Abtreibung? – „Selbstbestimmung bedeutet Verantwortung“

29. März 2021 in Prolife


„Einen Freifahrtsschein für Schwangerschaftsabbruch verurteile ich aufs Schärfste. Frauen haben das Recht am eigenen Körper – und sind damit gleichzeitig dem Lebensrecht ihres Kindes verpflichtet.“ Gastbeitrag des „Linken“-Mitglieds Dennis Riehle


Konstanz (kath.net) Zweifelsfrei gilt: Man kann auch mit seiner eigenen Partei nicht immer derselben Meinung sein. Deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen, wenn ich als überzeugter Linker den aktuellen und wiederkehrenden Vorstoß der Linksfraktion im Deutschen Bundestag in Gänze ablehne, wonach das Strafgesetzbuch frei von Paragrafen werden soll, die Schwangerschaftsabbrüche erschweren oder gar verbieten.

Es hatte immer wieder Anläufe linker Abgeordneter gegeben, das Abtreibungsrecht in Deutschland liberaler zu gestalten. Dieses Mal erfährt die Lebensrechtsbewegung aber die volle Breitseite der Antragssteller: Abtreibung soll demnach in der Bundesrepublik vollends legalisiert werden, sämtliche Einschränkungen und Normen aus §§ 218, 218a, 218b, 218c, 219, 219a und 219b werden nach den Vorstellungen der LINKEN gestrichen. Begründet wird diese konsequente Forderung wieder einmal mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Und natürlich spreche auch ich mich dafür aus, dieses hohe Gute emanzipatorischer Errungenschaft hochzuhalten.

Doch Selbstbestimmtheit geht zwingend mit Eigenverantwortung einher – und sie beginnt bereits vor dem Geschlechtsakt

Ich habe viel Verständnis dafür, dass Frauen Zugang zu Abtreibung erhalten, wenn sie ungewollt schwanger werden. Doch gerade diese Situation tritt in Zeiten, in denen wir wie nie zuvor über die Konsequenzen des Sexualverkehrs selbst-bestimmen (!) können, nur noch selten auf. Es entspricht nämlich keinesfalls dem Bild mündiger Frauen, das nicht nur Linke zur Recht zeichnen, wenn zwischen One-Night-Stand und kurzem „Quickie“ die mögliche Folge des schnellen Seitensprungs erst gar nicht bedacht wird.

Familienplanung, Schwangerschaft und Kinderkriegen sind kein Spaß, sondern stellen an Vater und Mutter bereits mit dem Entschluss zu sexueller Zärtlichkeit hohe Anforderungen: Der Traum von Nachwuchs reift im Bewusstsein heran – und sollte entsprechendes Gewicht bekommen. Wer nicht bereit ist, ein Baby auszutragen, dem stehen heute sämtliche Chancen zur Verhütung offen. Daran sollten beide Partner früh genug denken, denn die Unbeschwertheit mancher Frau, die gedankenlos ins Date einsteigt, zeugt von fehlendem Respekt gegenüber dem Wert und der Einzigartigkeit von werdendem Leben.

Eine Mentalität, in der man sich auf das „Wegmachen“ eines heranwachsenden Kindes verlässt, ist weder mit einem christlich-humanistischen Menschenbild vereinbar, noch zeugt sie von der Bereitschaft, einen Embryo als weit mehr wie einen Zellklumpen anzusehen.

Besonders betroffen macht mich die Aussage im Antragspapier meiner Partei, wonach Frauen, die eine Abtreibung in Anspruch nehmen wollen, nicht länger diskriminiert werden dürfen. Gemäß übereinstimmender Definitionen kann eine Diskriminierung lediglich die Benachteiligung eines Menschen sein, der aufgrund von Vorurteilen, Stereotypen oder Eigenschaften ausgegrenzt, abgesondert und herabgewürdigt wird. Wem gegenüber soll aber eine schwangere Frau, die sich für eine Abtreibung entscheidet, objektiv schlechter gestellt sein? Ich sage ganz deutlich: Jegliche Verunglimpfung gegenüber werdenden Müttern, die sich in größter Not für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, ist nicht hinnehmbar – und sie gehört auch nicht zu meinem Stil. Die Diffamierung abtreibungswilliger Frauen durch manch radikale Anhänger der Pro-Life-Szene (zu der auch ich mich zähle) ist weder hilfreich, noch zielführend.

