Wir leben in apostolischen Zeiten

30. April 2021 in Weltkirche


Jeder ist berufen, im persönlichen Umfeld zu missionieren - Von George Weigel / VISION2000


Rom (kath.net/VISION2000)

Keine Taufen, keine öffentlichen Messfeiern, Ostern vor dem Bildschirm – für viele entstand der Eindruck, die Kirche sei wäh­rend der Corona-Krise abgetaucht, nicht system­relevant. Umso dringender jetzt die Notwendigkeit, Zeugnis dafür zu geben, dass Gott gegenwärtig ist und wirkt, ja letztlich die Hoffnung schlechthin ist.

Vor 30 Jahren, am 22. Jänner 1991, erschien Redemptoris missio, die achte Enzyklika von Papst Johannes Paul II.. In einem Pontifikat, das so reich an Impulsen war, dass man erst jetzt beginnt, sie aufzuarbeiten, ragt Redemptoris missio als Wegweiser in die katholische Zukunft hervor. Die dynamischen Elemente der Weltkirche leben aus der Vision einer missionarischen Jüngerschaft, zu der uns die Enzyklika aufruft. Was in der Weltkirche jedoch am Absterben ist, muss diese Botschaft erst noch aufnehmen. Wer diese aus einem Missverständnis heraus verworfen hat, stirbt aus eben diesem Grund dahin.

Redemptoris missio stellt eine direkte und anspruchsvolle Herausforderung dar für eine Kirche, die sich häuslich eingerichtet hat: Schau dich um und nimm zur Kenntnis, dass wir in einer apostolischen und nicht in einer christlichen Ära leben, wie Fulton Sheen (siehe Buchbesprechung  S. 20) schon 1974 festgestellt hat: Das Christentum gehört der Geschichte an.

„Christentum“ kennzeichnet eine Situation, in der die kulturellen Normen der Gesellschaft und der Lebensstil, den diese begünstigen, dazu beitragen, den „Glauben, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist“ (Jud 1,3), weiterzugeben. Solche Orte gab es noch zu unseren Lebzeiten. Ich wuchs in einem der letzten, vergänglichen solcher Orte im städtisch katholischen Milieu von Baltimore auf. Diese Art von „Christentum“ gibt es längst nicht mehr.

In der heutigen westlichen Welt atmen wir durchwegs eine kulturelle Atmosphäre ein, die weder den Glauben vermittelt, noch ihm gegenüber neutral ist; vielmehr herrscht eine glaubensfeindliche Kultur vor.

Und sobald diese Feindschaft die maßgeblichen Schlüsselstellen der Politik erobert hat, versucht sie, den Glauben auszugrenzen. (Das geschieht beispielsweise, wenn Regierungen sich bemühen, LGBTQ und die Gender-Ideologie aufzudrängen, indem sie jene abstrafen, die nicht zur Vorstellung kuschen, man könne den Menschen beliebig umformen. Das biblische und christliche Menschenbild wird kriminalisiert. Wer meint, das könne „bei uns nicht passieren“, der lese den „Executive Order“ über „Geschlechtsidentität“, den Präsident Biden wenige Stunden nach seiner Angelobung unterschrieben hat.)

„Apostolische Zeiten“ – sie rufen uns dazu auf, die Erfahrungen der frühen Kirche, wie sie die Apostelgeschichte berichtet, wieder zu erleben. „Die gute Nachricht“, die Jesus vor Seinem Tod Seinen Freunden verkündet hatte, war durch Seine Auferstehung von den Toten und Sein Erscheinen in einem verwandelten, glorreichen Menschsein vor Seinen Freunden unzweifelhaft bestätigt worden. Das war durchaus nicht nur eine gute Nachricht für eine Handvoll Auserwählter; es war eine gute Nachricht, die danach verlangte, mit allen geteilt zu werden.

Und so machte sich ein Haufen unbedeutender Nobodys an den äußersten Grenzen von dem, was sich für die zivilisierte Welt hielt, auf den Weg, diese Welt für den Glauben an Jesus Christus, den Herrn, zu gewinnen. Man machte sich über sie lustig; manche hielten sie für „vom süßen Wein betrunken“ (Apg 2,13); andere wurden als Schwätzer abgewiesen, wie es der heilige Paulus am Areopag erlebte (Apg 26,24). Manche hielten sie für verrückt, etwa als der Prokurator Festus ausrief „Du bist verrückt, Paulus! Das viele Studieren treibt dich in den Wahnsinn“ (Apg 26,24). Aber sie hielten stand. An ihnen konnte man eine edlere, barmherzige Art zu leben, erfahren. Manche starben als Märtyrer. Aber um das Jahr 300 hatten sie einen beachtlichen Teil des Römischen Imperiums zu Christus bekehrt.

Während der Zeiten des „Christentums“ waren Missionare jene, die ihre kulturelle Komfort-Zone verließen und dorthin gingen, wo man vom Evangelium zuvor noch nichts gehört hatte. In apostolischen Zeiten, so lehrt Redemptoris missio, ist jeder Katholik ein Missionar, der den Auftrag erhielt: Geht „und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19)! In apostolischen Zeiten ist „Missionsgebiet“ keine exotische Reisedestination; Missionsgebiet ist überall. Missionsgebiet ist der Küchentisch, die Nachbarschaft und der Arbeitsplatz; Mission erfasst unser Leben als Konsument und Bürger. Die katholischen Laien, so schrieb Johannes Paul, sind besonders beauftragt, in Wirtschaft, Kultur und Politik zu missionieren. Denn das Zeugnis der Laien in diesen Bereichen ist besonders glaubwürdig.

Als Kirche von Missionaren haben wir jedermanns Freiheit zu respektieren. Wie Johannes Paul II. in Redemptoris missio schrieb, wobei er die Worte in Kursivschrift hervorhob: Die Kirche schlägt vor, sie drängt nichts auf. Wir müssen also vorschlagen, einladen, Zeugnis geben von dem großen Geschenk, das wir empfangen haben – die Freundschaft mit dem Herrn Jesus Christus und die Eingliederung in Seinen Leib, die Kirche. Wie es der Herr selbst in Mt 10,8 gesagt hat: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“

Die katholische Kirche des 21. Jahrhunderts ist aufgerufen, von der Verwaltung zur Mission aufzubrechen. Das bedeutet, unsere Institutionen in Startrampen für die Evangelisation umzurüsten.  Das Maß unserer Jüngerschaft wird danach bemessen, wie sehr wir dem Ruf folgen, dieses Geschenk, mit dem wir gesegnet wurden, zu teilen.

Aus: The Catholic World Report v. 10.2.21. Weigel ist Journalist, Autor vieler Bücher, u.a. einer Biographie von Johannes Paul II.   

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