Dem Herrn gehört die Erde

10. April 2021 in Spirituelles


Eine Gesellschaft, die Gott ausblendet, scheitert früher oder später - Von Christof Gaspari / VISION 2000


Wien (kath.net/Vision2000)

Die Corona-Krise, die uns seit einem Jahr begleitet, ist so etwas wie ein Menetekel: Die wachsende Verunsicherung, die vielen Ängste, eine gewisse Perspektiv­losigkeit weisen auf tieferreichende Fehlentwicklungen. Im Folgenden einige Schlaglichter.

Immer noch Lock-down, Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Steigende Zahlen von psychisch Belasteten, besonders unter den Jungen. Wieder Alarmmeldungen über steigende „Infektionszahlen“, obwohl geklärt ist, dass positive Corona-Tests nicht ident mit Infektion sind. Außerdem Verunsicherung wegen bedenklicher Nebenwirkungen der „AstraZeneca“-Impfungen: In sechs Ländern wurden sie gestoppt. Laut Zeitschrift Konsument gäbe es viele Fragezeichen bezüglich der Wirkungen der Impfstoffe. Dennoch wird das Impfen– wie in fast allen Medien – empfohlen. Es herrscht ein Klima der Verunsicherung…
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Mittlerweile prägen Richtlinien und Verhaltensweisen den Alltag, die vor einem Jahr undenkbar waren: das Tragen von Masken in Geschäften, Kirchen, Schulen und Büros; das Testen, bevor man Freunde trifft – und die Perspektive, Gasthäuser nur mit negativem Corona-Test betreten zu dürfen; der Anblick leerer Stadien und Konzertsäle; die Perspektive eines Zwangs zur Impfung. Nur sie werde  Zugang zu diesen Räumen eröffnen; dass man niemandem mehr die Hand reichen darf, bestenfalls den Ellbogen – und nur ja keine Umarmungen… Unter all dem leiden die zwischen­menschlichen Beziehungen.
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In seinem Buch Covid-19: Der große Umbruch beschreibt Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, einer Einrichtung, in der sich jährlich die wirklich Mächtigen der Welt treffen, recht zutreffend die gegenwärtige Lage und entwirft Perspektiven für die Welt von morgen. Zunächst erklärt er, wie ich ihn in der letzten Ausgabe zitiert habe: „Die Welt, wie wir sie in den ersten Monaten des Jahres 2020 kannten, gibt es nicht mehr, sie hat sich im Kontext der Pandemie aufgelöst.“
Und was sieht er auf uns zukommen? Die Rolle der Regierungen werde stark steigen. Und: „Ohne einen globalen strategischen Ordnungsrahmen werde es keine anhaltende Erholung geben“ (S. 131). Die großen Probleme (Pandemien, Klima, Terror…) ließen sich nur kollektiv bewältigen: Globale Lösungen als Überlebensfrage. Auch werde es einen enormen Schub bei der Digitalisierung geben: weniger Kontakte, weniger Ortsveränderungen. Die künstliche Intelligenz werde einen Siegeszug feiern und menschliche Tätig­keiten ersetzen. Die Pandemie sei der Wendepunkt der Geschichte der Überwachung. „Wenn die Krise vorbei ist, stellen einige fest, dass sich ihr Land plötzlich in einen Ort verwandelt hat, an dem sie nicht mehr leben wollen“ (S.197)
Zwar spricht Schwab auch davon, dass wir alle, „Bürger und politische Entscheidungsträger, durch die Pandemie gezwungen werden, uns mit der philosophischen Frage auseinanderzusetzen, wie das Gemeinwohl  … maximiert werden kann“ (S. 259). Aber wie zu erwarten, bleiben Aussagen über den Sinn der menschlichen Existenz und einen verbindlichen Rahmen für menschliches Wirken aus.
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In einem Kronenzeitungsinterview Mitte Jänner über die aktuellen Maßnahmen in Sachen Corona antwortete Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker am Ende des Gesprächs auf die Frage: „Was kommt nach dem Tod?“ kurz und bündig: „Nichts!“ Das sei eben Hackers Pri­vat­meinung, mag man nun denken. Der Mann ist jedoch ein wichtiger „Player“ im Krisengeschehen. Drängt sich da nicht der Verdacht auf, diese Sicht sei repräsentativ für das Denken zumindest der Elite in unseren Ländern?