Doch es ist gleichermaßen ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die tatsächliche Diskriminierung erfahren, wenn sich Schwangere, die in aller Regel frei in den Geschlechtsverkehr eingewilligt und damit eine Selbstverpflichtung zum Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrem Körper mitsamt des heranwachsenden Kindes übernommen haben, zum Opfer von Unverständnis stilisieren.

Nein, werdende Mütter sind nicht krank, sie sind nicht behindert und sie unterscheiden sich auch in ihren Persönlichkeitsmerkmalen nicht von anderen Frauen. Daher kann die Begründung für den Wunsch nach Abschaffung der Abtreibungsgesetze nur zynisch sein, solange sie auf der haltlosen Behauptung fußt, Schwangere würden diskriminiert. Solch eine Argumentation verzerrt die Tragweite tatsächlicher Ausgrenzung von Menschen, die aufgrund ihres Minderheitendaseins offensichtlich benachteiligt werden – und sie verharmlost damit die reale Diskriminierung von Personen, die aufgrund ihrer scheinbaren Ungleichheit separiert werden.

Deshalb halte ich abschließend die Thesen des linken Antrags für gänzlich untragbar, weil sie der effektiven Exklusion von Individuen einen Bärendienst erweisen.

Wir müssen künftig daran festhalten, Frauen in der anspruchsvollen Zeit nach der Empfängnis beizustehen. Es braucht darüber hinaus auch fortan das obligatorische Beratungsgespräch, um Schwangeren die Gelegenheit einzuräumen, unter Darlegung aller Fakten eigenständig und unvoreingenommen über die Zukunft ihres Kindes zu befinden, anstatt alleine und im Affekt zu verfügen.

Eine Zulassung der Abtreibung zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft käme einer ethisch nicht vertretbaren Tötung eines herannahenden Babys gleich, dessen Würde und Existenzrecht nach meiner Überzeugung mit der Verschmelzung von Mann und Frau beginnt. Selbstverständlich müssen Ausnahmen beibehalten werden, ob bei Vergewaltigung oder bedrohter Gesundheit der werdenden Mutter.

Einen Freifahrtschein für den Schwangerschaftsabbruch verurteile ich auf das Schärfste, weil er den Lebensschutz ad absurdum führt. Frauen haben das Recht an ihrem eigenen Körper – und sind damit gleichzeitig dem Lebensrecht ihres Kindes verpflichtet.

Statt über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts zu debattieren, müssen wir den Ausbau von Unterstützungsleistungen des Staates einfordern, in dessen Rechenschaft es liegt, Familien und alleinerziehende Mütter mit ihrem Nachwuchs nicht mittellos zurückzulassen. Neben finanzieller Förderung bedarf es einer Intensivierung sozialpädagogischer, psychologischer und erzieherischer Hilfen.

Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn es liegt an uns allen, Kinder als Sicherung des Fortbestandes unserer Spezies und größtes Geschenk an den Menschen tatkräftig auf Erden willkommen zu heißen.

Ja, es mag sein, dass mich viele meiner Genossen bei diesem Thema für wertkonservativ und rückständig halten Für mich gehört zur Aufrichtigkeit aber auch die Bereitschaft, im Zweifel singuläre Meinungen gegen den parteiinternen Strom zu verteidigen. Ich bin wohl kein Feminist, dafür kann ich morgens noch immer guten Gewissens in den Spiegel sehen…

Der Autor, Dennis Riehle, war der Sprecher der Humanistischen Alternative Bodensee (HABO). Weitere Gastbeiträge auf kath.net (Link).


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