‚Widerspricht dem Kirchenrecht’: Kardinal Burke gegen Neuregelung der Einzelzelebration im Petersdom

16. März 2021 in Weltkirche


Das Dokument sei aus formalen und inhaltlichen Gründen abzulehnen, schreibt der ehemalige Präfekt der Apostolischen Signatur - Die Stellungnahme im WORTLAUT


Rom (kath.net/jg)

Raymond Kardinal Burke, der ehemalige Präfekt der Apostolischen Signatur, hat in einer Stellungnahme die geplante Neuregelung der Einzelzelebrationen („Privatmessen“) im Petersdom scharf kritisiert. Das Dokument berechtige in Form und Inhalt zur „tiefsten Sorge der Gläubigen und vor allem der Priester“.

Das Staatssekretariat, dessen Erste Sektion das Dokument erlassen hat, sei für die liturgische Disziplin der Kirche „und insbesondere für die liturgische Disziplin an der Basilika St. Peter im Vatikan“ gar nicht zuständig, schreibt Kardinal Burke. Er kritisiert, dass das Dokument formalen Kriterien nicht entspreche. Es sei nicht unterschrieben und weise keine Protokollnummer auf. Der Petersdom habe jetzt einen Kardinal-Erzpriester, dem aber das betreffende Dokument gar nicht offiziell zugestellt worden sei, bemängelt Kardinal Burke.

Das Dokument des Staatssekretariats schreibe den Priestern, die im Petersdom zelebrieren wollen, die Konzelebration vor. Das widerspreche dem Kirchenrecht, fährt er fort. Jeder Priester habe das Recht, die heilige Messe einzeln zu feiern. Es handle sich dabei „auch um eine große geistliche Frucht für die ganze Kirche“, da die „unendlichen Verdienste des hl. Messopfers in einer unserer endlichen und zeitlichen Natur angemessenen Weise stärker und umfassender zur Anwendung kommen.“ Burke erinnert in diesem Zusammenhang an das Konzil von Trient, das Einzelzelebrationen „nicht als private und unerlaubte Messen“ verurteile, sondern als „wahrhaft gemeinschaftliche Messen“ betrachte. Einerseits könne das Volk in ihnen geistlich kommunizieren, andererseits feiere der Priester nie für sich allein, sondern für alle Gläubigen, die zum Leib Christi gehören. Auch wenn physisch niemand anwesend sei, würden die Engel und die Heiligen bei jeder Messe assistieren, betont der Kardinal.

Die außerordentliche Form des Römischen Messritus soll nach dem Dokument des Staatssekretariats nur mehr an vier Zeiten in der Klementinischen Kapelle des Petersdoms zelebriert werden. Das widerspreche dem Kirchenrecht, schreibt Kardinal Burke, da jeder Priester das Recht habe, die Messe in der außerordentlichen Form zu feiern und man nicht davon ausgehen könne, dass es an jedem Tag nur vier Priester geben werde, die dies auch tun wollten.

Das Dokument sollte daher noch vor seinem geplanten Inkrafttreten am 22. März wieder aufgehoben werden, schreibt Kardinal Burke.

 

Die Stellungnahme von Kardinal Burke im WORTLAUT:

 

Am 12. März 2021 hat die Erste Sektion (für die Allgemeinen Angelegenheiten) des Staatssekretariats von Papst Franziskus ein Dokument veröffentlicht, das bestimmte Anordnungen bezüglich der Darbringung der hl. Messe in der päpstlichen Basilika Sankt Peter im Vatikan enthält. Das Dokument richtet sich an den außerordentlichen Kommissar der Dombauhütte von St. Peter (Commissario Straordinario della Fabbrica di San Pietro), das für die Pflege der päpstlichen Basilika zuständige kanonische Institut, an die Kanoniker des Vatikankapitels (Canonici del Capitolo Vaticano) und an das Amt für liturgische Feiern der Basilika (Servizio Celebrazioni liturgiche della Basilica). Sowohl die Form als auch der Inhalt des Dokuments berechtigen zu der tiefsten Sorge der Gläubigen und v.a. der Priester. Diese Sorge richtet sich nicht nur auf die päpstliche Basilika St. Peter, sondern auch auf die Weltkirche, da die päpstliche Basilika St. Peter in besonderer Weise die geistliche Heimat aller Katholiken ist und als solche ein Vorbild für die liturgische Disziplin der Teilkirchen sein sollte.

