23. März 2021 in Spirituelles
„Er selbst, Michel Aupetit, der tatkräftig engagierte, voller Leben sprühende Pariser Oberhirte und Seelsorger, ist das krasse Gegenteil eines Pantouflards, eines Stubenhockers.“ Er wird heute 70 Jahre „alt“. Gastbeitrag von Juliana Bauer
Paris (kath.net) Heute, am 23. März, wird Erzbischof Michel Aupetit 70 Jahre alt. Eigentlich widerstrebt es mir das Adjektiv „alt“ zu verwenden, viel geeigneter ist für ihn der Ausdruck „70 Jahre jung“, „ermöglicht“ ihm doch „der Heilige Geist … ein junges, enthusiastisches und dynamisches Herz zu bewahren.“
Sein Alter verriet Michel Aupetit vor einigen Monaten ganz unspektakulär, in einer Predigt vor Studenten. In einer anderen Homilie erzählte er einmal, dass er an einem Karfreitag das Licht der Welt erblickte. Es ist einer seiner Wesenszüge: immer wieder in seine theologischen Abhandlungen (kleine) Ereignisse aus seinem Leben hinein zu streuen und seine Predigten damit nicht nur lebenswirklich und meist humorvoll aufzulockern, er lässt seine Gläubigen hierdurch auch in liebenswerter Weise ein Stück an seinem Leben Anteil nehmen. So, als er z. B. vor dem Hintergrund der Taufbedeutung über die Zukunftsüberlegungen von Eltern für ihre Kinder sprach und er seinen Zuhörern verriet, dass er als Junge gar keine Lust hatte, zur Schule zu gehen, dass er viel lieber spielen wollte und man ihn zur Schule erst überreden musste (Homilie 12.Januar 2020).
Oder, wenn er freimütig und unverblümt bekennt, dass er „von Natur aus ein Pantouflard“, ein Stubenhocker sei, dass Gott aber mit ihm als Stubenhocker gar nicht einverstanden war – ein Bekenntnis, an das er eine drollige Geschichte mit seinem Freund, dem Bischof von Angoulême anfügte und damit seine Gemeinde erheiterte: dieser neckte ihn nach dieser, seiner „Beichte“ mit einem speziellen Geschenk, mit einem Paar Charentaise, den typischen Filzpantoffeln aus der Gegend von Angoulême. Die Monseigneur dann an den Nagel hing, weil er „ja kein Pantouflard sein kann“ (Homilie 2. Advent, 8.Dezember 2019).
Und wenn er „kein Stubenhocker“ mehr sein…kann, dann auch „ihr, Brüder und Schwestern, ihr auch nicht mehr! Ihr könnt keine Stubenhocker sein!“ Erzbischof Aupetit rüttelt in vielen seiner Predigten die Gläubigen auf. Diese Begabung ist neben seinem köstlichen Humor unverkennbar für ihn, verbunden mit seiner lebendigen, begeisternden Überzeugungskraft. Immer wieder weist er die Gläubigen, ohne den Finger belehrend zu heben, auf ihren wesentlichen Auftrag hin, verweist er sie mit der ihm eigenen Freude und Begeisterung darauf, dass es für die Christen darum gehe, „missionarische Jünger“ zu sein, für Christus und das Evangelium einzustehen und nicht das Leben eines „Pantoffelchristen“ zu führen, denn „Dieu n’aime pas les chrétiens en pantoufles = Gott liebt keine Pantoffelchristen“ (Homilie 15.November 2020, KTO). Ja, dass die Christen sogar, wie er meine, ganz im Sinne der Propheten des Alten Israel „das Juckpulver der Welt“ seien (Homilie 30.August 2020). Was nichts anderes heiße als dass sie, wenn nötig auch unangenehm für die Welt werden, ihr mutig widersprechen müssten. Denn die sich am Evangelium und dessen Werten orientierenden Christen könnten sich oft „nicht in Übereinstimmung mit der Welt“ und deren Vorstellungen befinden.
Eine Wahrheit, die Erzbischof Aupetit am vergangenen Sonntag Laetare, dem vierten Fastensonntag, anhand des Johannesevangeliums vertiefte – an Worten, welche Licht und Finsternis des Menschen, seiner Entscheidungen und Taten, ausdrucksstark thematisieren.
