Im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden

26. Februar 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder! Die Kirche in Afrika im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Freitag der ersten Woche der Fastenzeit: „Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“.

Die neuen Thesen

„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe!

Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist! Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und du wirst ins Gefängnis geworfen. Amen, ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast“ (Mt 5,20-26).

Das Jahr 2009 stand für Papst Benedikt XVI. ganz im Zeichen von Afrika. Zunächst die Reisen nach Kamerun und Angola – „Es war für mich bewegend, die große Herzlichkeit zu erleben, mit der der Nachfolger Petri, der „Vicarius Christi“, aufgenommen wurde. Die festliche Freude und die herzliche Zuneigung, die mir auf allen Straßen begegnete, galt ja nicht einfach irgendeinem zufälligen Gast.“

Und die Versöhnung stand dann im Mittelpunkt der Afrikasynode  (2009): „Zur Versöhnung gehört des weiteren die Fähigkeit, Schuld zu erkennen und um Vergebung zu bitten – Gott und den anderen Menschen. Zum Vorgang der Versöhnung gehört schließlich die Bereitschaft zur Buße, die Bereitschaft, Schuld auszuleiden und sich selbst ändern zu lassen. Und es gehört dazu die »gratuitas«, von der die Enzyklika ‚Caritas in veritate’ mehrfach spricht: die Bereitschaft, über das Notwendige hinauszugehen, nicht aufzurechnen, sondern weiterzugehen als die bloßen Rechtsverhältnisse es verlangen“.

Benedikt XVI., an das Kardinalskollegium, die Mitglieder der Römischen Kurie und des Governatorats beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009):

Die Synode hatte sich das Thema gestellt: „Die Kirche in Afrika im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden“. Dies ist ein theologisches und vor allem ein pastorales Thema von brennender Aktualität, aber es konnte auch als ein politisches Thema mißverstanden werden. Die Aufgabe der Bischöfe war es, die Theologie zur Pastoral zu machen, das heißt zu ganz konkretem Hirtendienst, in dem die großen Visionen der Heiligen Schrift und der Überlieferung praktisch angewandt werden auf das Wirken der Bischöfe und Priester in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort.

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Die Synode hat versucht, den Begriff Versöhnung als Auftrag an die Kirche von heute auszuleuchten und dabei auf seine verschiedenen Dimensionen aufmerksam gemacht. Der Ruf, den der hl. Paulus an die Korinther gerichtet hat, ist gerade heute von neuer Aktualität. »Wir sind Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!« (2 Kor 5,20). Wenn der Mensch mit Gott nicht versöhnt ist, ist er auch mit der Schöpfung im Unfrieden. Er ist unversöhnt mit sich selbst, möchte sich selbst als einen anderen haben und ist daher auch unversöhnt mit dem Nächsten. Zur Versöhnung gehört des weiteren die Fähigkeit, Schuld zu erkennen und um Vergebung zu bitten – Gott und den anderen Menschen. Zum Vorgang der Versöhnung gehört schließlich die Bereitschaft zur Buße, die Bereitschaft, Schuld auszuleiden und sich selbst ändern zu lassen. Und es gehört dazu die »gratuitas«, von der die Enzyklika »Caritas in veritate« mehrfach spricht: die Bereitschaft, über das Notwendige hinauszugehen, nicht aufzurechnen, sondern weiterzugehen als die bloßen Rechtsverhältnisse es verlangen. Es gehört dazu jene Großzügigkeit, die Gott selbst uns vorgemacht hat.

Denken wir an das Wort Jesu: Wenn du deine Gabe zum Altar bringst und du erinnerst dich, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, laß die Gabe liegen, brich auf, versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, und dann komm und bring deine Gabe (Mt 5,23f.). Gott, der uns unversöhnt wußte, der sah, daß wir etwas gegen ihn haben, ist aufgestanden und uns entgegengegangen, obwohl er allein im Recht war. Er ist uns entgegengegangen bis zum Kreuz hin, um uns zu versöhnen.

Das ist »gratuitas«: die Bereitschaft, zuerst aufzubrechen. Zuerst dem anderen entgegenzugehen, ihm die Versöhnung anzubieten, den Schmerz auf sich zu nehmen, der im Verzicht auf das eigene Rechthaben liegt. Nicht nachzulassen im Willen des Versöhnens: Das hat Gott uns vorgemacht, und dies ist die Weise, gottähnlich zu werden, die wir in der Welt immer von neuem brauchen. Wir müssen heute die Fähigkeit neu erlernen, Schuld anzuerkennen, den Unschuldswahn abzuschütteln. Wir müssen die Fähigkeit erlernen, Buße zu tun, uns ändern zu lassen; dem anderen entgegenzugehen und von Gott her uns den Mut und die Kraft zu solcher Erneuerung schenken zu lassen. In dieser unserer Welt von heute müssen wir das Sakrament der Buße und der Versöhnung neu entdecken. Daß es aus den Lebensvollzügen der Christen weitgehend verschwunden ist, ist ein Symptom für einen Verlust an Wahrhaftigkeit uns selbst und Gott gegenüber; ein Verlust, der unsere Menschlichkeit gefährdet und der unsere Friedensfähigkeit vermindert. Der hl. Bonaventura war der Meinung, daß das Sakrament der Buße ein Menschheitssakrament ist, das Gott in seinem wesentlichen Grund schon unmittelbar nach dem Sündenfall mit der Buße für Adam eingesetzt habe, auch wenn es seine ganze Gestalt erst in Christus erhalten konnte, der selbst die versöhnende Kraft Gottes ist und unsere Buße auf sich genommen hat. In der Tat, die Einheit von Schuld, Buße und Vergebung ist eine der Grundbedingungen der Menschlichkeit, die im Sakrament ihre volle Gestalt erhalten, aber von den Wurzeln her zum Menschsein als solchem gehören.

Die Bischofssynode für Afrika hat deshalb mit Recht Versöhnungsrituale der afrikanischen Tradition mit in ihre Betrachtungen einbezogen als Lernorte und Vorbereitungen für die große Versöhnung, die Gott uns im Bußsakrament schenkt. Diese Versöhnung braucht aber den weiten Vorhof der Anerkenntnis von Schuld und der Demut des Büßens. Versöhnung ist ein vorpolitischer Begriff und eine vorpolitische Realität, die gerade so von höchster Bedeutung für die Aufgabe der Politik selbst ist. Wenn nicht in den Herzen die Kraft des Versöhnens geschaffen wird, fehlt dem politischen Ringen um den Frieden die innere Voraussetzung. In der Synode haben sich die Hirten der Kirche um jene innere Reinigung des Menschen gemüht, die die wesentliche Voraussetzung für den Aufbau der Gerechtigkeit und des Friedens darstellt. Diese innere Reinigung und Reifung zu wahrer Menschlichkeit gibt es aber nicht ohne Gott.

 


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