Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft?

29. März 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: jeder Mensch, der treu sein will, schließt sich Maria an und salbt die Füße des Herrn mit kostbarem Öl. Die neuen Judasse. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Montag in  der Karwoche. „Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“. Es handelt sich dabei nicht zufällig um eine Frage des Judas Iskariot, „der ihn später auslieferte“. Ein großer Satz von Heuchlern und Verrätern des Glaubens aller Zeiten. Gerade angesichts des aktuellen (häretisch-schismatischen?) Gebarens einer Vielzahl von  Bischöfen und Priestern in dieser Zeit – neue Judasse mit neuen Formen von „Denaren“ – ist es angebracht, dieses Evangelium zum Einstieg in die Karwoche  intensiv zu betrachten: „Folge dem Herrn nach, indem du ein würdiges Leben führst. Trockne seine Füße mit dem Haar: Gib deinen Überfluss den Armen, dann hast du die Füße des Herrn getrocknet“ (Augustinus).

Judas „ist berechnend, wo man nicht berechnend sein kann, er tritt mit Engherzigkeit dort ein, wo der Raum der Liebe, dem Geschenk, der vollkommenen Hingabe gehört. Und Jesus, der bis zu diesem Augenblick geschwiegen hat, verteidigt Marias Geste: ‚Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses tue’ (Joh 12,7). Jesus versteht, dass Maria die Liebe Gottes erfasst hat, und weist darauf hin, dass seine ‚Stunde’ sich nunmehr nähert, die ‚Stunde’, in der die Liebe am Holz des Kreuzes ihren erhabensten Ausdruck findet“.

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„Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später auslieferte, sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben? Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte. Jesus jedoch sagte: Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt! Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. Eine große Menge der Juden hatte erfahren, dass Jesus dort war, und sie kamen, jedoch nicht nur um Jesu willen, sondern auch um Lazarus zu sehen, den er von den Toten auferweckt hatte. Die Hohepriester aber beschlossen, auch Lazarus zu töten, weil viele Juden seinetwegen hingingen und an Jesus glaubten“ (Joh 12,1-11).

Benedikt XVI., aus der Predigt zur  Gedenkmesse am 5. Todestag von Papst Johannes Paul II., 29. März 2010:

Das soeben verkündete Evangelium führt uns nach Betanien, wo, wie der Evangelist schreibt, Lazarus, Marta und Maria dem Meister ein Mahl bereiteten (Joh 12,1–2). Dieses Festmahl im Haus der drei Freunde Jesu ist von Vorahnungen des nahen Todes gekennzeichnet: die sechs Tage vor dem Paschafest; der Vorschlag des Verräters Judas; die Antwort Jesu, der auf eine fromme Begräbnissitte verweist, die Maria im voraus durchführte; der Hinweis darauf, daß sie ihn nicht immer bei sich haben würden; der Beschluß, Lazarus zu töten, in dem sich der Wille widerspiegelt, Jesus zu töten. In diesem Evangeliumsbericht gibt es eine Geste, auf die ich die Aufmerksamkeit richten möchten: Maria von Betanien nahm »ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar« (12,3). Marias Geste ist Ausdruck großen Glaubens und großer Liebe gegenüber dem Herrn: Ihr genügt es nicht, die Füße des Meisters mit Wasser zu waschen, sondern sie salbt diese mit einer großen Menge kostbaren Öls, das – wie Judas einwendet – für dreihundert Denare hätte verkauft werden können. Außerdem salbt sie nicht, wie es üblich war, das Haupt, sondern die Füße: Maria schenkt Jesus das Kostbarste, was sie hat, mit einer Geste tiefer Verehrung. Die Liebe berechnet nicht, sie legt kein Maß an, sie scheut keine Kosten, sie setzt keine Grenzen, sondern sie gibt mit Freude, strebt nur nach dem Wohl des anderen, überwindet die Engherzigkeit, die Kleinlichkeit, den Groll, die Verschlossenheit, die der Mensch manchmal in seinem Herzen trägt.

Maria beugt sich zu den Füßen Jesu nieder in einer demütigen Haltung des Dienstes, wie der Meister selbst es beim Letzten Abendmahl tun wird, wie das Vierte Evangelium sagt: Er »stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goß er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen« (Joh 13,4–5), damit – so sagte er – »auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe« (V. 15): Die Regel der Gemeinschaft Jesu ist die der Liebe, die bis zur Hingabe des Lebens zu dienen weiß. Und der Duft verbreitet sich. Der Evangelist schreibt: »Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt (Joh 12,3)«. Die Bedeutung der Geste Marias, die eine Antwort auf die unendliche Liebe Gottes ist, verbreitet sich unter allen Geladenen; eine Geste der Liebe und der wahren Verehrung Christi bleibt niemals eine persönliche Angelegenheit. Sie betrifft nicht nur die Beziehung zwischen dem einzelnen und dem Herrn, sondern sie betrifft den ganzen Leib der Kirche, sie wirkt ansteckend: Sie verbreitet Liebe, Freude, Licht.

»Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf« (Joh 1,11): Dem Handeln Marias stehen die Haltung und die Worte des Judas gegenüber, der unter dem Vorwand der Hilfe für die Armen den Egoismus und die Falschheit des in sich selbst verschlossenen und von der Habgier gefesselten Menschen verbirgt, der sich nicht vom Wohlgeruch der göttlichen Liebe umhüllen läßt. Judas ist berechnend, wo man nicht berechnend sein kann, er tritt mit Engherzigkeit dort ein, wo der Raum der Liebe, dem Geschenk, der vollkommenen Hingabe gehört. Und Jesus, der bis zu diesem Augenblick geschwiegen hat, verteidigt Marias Geste: »Laß sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses tue« (Joh 12,7). Jesus versteht, daß Maria die Liebe Gottes erfaßt hat, und weist darauf hin, daß seine »Stunde« sich nunmehr nähert, die »Stunde«, in der die Liebe am Holz des Kreuzes ihren erhabensten Ausdruck findet: Der Sohn Gottes schenkt sich selbst hin, damit der Mensch das Leben hat; er steigt hinab in den Abgrund des Todes, um den Menschen zur Höhe Gottes zu führen; er hat keine Angst, sich zu erniedrigen, »gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,8).

In der Predigt, in der er diesen Abschnitt des Evangeliums kommentiert, lädt der hl. Augustinus mit eindrücklichen Worten einen jeden von uns ein, in diesen Kreislauf der Liebe einzutreten, die Geste Marias zu imitieren und uns konkret in die Nachfolge Jesu zu stellen. Augustinus schreibt: »Jeder Mensch, der treu sein will, schließt sich Maria an und salbt die Füße des Herrn mit kostbarem Öl … Salbe die Füße Jesu: Folge dem Herrn nach, indem du ein würdiges Leben führst. Trockne seine Füße mit dem Haar: Gib deinen Überfluß den Armen, dann hast du die Füße des Herrn getrocknet« (In Ioh. evang., 50,6).

 


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