zum neuen Redaktionsleiter von kath.ch ernannt.
„Forscher Kurs“
Sein „forscher Kurs irritiert“ überschrieb die NZZ (Ausgabe vom 7. Dezember 2020) ein Portrait über Redaktionsleiter Rauch – eine faustdicke Untertreibung! Einen ersten Höhepunkt seiner 'forschen' Journaille lieferte Rauch mit seiner Propaganda für die Konzernverantwortungsinitiative: „Hätte es damals (sprich während des zweiten Weltkriegs) ein Gesetz zur Konzernverantwortung gegeben, wäre es den Schweizer Banken deutlich schwerer gefallen, Hitlers mörderische Maschinerie zu finanzieren.“ Ein unsägliche Unterstellung, zu verstehen nur vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte: Angesichts des singulären Verbrechens des Holocausts muss die Versuchung übermächtig sein, die Schuld wenigstens partiell auf nicht deutsche Akteure abwälzen zu können. Rolf Hochhuts – wie wir heute wissen vom KGB bzw. der Stasi initiiertes Machwerk – „Der Stellvertreter“ lässt grüssen! Der bekannte Chefarzt und Theologe Manfred Lütz formulierte es so: „Der sozialpsychologische Impuls, sich von einem Teil der eigenen Geschichte zu distanzieren und andere dafür verantwortlich zu machen, führt freilich zu keinem gesunden Selbstbewusstsein und zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit. Das ist ein wesentlicher Grund für die besondere Aggressivität und Faktenresistenz der deutsche Kirchenkritik, die ganz generell im Angriff auf die Kirchengeschichte von vorgestern die Schuld der eigenen Eltern und Grosseltern von gestern leichter zu überstehen hilft.“ Und auch dies ist ein nicht untypischer deutscher Charakterzug: Das in echt kohlhaas'scher Manier stur-verbissene Festhalten an der eigenen Behauptung, sei sie auch noch so falsch und abwegig. So auch hier: Trotz Protesten des Schweizerischen Israelischen Gemeindebundes und des Bistums St. Gallen („Diese Art der Argumentation ist ungeheuerlich und völlig fehl am Platz“) konnte sich Rauch nicht zu einer Distanzierung, geschweige denn zu einer Entschuldigung für seine infame Unterstellung durchringen. Warum auch? Die von der RKZ und der Bischofskonferenz als gemeinsame Arbeitgeber ausgefertigte Abmahnung war derart pflaumenweich, dass sie in den Augen eines Kohlhaas-Jüngers vielmehr als Aufruf zu neuen Untaten missverstanden werden durfte.
Rauchs nächster Streich folgte prompt: Kaum hatte sich die Bischofskonferenz an ihrer Vollversammlung anfangs Dezember 2020 gegen die Gesetzesvorlage „Ehe für alle“ ausgesprochen, machte Rauch gegen diese überfällige Stellungnahme mobil. Die Hoffnung auf die „Ehe für alle“ sei in katholischen Kreisen gross, insinuierte Rauch. Die von ihm zur Untermauerung seiner Suggestiv-Behauptung aufgebotene Riege liest sich wie das „Who ist Who?“ der innerkirchlichen LGBT-Szene: „Ich freue mich riesig über diesen Entscheid“, so der homosexuelle Theologe und Herbert-Haag-Preisträger Pierre Stutz; „Wir vom Katholischen Frauenbund (SKF) hoffen, dass wir 2021 Hochzeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren in der Schweiz feiern können“, sekundiert die Protestantin Regula Ott, bekennende Lesbin und Co-Geschäftsleiterin des SKF. Simone Curau-Aeppli, Präsidentin des SKF, setzte noch einen drauf: „Der SKF spricht sich seit 2001 für eine zivile und kirchliche Ehe für alle aus und begrüsst auch die Spermienspende für lesbische Paare“ (!). Da mochte auch der Verein Adamin nicht abseits stehen. Für den Verband der homosexuellen Seelsorger in der Schweiz ist es „höchste Zeit, dass der Schweizer Staat seine Gesetze anpasst. Und die Kirchen, insbesondere die katholische Kirche, müssen ihre Sexualmoral entsprechend anpassen.“
Therapieresistenter Wiederholungstäter
Doch damit nicht genug: Am 18. Dezember feuerte Rauch eine weitere Breitseite gegen die Bischöfe ab. Im Beitrag „Ehe für alle – Christen kritisieren Bischöfe“ bietet er auch die protestantischen Hilfstruppen auf, um Giftpfeile gegen die Bischöfe abzuschiessen. Michael Braunschweig, Oberassistent an der Universität Zürich, der mit seinem Partner und zwei per Leihmutterschaft aus den USA georderten Zwillingen zusammenlebt, interpretierte die Oekumene auf seine, sprich protestantische Weise: Die Ablehnung der Samenspende für lesbische Paare durch die Bischofskonferenz habe zumindest „Unterhaltungswert, wenn man in Rechnung stellt, dass die Zentralfigur ihrer Glaubensdoktrin ja auch nicht mittels natürlicher Zeugung in die Welt kam.“
Besonders frappierend: In den genannten Artikeln kommt keine einzige Stimme zu Wort, die sich zugunsten der Bischöfe und damit auch des Lehramtes der Universalkirche aussprechen würde. Vor diesem Hintergrund klingt es wie blanker Hohn, wenn hehre Verlautbarungen rechtsverbindlich statuieren, dass Mitarbeiter der kirchlichen Medienzentren den Grundauftrag hätten, auf deren Plattformen „Informationsaustausch, Dialog und Debatte sicherzustellen“ und sich in ihrer Tätigkeit an den einschlägigen Dokumenten des kirchlichen Lehramtes (sic!) orientieren müssten (vgl. Rahmenstatut für die sprachregionale Medienarbeit der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz vom 4. August 2014).