Was die Form des Dokuments betrifft, so gibt es mehrere Bedenken.

1) Es handelt sich um ein nicht unterschriebenes Dokument der Ersten Sektion des Staatssekretariats, ohne Protokollnummer, das den heiligsten Aspekt des kirchlichen Lebens, die Feier der hl. Messe, regeln soll. Es trägt das Siegel der Ersten Sektion mit Initialen. Obwohl das Dokument authentisch, d.h. nicht gefälscht zu sein scheint, kann man nicht davon ausgehen, dass es ein Dokument ist, das gültige Rechtsvorschriften für die Heilige Liturgie enthält.

2) Das Staatssekretariat ist nicht zuständig für die liturgische Disziplin der Kirche und insbesondere für die liturgische Disziplin an der Basilika St. Peter im Vatikan. Mit Recht fragt man, mit welcher Autorität das Staatssekretariat Richtlinien erlassen hat, die der Disziplin der Weltkirche widersprechen. Eine weitere Frage betrifft den Prozess, der zur Veröffentlichung eines solchen anomalen Dokuments geführt hat.

3) Angesichts der Inkompetenz des Staatssekretariats in dieser Angelegenheit haben die Gläubigen das Recht zu erfahren, welche zuständige Autorität dem Staatssekretariat das Mandat erteilt hat, die Heilige Liturgie zu regeln, d.h. Richtlinien für die Abhaltung der hl. Messe in der päpstlichen Basilika St. Peter zu erlassen.

4) Die päpstliche Basilika St. Peter im Vatikan hat jetzt einen Kardinal-Erzpriester, aber das betreffende Dokument wird ihm nicht offiziell mitgeteilt. Es wird auch nicht auf seine Verantwortung für die liturgische Disziplin in der ihm anvertrauten Basilika hingewiesen.

Auch der Inhalt des Dokuments gibt Anlass zu tiefster Besorgnis.

1) Das Dokument unterstellt, dass die hl. Messen in der Basilika St. Peter gegenwärtig in einer Atmosphäre angeboten werden, der es in gewissem Maße an innerer Sammlung und liturgischem Dekorum ("di raccoglimento e di decoro") mangelt. Dies ist sicherlich nicht meine Erfahrung. Ich kenne viele Priester, die in Rom leben und Rom besuchen, die die hl. Messe im Petersdom gefeiert haben oder regelmäßig feiern. Während sie mir gegenüber ihre tiefe Dankbarkeit für die Möglichkeit ausgedrückt haben, die hl. Messe in der Basilika zu feiern, haben sie mit keiner Bemerkung angedeutet, dass die Atmosphäre, in dem sie die hl. Messe in der Basilika gefeiert haben, in irgendeiner Weise die Ehrfurcht, die innere Sammlung und die Würde vermissen ließ, die dem Sakrament der Sakramente gebührt.

2) Das Dokument schreibt den Priestern, die die hl. Messe im Petersdom darbringen wollen, die Konzelebration vor, was dem universalen Kirchenrecht widerspricht und die primäre Pflicht des einzelnen Priesters, täglich die hl. Messe für das Heil der Welt darzubringen, ungerechtfertigt beeinträchtigt (Can. 902). In welcher Kirche würde ein Priester mehr als in der Basilika St. Peter die hl. Messe darbringen wollen, die die vollkommenste und umfassendste Art und Weise ist, in der er seine priesterliche Sendung ausübt. Wenn ein einzelner Priester die hl. Messe in der Basilika darbringen möchte, wird er, sobald die betreffenden Richtlinien in Kraft sind, gezwungen sein, zu konzelebrieren, was gegen seine Freiheit verstößt, die hl. Messe individuell darzubringen.

