Gebet für die Kriegsopfer, Mossul, Hosh al-Bieaa

7. März 2021 in Aktuelles


Franziskus: ein intensiver Moment des Gebets an einem Ort des Martyriums, Wenn Gott der Gott des Friedens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, in seinem Namen Krieg zu führen


Rom (kath.net) Um 10:00 Uhr Ortszeit (8:00 Uhr MEZ) traf Papst Franziskus in Hosh-al-Bieaa, dem Platz der vier zwischen 2014 und 2017 durch Terroranschläge zerstörten Kirchen (syrisch-katholisch, armenisch-orthodox, syrisch-orthodox und chaldäisch), zum Gebet für die Opfer des Krieges ein.

Bei seiner Ankunft wurde der Papst vom Erzbischof von Mosul und Aqra der Chaldäer, Erzbischof Najeeb Michaeel, O.P., begrüßt, mit dem er das Zentrum von Hosh-al-Bieaa erreichte.

Nach der einleitenden Begrüßung durch den Erzbischof und den Zeugnissen eines Priesters und eines Sunniten richtete Papst seine Grüße an die Anwesenden und sprach ein Gebet zum Gedenken an die Opfer des Krieges.

Am Ende des Gebetsmoments, nach der Enthüllung der Gedenktafel, die an den Besuch erinnert, und nach dem Schlusssegen, begrüßte Franziskus, bevor er den Platz verlließ, einige religiöse und zivile Persönlichkeiten. Dann fuhr er mit dem Auto zum Flugplatz und nahm nach der Verabschiedung des Erzbischofs von Mosul und der Aqra der Chaldäer sowie des Gouverneurs von Mosul einen Hubschrauber nach Qaraqosh.

Grußwort vor dem Gebet für die Kriegsopfer, Mossul, Hosh al-Bieaa:

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Freunde!

Ich danke Erzbischof Najeeb Michaeel für seine Begrüßungsworte und bin besonders dankbar für die berührenden Zeugnisse von Schwester Autour Youssef und Herrn Gutayba Aagha.

Vielen Dank, Schwester Autour. Sie haben uns von der Zwangsevakuierung vieler christlicher Familien aus ihren Häusern erzählt. Das tragische Verschwinden der Jünger Christi hier und im ganzen Nahen Osten ist ein unermesslicher Schaden nicht nur für die betroffenen Menschen und Gemeinschaften, sondern für die Gesellschaft selbst, welche sie hinter sich lassen. Tatsächlich wird ein kulturelles und religiöses Gefüge, das in seiner Vielfalt so reich ist, durch den Verlust eines jeden Mitglieds geschwächt, und sei es auch noch so klein.

Wie in einem eurer kunstvollen Teppiche kann ein ausgerissener Faden dem Ganzen schaden. Sie, Schwester, haben auch über die grauenvolle Erfahrung gesprochen, entführt worden zu sein, und darüber, wie es dennoch möglich war, fest im Glauben für Gott und die Würde und Gleichheit all seiner Kinder Zeugnis abzulegen. Danke, Schwester, dass sie in dieser jüngeren Vergangenheit ein Licht entzündet haben und uns damit zeigen, dass es möglich ist, auf die Versöhnung und auf ein neues Leben zu hoffen.

Herr Aagha, Sie haben daran erinnert, dass die wahre Identität dieser Stadt im harmonischen Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen besteht. Daher nehme ich sehr wohlwollend ihre Einladung in Empfang, dass die christliche Gemeinschaft nach Mossul zurückkehren möge, um die vitale Rolle einzunehmen, die ihr im Sanierungs- und Erneuerungsprozess zukommt.

Heute erheben wir unsere Stimmen im Gebet zum allmächtigen Gott für alle Opfer des Krieges und der bewaffneten Konflikte. Hier in Mossul sind die tragischen Konsequenzen des Krieges und der Feindseligkeiten allzu sichtbar. Wie grausam ist es, dass dieses Land als Wiege der Zivilisation von einem so unmenschlichen Sturm heimgesucht worden ist, der antike Kultstätten zerstört hat und Abertausende von Menschen – Moslems, Christen, Jesiden und andere – gewaltsam vertrieben oder getötet hat!