Zur Predigt von Mgr Aupetit am Sonntag Laetare 2021 in Saint-Germain-l’Auxerrois
„Das Licht kam in die Welt, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht" (Joh. 3,19). Mit Jesu Aussage, die dieser in einem nächtlichen Gespräch Nikodemus gegenüber macht und die der Evangelist Johannes überliefert, beginnt Michel Aupetit seine Homilie. Um dann zunächst auf das Licht, das uns umgibt, und seine Bedeutung einzugehen: so auf das Licht der Sonne, das Licht unserer Lampen, die für uns unverzichtbar sind „wir wissen, dass dieses Licht wichtig ist, um etwas zu sehen. Ohne Licht sind unsere Augen nutzlos.“ Er nennt den Alltag und seine Dinge, die wir nur durch das Licht klar erkennen: „Wir brauchen das Licht, um zu existieren, um alles normal zu sehen.“ Als tragische Folge eines Lebens in kompletter Dunkelheit berichtet der Erzbischof von der Erblindung eines ihm bekannten Priesters aus Vietnam, der, weil er Christ ist, sieben Jahre lang in einem völlig dunklen Verlies eingesperrt war.
Aupetit stellt dann den Unterschied heraus zwischen den sichtbaren und den unsichtbaren Dingen: er geht auf die wissenschaftliche Beobachtung der ersteren ein, die, selbst, wenn wir diese nicht mit bloßem Auge sehen können, dies wissenschaftliche Instrumente ermöglichen und stellt ihnen das Unsichtbare gegenüber, das mit unseren Augen nicht zu sehen ist, das nur im Licht der Religion zu erfassen sei. Diese erläutert er anschaulich, legt ihre Rolle dar, dem Menschen die Verbindung von Transzendenz und Immanenz, von Himmel und Erde, von Gott und seiner Schöpfung nahe zu bringen. Ausgehend von der menschlichen Intuition, die etwas Unerreichbares, etwas Höheres als er selbst wahrnimmt und die der Mensch Gott nennt, ausgehend von der menschlichen Intelligenz, die eine Quelle alles Existierenden für wahrscheinlich oder als sicher annimmt, weist Erzbischof Aupetit nicht nur darauf hin, dass diese intellektuellen Auseinandersetzungen uns nichts über Gott aussagen können, er stellt gleichzeitig die Frage nach dem Licht, das uns Gott erkennen lasse – eine Frage, welche auch die Menschen der Bibel immer wieder stellten.
So gelangt Michel Aupetit zum Buch Exodus, „wo geschrieben steht, dass niemand Gott sehen kann, ohne zu sterben, dass es unmöglich ist, ihn mit menschlichen Augen zu sehen…“ (Ex. 33,20), er nennt die von Gott berufenen Propheten, die von ihm Kunde brachten, um letztlich zu Christus zu führen: „Es ist Christus, der das wahre Licht ist, weil er Gott ist. Man nennt ihn das Wort Gottes… Er ist der Ausdruck Gottes, sein Gedanke, sein Wort und sein Handeln…“
Ein kurzer Streifzug des Erzbischofs durch Jesu irdisches Leben beleuchtet dessen wichtige Momente, die für ihn den „Schlüssel zur wahren Erkenntnis Gottes“ darstellen: die Heilung der Menschen, die Beherrschung der Natur, seine Macht über den Tod als Zeichen seiner göttlichen Macht. Mgr Aupetit zählt die Totenerweckungen Jesu auf, so die Erweckung des Lazarus, jene von Jairus‘ Tochter, die des Jünglings von Naim. „Wenn wir Jesus betrachten, und wenn wir ihn am Kreuz sehen, können wir das wahre Licht erkennen: Gott, der die Liebe ist. Er ist das wahre Licht. Und niemand außer Jesus kann uns Gott offenbaren. Daher werden wir Gott nicht aus eigener Kraft erreichen, wie uns auch der heilige Paulus erinnert: ‚Durch die Gnade bist du gerettet‘ (Eph. 2,8) … nur durch seine Gnade erfahren wir ihn, das Licht…“
Wenn Michel Aupetit dann hervorhebt, dass das gesamte christliche Leben darin bestehe, „von der Dunkelheit zum Licht zu gelangen“ – er wirft dabei auch einen Blick auf Notre Dame und die Kathedralarchitektur des Mittelalters, deren Grundstruktur den Weg des Menschen von der Dunkelheit zum Licht symbolisiert – konfrontiert er diese beiden Pole des Menschseins noch einmal wortgewaltig miteinander.