Erinnert sei auch an die schon einmal zitierte Aussage (Vision 3/20) des Wiener Philosophen Konrad Liessmann, der im ORF erklärte: „Wir dürfen uns von verschiedenen Formulierungen nicht verleiten lassen, über das Leben hinauszudenken… Das Leben ist das einzige, was wir haben. Wir haben sonst nichts….“

In der Corona-Krise wird deutlich: Wir haben weitgehend den Bezug zum Tod verloren. Eine Kultur, die ihn verdrängt, ihn um jeden Preis bekämpft, hinausschiebt oder sich zu unterwerfen versucht, gerät auf Abwege. Wir müssen mit der Tatsache leben lernen, dass wir sterben müssen und uns in Erinnerung rufen: Das eigentlich entscheidende Leben kommt danach. Das relativiert die Unbillen des Lebens, mit denen wir konfrontiert werden, setzt aber voraus, dass wir an einen liebenden Gott glauben.

Hier offenbart sich das Grundproblem der modernen Gesellschaft: Sie huldigt dem Glauben an die Sinnlosigkeit der Existenz, die keinen gottgewollten Ursprung hat und im Nichts endet. Somit scheint alles in des Menschen Hand gegeben. Daher fehlt ein fixer Bezugspunkt. Jetzt, während der Pandemie, merken wir das besonders, weil die angeblich unveräußerlichen Menschenrechte „demokratisch“ beiseite geschoben wurden, sich als unsolides Fundament des Zusammenleben erwiesen.
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Fazit: Die herrschende Verunsicherung, die wachsende Isolation des Menschen, die mangelnden Perspektiven machen auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam: die Gottlosigkeit. Sie ist zur Staatsreligion geworden. Wer bei parlamentarischen Debatten oder „Runden Tischen“ im Fernsehen mit Gottes Geboten argumentieren würde, stellt sich heute ins Out. Man würde ihm entgegenhalten, religiöse Privatmeinungen hätten in vernünftigen Diskursen keinen Platz.

Daher stoßen auch gläubige Muslime, die erklären, für sie seien Gottes Gebote wichtiger als jene des Staates, auf totales Unverständnis. Das hat aber nur damit zu tun, dass wir Christen die in den Anfängen der Kirche klar bekannte Sichweise verloren haben: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29), erklärt der hl. Petrus dem Hohen Rat, den Mächtigen seiner Zeit. Dieser Satz behält auch in unserer Zeit Gültigkeit.

Er ist allerdings kein Appell, die staatliche Gesetzgebung grundsätzlich zu missachten, vielmehr ist es für Christen eine Aufforderung, hellhörig zu werden, wo immer Got­tes Gebote in Konflikt mit staatlichen Regulierungen geraten.
Und diese Gefahr wächst in unserer Gesellschaft, die sich der Gottlosigkeit verschrieben hat. Weil dieser rein weltliche Zugang auch auf uns Christen abfärbt, sind wir herausgefordert, uns immer wieder diesen absoluten Vorrang Gottes in Erinnerung zu rufen: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner,“ sagt uns Psalm 24. Und im Johannes Evangelium (15,5) macht uns Jesus Christus klar: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ Ohne Ihn gelingt nichts, was Bestand haben soll: kein menschliches Leben, keine erfolgreiche Pandemie-Bekämpfung, ohne Ihn wird es auch keine wirkliche Umweltsanierung geben. Denn so lange wir mit der Schöpfung nicht ehrfurchtsvoll, weil Werk eines Größeren, umgehen, sondern an ihr – wie jetzt mit den Impfungen – herumdoktern, werden sich die Probleme weiter mehren.

Zunächst müssen wir Christen uns ernsthaft und ungeteilt Christus zuwenden. Dazu hat uns Papst Franziskus ausdrücklich aufgerufen: „Ich lade jeden Christen ein, gleich an welchem Ort und in welcher Lage er sich befindet, noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen, ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen.“ (Evangelii gaudium 3)

Das sei nicht als Appell zum Hände-Falten und in-den-Schoß-Legen missverstanden. Wir sind nach wie vor zum Handeln, Forschen und Entwickeln aufgerufen, aber im Bewusstsein, dass wir an Gottes Schöpfung mitwirken. Louis Pasteur beispielsweise, der große Forscher betete, während er im Labor arbeitete. Die Welt braucht also betende Unternehmer, betende Forscher, betende Techniker und Politiker. Und wir Christen brauchen mehr Gebet, damit uns die Gabe der Unterscheidung der Geister zuteil wird, damit wir erkennen, welchem der Akteure wir vertrauen können.

Weil Gott der Erdkreis und seine Bewohner gehören, geht nämlich jede wahre Erneuerung von einer Hinwendung zum lebendigen Gott aus, sie setzt beim einzelnen Menschen an, spielt sich im geistigen Bereich ab, eröffnet unvorhersehbare Möglichkeiten und schafft Raum für ungeahnte Wunder – selbst in einer feindlichen Umgebung.


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