„Hoch die Flagge! Über diverse moderne Bewegungen in Theologie und Kirche“

25. März 2021 in Kommentar


„Falls der Synodale Weg dynamisch weiter marschieren will, auch wenn alles in Scherben fällt, so könnte er drei Synodalforen noch umwidmen, nämlich wichtigen Themen öffnen: 1) Gott, 2.) Christus, 3.) Seine Kirche.“ Gastkommentar von F.N. Otterbeck


Köln (kath.net) Der "Synodale Weg" marschiert in ruhig festem Tritt. So ähnlich bekundete es ZdK-Präsident Sternberg gegenüber einem, Gott sei Dank, relativ wenig frequentierten Internetportal aus Bonn. Im Interview appelliert er dann an ein Konzil: über Frauenordination etc. müsste in Kürze von einem Konzil entschieden werden. Der mit allen Wassern gewaschene Kirchenhistoriker sollte allerdings ehrlicherweise hinzufügen, dass sein Zentralkomitee kein Konzil einberufen kann und noch nicht einmal die Tagesordnung bestimmen. Sein hoch angesehener akademischer Lehrer, Ernst Dassmann, war ein Romantiker der "alten Kirche" (vor 1054 n. Chr.). Nicht wenige moderne Theologen entnahmen im 20. Jahrhundert einige Muster dem "Frühkatholizismus", um damit ihre Reformanliegen der damaligen Gegenwart auszuschmücken. Heute allerdings stellen sich ganz andere Fragen, für das 21. Jahrhundert, das religiös sein wird - oder gar nicht mehr sein wird. Der geistliche, gewaltlose Kampf um Gott, Christus, Kirche ist von weit größerer Bedeutung als die Frage, ob eine "Exegese der Vorschriften" in den deutschen Diözesen stattfindet oder nicht. Das Gercke-Gutachten in Köln legt immerhin nahe, dass es auch nachkonziliar von Vorteil gewesen wäre, das Kirchenrecht zu kennen. Auch eine Exegese der Konzilstexte hätte nützen können. Dort wird Einiges über das Lehramt von Papst und Bischöfen gesagt, das doch durchblicken lässt, dass Rom nicht nur irgendeinen "Katechismusstand" (so Sternberg) notiert. Es gibt auch keine Zuständigkeit von Theologieprofessoren dafür, dass ihre Arbeitsergebnisse oder sogar "humanwissenschaftliche Erkenntnisse" vom Chefredakteur des Katechismus, zu dem man den Papst anscheinend degradieren will, in die nächste Auflage des guten Buches eingearbeitet werden müssten. In der schwer nachvollziehbaren Bätzing-Sternberg-Logik könnte es allerdings so sein, dass schon das Wort "Katechismus" ein irrelevantes Zufallsprodukt bezeichnet, während die eigentlichen Offenbarungsquellen in einem schönen Bischofshaus unweit der Lahn oder auch in einer längst überlebten westfälischen Akademie aus der Nachkriegszeit zu finden sind.

Das genannte Internetportal gestattet bisweilen, dass nette Leute dort ihren theologischen Horizont vorführen. Wenn dessen Radius in etwa Null beträgt, dann sagt man dort dazu: "Standpunkt". Neulich hat dort jemand pflichtgemäß die "Bekennerflagge" aufgezogen, der früher, vor seinem 50. Geburtstag, konservativ argumentierte. Die kirchliche Lehrentwicklung hat von Streitfall zu Streitfall ein vertieftes Bewusstsein davon gewonnen, was in der Offenbarung Christi sicher enthalten ist und was nicht. Es ist aber völlig ausgeschlossen, dass eine sichere Aussage der Kirche jemals in ihr Gegenteil verkehrt wird. Die Grundzüge der Ehelehre sind beispielsweise sicher. Daher kann es in der Kirche Gottes keine "Ehe für alle" geben und auch keine analoge Beurteilung wesentlich ungleicher Sachverhalte. Das Ehesakrament ist keine übelriechende, ältere Schicht auf dem Komposthaufen katholischer Doktrin. Das heute so gern bemühte Beispiel, dass die Kirche noch im 19. Jahrhundert die Menschenrechte verworfen habe, sie seit 1963 (Enzyklika "Pacem in terris") aber selbst fordere, lässt keine Prognose für die Zukunft zu. Ob und welche Korrekturen an der Soziallehre (!) der Kirche vorgenommen werden, das werden die zuständigen Stellen entscheiden. Das Zweite Vatikanum hat jedenfalls kein Dogma der Kirche umgestürzt. Übrigens betraf die heftige Gegenwehr Pius IX. gegen den Liberalismus ("Syllabus", 1864) vor allem das Verhältnis von Kirche und Staat. Die Abwehr staatlicher Allgewalt würde in heutigen Begriffen als "antitotalitäre Aktion" eingeordnet, nicht als Angriff auf die Menschenrechte (in ihrer sozialen, weniger der religiösen Dimension). Aber man will ja nicht sachgerecht argumentieren, sondern Ziele durchsetzen. In wessen Vollmacht denn eigentlich? Etwa in der Vollmacht des Stifters und Herrn der Kirche?

