3. April 2021 in Buchtipp
Diese Betrachtungen sind eine Botschaft der Hoffnung. Leseprobe 1 des neuen Buches von Erzbischof Michel Aupetit
Linz (kath.net)
Es wirkt vielleicht etwas makaber, ein solches Thema anzusprechen. Von einem Priester erwartet man eher, dass er über das Leben spricht. Aber die gegenwärtigen Ereignisse um die Corona-Pandemie rufen uns eine Wirklichkeit ins Bewusstsein, die wir gleichsam verdeckt hatten: den Tod. Das Erschrecken, das sich unter unseren Mitbürgern und weitergehend in einem großen Teil einer Menschheit ausgebreitet hat, die sich aufgrund ihrer Technologien und ihrer scheinbaren Beherrschung der Materie für unbesiegbar hielt, zwingt uns, über den Tod als existenzielle Wirklichkeit nachzudenken.
Er ist aus der Versenkung wiederaufgetaucht, dieser Tod, den wir verdrängt hatten, und er erweist sich als schrecklich und unerbittlich. Als Reaktion darauf haben wir versucht, uns mit allen Mitteln vor dem Tod zu schützen. Aber in Wirklichkeit haben wir uns vor dem Leben geschützt. Das Leben ist zwar ein Wagnis, aber ein wunderbares Wagnis. Das berühmte Vorsorgeprinzip, das fortan in der Verfassung des Landes verankert ist, läuft im Grunde auf die Weigerung hinaus, wirklich zu leben, um nicht den Tod zu riskieren. Nach dieser einzigartigen Erfahrung müssen wir uns die Frage stellen: Bringt der Tod nicht das Leben ans Licht?
Es ist kein von der Angst hervorgebrachter krankhafter Reflex, der dazu führt, über den Tod nachzudenken. Ganz im Gegenteil ist es eine realistische Weise, das Leben, das eigene Leben, in die Hand zu nehmen und in seiner ganzen Tiefe zu leben. Dieser Vorahnung folgen die Mönche des Ostens und die Kartäuser, die ihre eigenen Grabstätten anlegen und sich oft davor andächtig im Gebet sammeln, wenn sie noch jung und gesund sind. Das ist ihre Art, schon jetzt ein Leben nach dem Tod zu erfassen, um bereits hier auf Erden als Auferstandene zu leben.
Dem ähnelte auch die Intuition eines klugen Mannes wie Michel de Montaigne, der in seinen Essays zu behaupten wagte: „Philosophieren heißt sterben lernen.“ Diese eigenartige Aussage bedeutet, dass die Akzeptierung des Todes eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, im eigenen Leben wirklich präsent zu sein. Dazu schrieb er weiter: „Wir sind im Leben beunruhigt durch die Sorge um den Tod.“ Dies macht uns deutlich, dass die ständige Fixierung auf den Tod, gerade auch wenn sie verdeckt ist, uns daran hindert, ein erfülltes Leben zu führen. Montaigne führt das Beispiel jener Bauern an, die den Tod nicht ausführlich erörtern, jedoch wissen, wie man sich in Frieden darauf vorbereitet, wenn er naht.
Das hilft uns zu verstehen, was sich während der Pandemie zugetragen hat, als die Sterbenden unter dem Vorwand der medizinischen Beschränkungen nicht die Liebe und Begleitung ihrer Angehörigen erfahren durften. Und was diejenigen betraf, die einer geistlichen Begleitung bedurften, so war es den Priestern und Geistlichen des Krankenhauses untersagt, sie durch die Gebete und Sakramente auf jenen Übertritt vorzubereiten, der eben nicht ein Abgrund ist, der ins Nichts führt.
Wenn ich über meine frühere Tätigkeit als Arzt nachdenke, wird mir bewusst, dass unsere Sprache unzutreffend war. Wir sprachen davon, „Leben zu retten“. In Wirklichkeit retteten wir die Menschen vor dem Tod. Wir ermöglichten es, das Leben fortzuführen, und wussten zugleich, dass der letzte Kampf gegen den Tod verloren sein würde. Wenn ich jetzt mein Leben als Priester betrachte, wird mir bewusst, dass ich nicht gegen den Tod kämpfe, sondern das menschliche Leben mit dem in Verbindung bringe, der das Leben selbst ist.
Deshalb haben diese Meditationen über den Tod kein anderes Ziel, als Kenntnis zu erlangen, wie das Leben, das richtige Leben, geführt werden soll, um das „Leben in Fülle“ zu empfangen.
kath.net Buchtipp
Der Tod - Meditationen über einen Lebensweg
Von Erzbischof Michel Aupetit
Media Maria Verlag 2021
ISBN: 9783947931279
Geb., 112 Seiten
Preis: Euro 15,40
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