Heute bekräftigen wir nichtsdestotrotz erneut unsere Überzeugung, dass die Geschwisterlichkeit stärker ist als der Brudermord, dass die Hoffnung stärker ist als der Tod, dass der Friede stärker ist als der Krieg. Diese Überzeugung spricht mit mächtigerer Stimme als jene des Hasses und der Gewalt; und sie wird niemals durch das vergossene Blut erstickt werden können, das von jenen verursacht wird, die den Namen Gottes verkehren, indem sie Wege der Zerstörung beschreiten.

kath.net veröffentlicht das Gebet für die Kriegsopfer von Papst Franziskus, Mossul, Hosh al-Bieaa:

Einführende Worte des Heiligen Vaters

Vor meinem Gebet für alle Kriegsopfer in dieser Stadt Mossul, im Irak und im gesamten Nahen Osten möchte ich mit euch folgende Gedanken teilen:

Wenn Gott der Gott des Lebens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten.

Wenn Gott der Gott des Friedens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, in seinem Namen Krieg zu führen.

Wenn Gott der Gott der Liebe ist – und das ist er –, dann dürfen wir die Brüder und Schwestern nicht hassen.

Lasst uns nun gemeinsam für alle Opfer des Krieges beten, dass der allmächtige Gott ihnen ewiges Leben und nie endenden Frieden schenke und sie liebevoll in seine Arme nehme. Wir wollen auch für uns alle beten, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können, in dem Bewusstsein, dass wir in den Augen Gottes alle Brüder und Schwestern sind.

Gebet

Höchster Gott, Herr über die Zeit und über die Geschichte, du hast die Welt aus Liebe erschaffen und du hörst nie auf, deinen Segen über deine Geschöpfe auszugießen. Jenseits des Ozeans von Leid und Tod, jenseits der Versuchungen von Gewalt, Ungerechtigkeit und ungerechtem Gewinn, begleitest du deine Söhne und Töchter mit der zärtlichen Liebe eines Vaters.

Wir Menschen aber sind undankbar gegenüber deinen Gaben. Von unseren Sorgen und allzu irdischen Ambitionen abgelenkt, haben wir deine Pläne des Friedens und der Harmonie nicht immer erkannt. Wir haben uns in uns selbst und in unseren Eigeninteressen verschlossen. Dir und unseren Mitmenschen gegenüber gleichgültig, haben wir die Türen zum Frieden verriegelt. Damit wiederholt sich, was dem Propheten Jona über Ninive gesagt wurde: Die Schlechtigkeit der Menschen ist zum Himmel hinaufgedrungen (vgl. Jona 1,2). Wir haben unsere Hände nicht in Reinheit zum Himmel erhoben (vgl. 1 Tim 2,8), sondern von der Erde ist wieder einmal der Schrei unschuldigen Blutes aufgestiegen (vgl. Gen 4,10). Die Bewohner von Ninive hörten, wie es in der Geschichte von Jona heißt, auf die Stimme deines Propheten und fanden Rettung in der Umkehr. Wenn wir dir, Herr, nun die vielen Opfer des Hasses unter den Menschen anvertrauen, bitten auch wir dich um Vergebung und erflehen die Gnade der Umkehr:

Kyrie eleison! Kyrie eleison! Kyrie eleison!

[kurze Stille]

Herr, unser Gott, in dieser Stadt bezeugen zwei Symbole die immerwährende Sehnsucht der Menschheit, sich dir zu nähern: die Al-Nuri-Moschee mit ihrem Al-Hadba-Minarett und die Kirche Unserer Lieben Frau von der Uhr. Diese Uhr erinnert alle Vorübergehenden seit mehr als hundert Jahren daran, dass das Leben kurz und die Zeit kostbar ist. Lehre uns verstehen, dass du uns deinen Plan der Liebe, des Friedens und der Versöhnung anvertraut hast, damit wir ihn in der Zeit, in der kurzen Spanne unseres irdischen Lebens verwirklichen können. Lass uns verstehen, dass es nur dann möglich sein wird, diese Stadt und dieses Land wiederaufzubauen und die vom Schmerz zerrissenen Herzen zu heilen, wenn wir deinen Plan der Liebe ohne Umschweife in die Tat umsetzen. Hilf uns, unsere Zeit nicht allein mit unseren egoistischen Interessen zu verbringen, die wir als Einzelne oder als Gruppe verfolgen, sondern im Dienst deines Plans der Liebe. Und wenn wir in die Irre gehen, dann lass uns auf die Stimme der wahren Gottesmänner hören und rechtzeitig in uns gehen, damit wir nicht wieder von Zerstörung und Tod überwältigt werden.

Für diejenigen, deren irdisches Leben durch die gewaltsame Hand ihrer Brüder und Schwestern verkürzt wurde, flehen wir um dein Erbarmen:

Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis.

Requiescant in pace. Amen.

 


© 2021 www.kath.net