Hier zeigt sich der innere Zusammenhang der "antikatholischen Aktion" moderner Kirchenzugehöriger mit älteren Bewegungen des "sozialen Modernismus", wie Papst Pius XI. mehrere politische Hauptströmungen der Zwischenkriegszeit zusammenfassend nannte. Der theologische Modernismus wurde 1907 von Pius X. verurteilt. Diese Urteile wurden übrigens nie aufgehoben, insbesondere nicht von Johannes XXIII. oder Paul VI., den Konzilspäpsten. Faschismus, Kommunismus und auch Nationalsozialismus nahmen ihren Ausgang von einer modernen Neuinterpretation der Welt, die sich teilweise sogar auf scheinwissenschaftliche Erkenntnisse berief, etwa die Rassentheorie des 19. Jahrhunderts oder den historischen Materialismus. Es ist nicht so, dass jeder theologische Modernist auch zwangsläufig einer politischen Ideologie verfällt. Jedoch erhöht der bewusste Kampf gegen die Offenbarung, in Schrift und Tradition, das Risiko für auch politische Irrtümer. Die katholische Soziallehre bezog ihre relative Überlegenheit gegenüber autonomen Modellen des gesellschaftlichen Fortschritts aus ihrer soliden Grundlage in "übersozialen" Gewissheiten. Ohne eine sorgfältige Unterscheidung der Bereiche, hier: Religion - dort: Politik, ist ein ganzheitlicher, christlicher Humanismus nicht darstellbar. In Ansätzen hat schon das abendländische Mittelalter, anders als Byzanz oder der Islam, die Unterscheidung zwischen geistlichen und weltlichen Angelegenheiten praktiziert; man denke nur an den Streit um die "Laien-Investitur" (nach päpstlicher Auffassung durften kirchliche Ämter nicht durch den weltlichen Herrscher vergeben werden). Diese überlieferte Differenzierung ist seitens moderner theologischer und politischer Strömungen nicht mehr im erforderlichen Mindestmaß respektiert worden, was nicht wenig zum heutigen "gemischten Salat" aus Religion und Politik beigetragen hat. Das kirchliche Amt hat, von Fall zu Fall, immer mal wieder extremen Modernismus und auch extremen Antimodernismus abzuwehren. Es fördert aber zugleich eine legitime Modernisierung wie auch eine legitime Treue zur überlieferten Identität der Kirche, beides nach eigenem Ermessen.

Selbstverständlich können Theologen und Nichttheologen, Kleriker und Laien, ihre Erfahrungen in den schwierigen und langatmigen Kommunikationsprozess der Weltkirche einbringen. Insoweit wünscht Papst Franziskus eine anständige Synodalität, unter Führung des Heiligen Geistes, um die Kirche voranzubringen. Aber weder Konzil noch Synoden sind Parlamente, schon gar keine Scheinparlamente wie etwa der chinesische "Volkskongress" oder die "Volkskammer" der DDR.

Der "Synodale Weg" ähnelt einem Scheinparlament durch das Regietheater, das dort inszeniert wird. Er scheint aber doch nur eine Marschkolonne zu sein, die einem bereits definierten Ziel zustrebt, irgendeinem Exerzierplatz. Wo dann noch ein Fahneneid geschworen werden soll? Regenbogen, wir kommen? Hinsichtlich von drei der vier Reformthemen sind die Signale aus Rom unüberhörbar, wie sogar ein "Leerer" der Dogmatik aus Münster diagnostizierte. Zum "Priesterbild" (Zölibat), den "gelingenden Beziehungen" (Sexualität) und in der Frauenämterfrage ist das Scheitern der Inszenierung in Sicht. Falls das von Thomas Sternberg deswegen beabsichtigte Konzil zusammenkommen würde, so würde auch dieses kaum anders entscheiden; weil es ja kein (Schein-) Parlament ist, das mutmaßliche Mehrheitsforderungen der "deutschen Kirche" absegnen muss. Einer Erörterung würdig ist allenfalls die Frage nach der Machtausübung in der Kirche, aber ganz anders als von Bätzing, Marx + Co. in Aussicht genommen. Denn in den bislang publizierten Missbrauchsfällen haben sehr viele Pflichtverletzungen damit zu tun, dass die zuständige Autorität speziell mit Priestern zu milde, zu wenig autoritär verfahren ist, auch mit Exponenten eines progressiven Priesterbildes. Die christliche und menschliche Qualität vieler Dienst- und Arbeitsverhältnisse in der Kirche könnte und müsste besser aussehen. Die Problematik ist kompliziert. Würde die Autorität gleichmäßig und berechenbar ausgeübt, so könnte sogar bisweilen größere Strenge angezeigt sein. Nicht selten ist der alltägliche Umgang auf kirchlichen Dienstfluren durchaus beschaulich, freundlich, gemütlich,  manchmal etwas gereizt. Das hintergründige Unbehagen wird wohl zu einem nicht geringen Teil daraus resultieren, dass die "Bistumsspitze" imstande ist, von jetzt auf gleich "andere Saiten aufzuziehen".

Falls der "Synodale Weg" dynamisch weiter marschieren will, auch wenn alles in Scherben fällt, so könnte er drei von vier Synodalforen noch umwidmen, nämlich den drei wichtigen Themen öffnen: 1) Gott, 2.) Christus, 3.) Seine Kirche. Auf eine politische Signalbeflaggung des Tagungsortes sollten Bischof Bätzing und Professor Sternberg bitte verzichten, auch wenn diese inzwischen zum modernen Selbstverständnis der deutschen Kirche zu zählen scheint. Das Logo von "katholisch-de" hingegen ist dringend reformbedürftig. Es erstrahlt in Schwarz-weiß-rot und sein Kreuzemblem wölbt sich wie ein Bischofsbauch. Ein so deutlicher Hinweis auf die nationale Befangenheit und fette Subventionen muss doch wohl als kontraproduktiv erscheinen. Aber kontraproduktiv ist man bei DBK/ZdK ja ganz gern.

Der Verfasser, Dr. iur. Franz Norbert Otterbeck, ist Rechtshistoriker und Wirtschaftsjurist und hat bereits vielfach auf kath.net veröffentlicht, siehe Link.

 


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