Mit dieser einseitig-tendenziösen Journaille verletzt Rauch nicht nur in eklatanter Weise die Loyalitätspflichten gegenüber seinem Arbeitgeber, sondern verstösst auch gegen die Standesordnung der Schweizer Journalisten und Journalistinnen. Diese verpflichtet ihre Mitglieder insbesondere, sich vom Prinzip der Fairness leiten zu lassen und keine wichtigen Elemente von Informationen zu unterschlagen.
Zu allem Überdruss kann's Rauch aber nicht nur aggressiv, sondern auch primitiv: Zum Hochfest Maria Empfängnis liess er sich den Satz einfallen „Der Festtag wird oft à la 'Unbeleckte Empfängnis' (sic) verballhornt. Wie bitte? Hier in der Schweiz ist dem Unterzeichneten dieses Unwort jedenfalls noch nie zu Ohren gekommen. Es muss sich um ein ganz besonders bösartiges Covid-Geschwür handeln, das da Rauch aus dem grossen Kanton eingeschleppt hat. Offensichtlich ist da einer seinen eigenen Unterleibskonvulsionen zum Opfer gefallen.
Kündigung fällig
Es liegt auf der Hand: Redaktionsleiter Rauch wäre von einem zivilen Arbeitgeber in einem analogen Fall schon längst vor die Tür gesetzt worden. Dass er sich selbst zu einem solchen überfälligen Schritt durchringt, ist angesichts seiner Therapieresistenz kaum anzunehmen. Daran hindert ihn zum einen das tief in der deutschen Geschichte wurzelnde Sendungsbewusstsein (Deutschland als „Weltbeglücker und Heiland der Erde“, so der lutheranische Pastorensohn und als Turnvater in die Geschichte eingegangene Friedrich Ludwig Jahn), als nach den Nazi-Verbrechen nunmehr geläuterte Nation der ganzen Welt in hoch moralischem Duktus erneut den Pfad der Tugend weisen zu müssen. Exemplarisch für diese Neuauflage der alten Devise „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ steht das legendär gewordene Wort der Bundeskanzlerin Merkel „Wir schaffen das!“ Diese voreilige Anspielung auf die Flüchtlingskreise von 2015 sollte ungefragt die Botschaft vermitteln: „Wir sind Weltmeister der Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe“ (Katrin Göring-Eckardt) – und damit zum praeceptor mundi berufen. Der Historiker Heinrich August Winkler hat in seinem Buch „Wie wir wurden, was wir sind“ diesen Transformationsprozess vom Prügelknaben zum selbsternannten Musterschüler messerscharf analysiert. Auf die kirchenpolitische Ebene übertragen heisst dies: Die römisch-katholische Weltkirche soll sich bitte schön am synodalen (recte: suizidalen) Weg der deutschen Kirche ein Beispiel nehmen. Konkret glaubte Rauch Bischof Gmür mit der arroganten Feststellung schulmeistern zu müssen: 62 deutsche Bischöfe haben es geschafft, den synodalen Weg aufzugleisen, da sollten die 12 Schweizer Bischöfe dazu wohl auch in der Lage sein.
So überfällig sie wäre: Mit einer Kündigung Rauchs durch die zuständigen Instanzen ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen – zu gross ist die ideologische Übereinstimmung von Exponenten massgebender Gremien wie der RKZ, wie überhaupt dessen Ernennung von langer Hand in die Wege geleitet wurde. Letztere hat sich – nota bene als Inkasso-Verein ohne die geringste theologische Legitimation – für den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern für alle Gläubige ohne Rücksicht auf ihren Beziehungsstatus auf die Fahnen geschrieben. Das Portal kath.ch läuft so Gefahr, zum blossen Vehikel der LGBT-Lobby zu degenerieren.
Die Bereitschaft zu Ausgleich und Kompromiss gehören jedoch zum unaufgebbaren Bestand der Schweizer Kultur, insbesondere auch in kirchen-politischen Belangen. Polarisierende Dauerprovokationen in der Absicht, buchstäblich auf Teufel komm raus Klickzahlen und Reichweite in die Höhe zu treiben, sind da völlig fehl am Platz.
Bleibt da vorerst nur noch die Aufforderung an Kollege Rauch: Ab nach Hause! Angesichts des krassen Lohngefälles gewiss eine sportliche Herausforderung. Aber ebenso gewiss: Raphael Rauch wird diese Herausforderung souverän meistern.
Niklaus Herzog ist Theologe und Jurist; er war Geschäftsführer der Ethikkommission des Kantons Zürich und ist heute Richter am Interdiözesanen Gericht der Schweizer Bischofskonferenz.
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