18. März 2021 in Deutschland
Rechtsgutachten zum Umgang des Bistums mit sexualisierter Gewalt vorgestellt: Strafrechtler Gercke sieht bei Kardinal Woelki keine Fehler - Hamburger Erzbischof Heße wird massiv belastet - UPDATE: Weihbischof Schwaderlapp bietet Rücktritt an! - VIDEO
Köln (kath.net)
Der Strafrechtler Björn Gercke hat in seinem heute veröffentlichten Gutachten zum Umgang des Erzbistums Köln mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs keine Pflichtverletzungen bem Kölner Erzbischof Rainer Kardinal Woelki festgestellt. Laut Gercke soll es insgesamt 202 Fälle sexueller Gewalt geben. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße wird in dem Gutachten hingegen massiv belastet. Dem ehemaligen Kölner Generalvikar werden insgesamt elf Pflichtverletzungen vorgeworfen. Heße habe mehrfach gegen seine Aufklärungs- und Meldepflicht verstoßen. Pflichtverletzungen werden im Gutachten auch beim früheren Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (inzwischen verstorben) und dem Kölner Weihbischof Dominik Schwaderlapp festgestellt.
Die Opfer waren laut dem Gutachten mehrheitlich Jungen. Bei 63 Prozent der Beschuldigten handele es sich um Priester. Bei 32 Prozent der Fälle habe es sich um sexuellen Missbrauch gehandelt, in gut 15 Prozent um schweren sexuellen Missbrauch. Gercke hat mit seinem Team die Kirchenakten von 1975 bis 2018 ausgewertet.
Kardinal Woelki hat nach der Pressekonferenz angekündigt, den Kölner Weihbischof Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher mit sofortiger Wirkung vorläufig von ihren Aufgaben zu entbinden. Dann müsse laut Woelki alles weiter geklärt werden. "Höchste Verantwortungsträger, auch meine Vorgänger haben sich vielfach klar schuldig gemacht", so der Kardinal. Weihbischof Schwaderlapp hat heute zu Mittag Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten - (PFD-Dokument - Das Schreiben von Bischof Schwaderlapp)
UPDATE: Link zur Homepage des Erzbistums Köln mit drei pdf-Dateien zum heutigen Gutachen
Kardinal Woelki stellt im Gutachten genannte Verantwortungsträger frei
Unabhängige Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln vorgestellt
Köln. Die Kölner Strafrechtsexperten Prof. Dr. Björn Gercke und Frau Dr. Kerstin Stirner haben in einer Pressekonferenz die vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki in Auftrag gegebene „Unabhängige Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln“ vorgestellt. Das Gutachten behandelt den Zeitraum von 1975 bis 2018 und untersucht 236 Aktenvorgänge im Detail mit dem Ziel, etwa bestehende Defizite und Rechtsverstöße sowie die hierfür Verantwortlichen möglichst konkret zu benennen.
Als erste Reaktion stellte Kardinal Woelki die dabei genannten Personen von ihren Aufgaben vorläufig frei: Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp und Offizial Dr. Günter Assenmacher.
Wie Kardinal Woelki im Voraus mehrfach angekündigt hatte, ging und geht es ihm bei der Aufarbeitung vor allem darum, für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs Klarheit und – soweit das möglich ist – Gerechtigkeit zu schaffen. Im Anschluss an die Vorstellung des Gutachtens durch die Anwälte erhielt Kardinal Woelki ein Exemplar des Gutachtens. Ein weiteres übergaben die Gutachter an Peter Bringmann-Henselder vom Betroffenenbeirat des Erzbistums, der sich dazu äußerte: „Auf diesen wichtigen Schritt der Aufklärung mussten wir lange, zu lange als Betroffene warten. Aber ich bin heute froh, dass zumindest dieses erste Versprechen gehalten wurde.“
Nach der Übergabe des Gutachtens nahm Kardinal Woelki zu den präsentierten Ergebnissen wie folgt Stellung: „Die von Professor Gercke genannten Vorfälle und Vorgänge treffen mich zutiefst. Geistliche haben sich schuldig gemacht, indem sie ihnen anvertrauten Menschen Gewalt zugefügt haben. Und das in vielen Fällen ohne dafür bestraft zu werden und – umso schlimmer – ohne dass die von dieser Gewalt Betroffenen ernst genommen und geschützt wurden. Das ist Vertuschung. […] Eine erste Zusage ist damit aber endlich eingelöst: Aufzudecken was war und was ist. Vertuschung aufzuklären und die Namen der Verantwortlichen zu nennen.”
Die Freistellungen erfolgten auf Basis der von Prof. Gercke zusammengefassten Einschätzungen und Auswertungen. In den nächsten Tagen folgen Personalgespräche, um die sich aus dem Gutachten ergebenden Konsequenzen für die genannten Verantwortungsträger zu klären.
In der Pressekonferenz stellte Professor Gercke die Methodik und den Aufbau des über 800 Seiten langen Gutachtens vor. Seine Bilanz über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln innerhalb dieses Zeitraums: „Wir sind auf ein System der Unzuständigkeit, der fehlenden Rechtsklarheit, der fehlenden Kontrollmöglichkeiten und der Intransparenz gestoßen, das Geheimhaltung jedenfalls begünstigte und an dem viele Beteiligte mitwirkten, auch außerhalb des Erzbistums Köln. Dementsprechend dürfte nicht von „systematischer Vertuschung“ durch Verantwortungsträger des Erzbistums Köln zu sprechen sein, wohl aber von „systembedingter oder systeminhärenter Vertuschung“
Die Mitglieder des Betroffenenbeirats erhielten als erste das Gutachten. Ab heute 13 Uhr wird das Gutachten dann auf der Website des Erzbistums für die Öffentlichkeit vollständig zugänglich gemacht.
Am 23. März gibt es, nach der Lektüre und Auswertung des Gutachtens, eine zweite Pressekonferenz, bei der weitere Konsequenzen vorgestellt werden, vor allem in den Bereichen weitere Aufarbeitung, Intervention und Prävention. Dann wird Kardinal Woelki, der das Gutachten heute erhalten hat, gemeinsam mit seinem Generalvikar Dr. Markus Hofmann detaillierter zu den Inhalten und Konsequenzen des Gutachtens Stellung nehmen können. Diese Vorgehensweise war schon bei der Beauftragung so vereinbart, um Interessenskonflikte und eine Einflussnahme zu verhindern. Eine Einladung zur Pressekonferenz am 23. März erfolgt gesondert.
VIDEO - Pressekonferenz: Gutachten zur sexualisierten Gewalt im Erzbistum Köln
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