3) Was die individuelle Darbringung der heiligen Messe betrifft, so ist zu beachten, dass es sich nicht nur um ein Recht des Priesters handelt, sondern auch um eine große geistliche Frucht für die ganze Kirche, da die unendlichen Verdienste des hl. Messopfers in einer unserer endlichen und zeitlichen Natur angemessenen Weise stärker und umfassender zur Anwendung kommen. Es ist hilfreich, über die Lehre des Konzils von Trient nachzudenken, die sich auf die Situation eines Priesters bezieht, der die hl. Messe darbringt, ohne dass irgendein Mitglied der Gläubigen die heilige Kommunion empfängt. Bezüglich der Teilnahme der Gläubigen an der hl. Messe lehrt das Konzil: "Das heilige Konzil möchte gewiss, dass die bei jeder Messe anwesenden Gläubigen nicht nur durch geistliche Andacht, sondern auch durch den sakramentalen Empfang der Eucharistie an ihr teilnehmen, damit die Früchte dieses heiligsten Opfers ihnen in vollem Umfang zuteilwerden." Weiter heißt es: "Wenn dies aber nicht immer geschieht, so verurteilt das Konzil deshalb nicht als private und unerlaubte Messen [Can. 8], in denen nur der Priester kommuniziert. Vielmehr billigt und lobt es sie, denn auch sie sind als wahrhaft gemeinschaftliche Messen zu betrachten, zum einen, weil das Volk in ihnen geistlich kommuniziert, zum anderen, weil sie von einem offiziellen Diener der Kirche gefeiert werden, nicht für sich allein, sondern für alle Gläubigen, die zum Leib Christi gehören" (Session XXII, Kapitel 6). Es ist ferner zu beachten, dass ein Priester die hl. Messe niemals allein darbringt, auch wenn sonst niemand physisch anwesend ist, denn die Engel und die Heiligen assistieren bei jedem heiligen Messopfer (Can. 903).

4) In Bezug auf die Außerordentliche Form des Römischen Ritus, die das Dokument fälschlicherweise den Außerordentlichen Ritus nennt, spricht das Dokument von "autorisierten Priestern", aber kein Priester mit gutem Ruf braucht eine Autorisierung, um die hl. Messe nach der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus zu feiern (Motu Proprio Summorum Pontificum, Art. 2). Darüber hinaus beschränkt das Dokument die Darbringung der hl. Messe nach der Außerordentlichen Form oder dem Usus Antiquior des Römischen Ritus in der päpstlichen Basilika St. Peter auf die Klementinische Kapelle, und zwar auf vier festgelegte Zeiten. Soll also angenommen werden, dass jeden Tag nur vier Priester die hl. Messe nach dem Usus Antiquior in der päpstlichen Basilika St. Peter feiern dürfen? Da das universale Kirchenrecht dem einzelnen Priester unter solchen Umständen erlaubt, die hl. Messe entweder nach der Ordentlichen Form (Usus Recentior) oder nach der Außerordentlichen Form (Usus Antiquior) zu feiern, verstößt die fragliche Richtlinie direkt gegen das universale Kirchenrecht.

5) Das Dokument schreibt auch vor, dass die konzelebrierten Messen durch den Dienst von Lektoren und Kantoren liturgisch belebt werden (siano animate liturgicamente). Die liturgische Disziplin der Kirche sieht zwar den Dienst von Lektoren und Kantoren vor, doch ist es nicht ihre Aufgabe, die Heilige Liturgie zu beleben. Christus allein, in dessen Person der Priester handelt, belebt die Heilige Liturgie. Aus diesem Grund sollte man nicht denken, dass die individuelle Darbringung der hl. Messe irgendwie weniger beseelt sei - im wahren geistlichen Sinn - als die konzelebrierte Messe.

6) Um des katholischen Glaubens und um der rechten Ordnung der Heiligen Liturgie willen, die der höchste und vollkommenste Ausdruck des Lebens der Kirche in Christus ist, sollte das betreffende Dokument sofort, d.h. vor seinem geplanten Inkrafttreten am 22. März dieses Monats, aufgehoben werden. Darüber hinaus sollte das Denken, das einem solchen Dokument zugrunde liegt, korrigiert und gleichzeitig die Disziplin der Gesamtkirche und die ihr zugrundeliegende liturgische Lehre den Gläubigen dargelegt werden.

Schließlich erkennt die kirchliche Disziplin das Recht, ja die Pflicht der Christgläubigen an, ihren Hirten ihre Besorgnis über Angelegenheiten, die das Wohl der Kirche betreffen, mitzuteilen, und ebenso, diese Besorgnis allen Christgläubigen mitzuteilen (Can. 212 § 3). In Anbetracht des Ernstes der Situation, die das fragliche Dokument darstellt, hoffe ich, dass viele der Christgläubigen, für die der Petersdom in einem besonderen Sinn ihre Mutterkirche ist, und v.a. viele Priester aus der ganzen Welt Papst Franziskus und seinem Staatssekretariat ihren starken Einspruch gegen das fragliche Dokument kundtun werden.

Raymond Leo Kardinal BURKE

Rom, 13. März 2021

 

Anmerkung: Die Veröffentlichtung im WORTLAUT erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung des Kardinals!


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