Er sieht den ganzen Heilsweg des Menschen ausgerichtet auf das „absolute Licht“, das in der Auferstehung Jesu kulminiere, „weil Gott Liebe ist und weil er das Leben ist, weil er die Quelle des Lebens ist. Deshalb kam Christus … dass wir von der Dunkelheit ins Licht gelangen … damit wir uns lieben lassen, damit wir uns von der Liebe verwandeln lassen, um wiederum zu lieben.“
Dem göttlichen Licht entgegengesetzt sieht der Erzbischof die dunklen, die tödlichen Fallen für den heutigen Menschen. Zum einen sei es das Sich-Selbst-Retten-Wollen, was eine tödliche Illusion darstelle. Zum andern benennt er klar und deutlich die über uns hängende Finsternis, er nennt das in unserer Gesellschaft völlig fehl geleitete Verständnis von Freiheit und freier Entscheidung, über den Tod eines Menschen zu verfügen, ja mit der „Euthanasie z.B. und dem assistierten Suizid den Tod“ geradezu „einzufordern.“
Und er wäre nicht Michel Aupetit, würde er nicht auch einen Augenblick in der sogen. Corona-Krise unseres Europa haltmachen, der „schrecklichen Periode“, die wir zurzeit erleben würden. Er benennt, wie schon einige Male, die Unmenschlichkeit – an anderer Stelle sprach er von einem in die Barbarei abdriftenden Verhalten (Homilie 19.April 2020.) –, dass „alte Menschen ihrer Entscheidung beraubt werden, ihre Kinder und Enkel vor ihrem Tod zu sehen…“ und stellt dann eine in unserer Gesellschaft bereits an Perversität und dämonische Besessenheit grenzende Realität heraus, „dass eher die Entscheidung sich töten zu lassen akzeptiert wird, als sich umarmen zu lassen.“
Der Erzbischof verdeutlicht seinen Zuhörern, dass „alles was uns schadet, wie Lügen, Eifersucht, Gier, Perversität … die Augen unserer Seele verdunkelt und uns daran hindert, das Licht der Liebe Gottes zu sehen.“ Das sei die Finsternis, von der Jesus spreche, aber … er kläre unseren Blick auf „den Abgrund unserer Seele“, er ist „das Licht unserer Seele“ und das „Licht, das die Völker erleuchtet“ (Lk 2,32). Mit dem Zitat aus dem Lobgesang des betagten Simeon im Tempel zu Jerusalem wendet sich Erzbischof Aupetit mit einem großen Wunsch an uns alle: dieses Licht, das Licht Christi, „das zum Leben führt“, aufzunehmen … uns von ihm leiten zu lassen…, um unsere immerwährende Berufung der Liebe zu leben…“
Auszüge aus: Homélies – Diocèse de Paris, Homélie de Mgr Michel Aupetit - Messe à St Germain l’Auxerrois - 4e Dimanche de Carême, Dimanche 14 mars 2021
und: Radio Notre Dame, Messe de St Germain l’Auxerrois, Émission du 14 mars 2021, gesprochene Predigt. Übersetzung für kath net: Dr. Juliana Bauer
Nos félicitations – unsere Glück-und Segenswünsche
An dieser Stelle danken wir Erzbischof Michel Aupetit für seine wunderbaren Predigten und wünschen ihm alles Gute und noch viele, viele gesunde Jahre sowie den Segen und die Kraft des Heiligen Geistes, der ihm weiterhin die für ihn so typische Freude für seine große Aufgabe gewähren möchte und vor allem die Bewahrung seines „jungen, enthusiastischen und dynamischen Herzens“ (Homilie, 2.Advent 2019).
Alors: toutes nos félicitations et que Dieu vous bénisse, Monseigneur!
Archivfoto Erzbischof Aupetit (c) Erzbistum Paris
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