Experte: Kirche sollte mehr Familien heiligsprechen

13. März 2021 in Familie


Bisher erst 60 heilige Ehepaare in der Kirchengeschichte - Früherer Vatikan-Konsultator und Martyrologiums-Herausgeber Moll: Franziska Jägerstätter wäre geeignete Kandidatin für Seligsprechung - "Heilige Ehepaare haben in der Kirche keine Lobby"


Wien/Köln (kath.net/KAP) In der katholischen Kirche sind heilige Ehepaare und Familien "Mangelware": Nur 60 Ehepaare findet man unter ihren 6.600 Heiligen, einzelne davon auch mit Österreich-Bezug. Im Vatikan ist man sich dieses Rückstandes schon länger bewusst und versucht entgegenzusteuern, hat Prälat Helmut Moll, früherer Konsultor an der römischen Heiligsprechungskongregation und Herausgeber des "Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts", dargelegt. "Die Kirche braucht Ehepaare als Vorbilder und Modell - erst recht in Zeiten, in denen viele Ehen in Krise geraten und zerbrechen", sagte der 76-jährige Geistliche am Mittwoch der Nachrichtenagentur Kathpress anlässlich des am 19. März beginnenden "Jahres der Familie".

"Heilige Ehepaare haben in der Kirche keine Lobby. Sie leben im Verborgenen, stehen nicht in der Öffentlichkeit wie etwa Priester und haben keine großen Gemeinschaften, Orden oder Unternehmen hinter sich, die eine Selig- oder Heiligsprechung anstreben", liegt für Moll auf der Hand. In seinen zehn Jahren als Vatikan-Konsultor hat der Prälat das Drängen von Johannes Paul II. miterlebt, "ein Ehepaar zur Seligsprechung zu führen". Dies gelang am 21. Oktober 2001. Die damals neuen Seligen Luigi Beltrame Quattrocchi und Maria Corsini bezeichnete der inzwischen selbst heilige Papst bei diesem Anlass als Beweis, "dass der gemeinsame Weg zur Heiligkeit als Ehepaar möglich und schön ist; und er ist außerordentlich fruchtbar und entscheidend für das Wohl der Familie, der Kirche und der Gesellschaft".

Die meisten der 60 heiligen Ehepaare sind Märtyrer aus der römischen Frühzeit oder aus den - im Westen kaum bekannten - japanischen und koreanischen Christenverfolgungen des 16. bis 18. Jahrhunderts. "Damals wurden sogar Eltern mit ihren Kindern wegen ihres religiösen Bekenntnisses in den Tod geschickt", berichtete Moll, der 2016 das mit einem Vorwort von Kardinal Christoph Schönborn versehenen Heft "Selige und heilige Ehepaare" (Dominus-Verlag, Augsburg) verfasst hat. Weithin im kirchlichen Bewusstsein sind hingegen Zelie und Louis Martin: Die Eltern der heiligen Therese vom Kinde Jesus wurden 2015 von Papst Franziskus heiliggesprochen; auch für Thereses Schwester Leonie läuft ein Seligsprechungsprozess.

Weitet man den Blick auf die Seliggesprochenen, so gibt es mit dem heiligen Stephan I. von Ungarn (975-1038) und seiner seliggesprochenen Gemahlin Gisela von Bayern (984-1060) auch ein Beispiel aus dem Gebiet des späteren Österreich-Ungarn. Diese Zahl könnte sich in den nächsten Jahren erhöhen: Seit 2009 läuft in der französischen Diözese Le Mans das Verfahren zur Seligsprechung von Kaiserin Zita Habsburg-Lothringen (1892-1989), deren Gatte Karl I. (1887-1922) bereits 2004 zur Ehre der Altäre erhoben wurde.

Ehegatten der Heiligen

Nicht berücksichtigt sind im römischen Heiligenverzeichnis die "tausenden Ehepaare, bei denen einer der beiden Eheleute heilig- oder seliggesprochen wurde", bemerkte Experte Moll; der Beitrag des Gatten bzw. der Gattin sei oft zu wenig beachtet worden, wie etwa bei der Frau des Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von der Flüe (1417-1487), Dorothea. Als vergleichbare Beispiele aus der jüngeren österreichischen Geschichte nannte Moll hier auch den Arzt Ladislaus Batthyany-Strattmann (1870-1931), die Sozialpolitikerin und Ordensgründerin Hildegard Burjan (1883-1933), sowie den NS-Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter (1907-1943).

Die erst vor acht Jahren verstorbene Jägerstätter-Gattin Franziska (1913-2013) wäre laut Moll, der ihr zu Lebzeiten in ihrem Heimatort St. Radegund auch persönlich begegnet ist, eine denkbare Kandidatin für eine Seligsprechung, denn: "Sie hat die Schwierigkeiten ihres Mannes mitgetragen und ist in Freude und Leid hinter ihm gestanden - auch in den vielen Jahrzehnten nach seinem Tod." Der "zündende Funke" der Verfahrens-Eröffnung müsse aber aus Linz kommen. Dort hat man zwar ein Jägerstätter-Institut eingerichtet, dabei blieb es aber bisher.

Orientierungsgeber gesucht

Die Suche geht für den deutschen Heiligen-Biograf somit weiter. "Wir müssen  auch weiterhin Ehepaare finden, die für die Weltkirche authentisch zum Ausdruck bringen, was eine Ehe ausmacht: Menschen, die miteinander und mit Gott einen Bund schließen, diesen in Wahrheit und Liebe leben, Treue und Selbsthingabe an den Tag legen und zeigen, was Hauskirche und verantwortete Elternschaft ist." Allen Eheleuten von heute legte Prälat Moll nahe, "die heiligen Ehepaare um Fürsprache in ihren Nöten anzurufen". Für die Kirche seien diese "Orientierungsgeber" ein großer Schatz - "erst recht für Paare, die es schwer miteinander haben, die geschieden oder deren Beziehung auseinandergebrochen ist".

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