30. März 2021 in Aktuelles
Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: Simon Petrus fragte ihn: Herr, wohin gehst du? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) Dienstag in der Karwoche. „Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, ich sage dir: Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“. Abschied ist angesagt, das Drama der Passion Christi nähert sich. Ein Drama, auf das man eigentlich nicht „vorbereitet“ sein kann, wie dies besonders die Gestalt des Petrus an den Tag legt
An der Person des Apostels Petrus könnten wir sehen, wie ein Mensch den Ruf zur Nachfolge Christi aufnimmt. Petrus höre die Worte des Meisters und werde Zeuge seiner Wunder. Aber er verstehe nur allmählich, was die „Königsherrschaft Jesu“ bedeute. Dem Herrn gehe es nicht um ein irdisches Reich, sondern um den wahren Frieden und die rechte Ordnung, die aus der Hingabe seiner selbst an den Willen des Vaters erwüchsen. „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6, 51).
Vielen bleibe diese Botschaft unverständlich. Sie stelle ihren Glauben auf die Probe: „Petrus gibt uns hier ein Vorbild des Vertrauens und des Großmutes, die dem Wirken Gottes die Herzen öffnen: ‚Herr, du hast Worte des ewigen Lebens’ (V. 68)“. Doch auch Petrus müsse immer wieder die Erfahrung von Schwäche und Versagen machen. Als der auferstandene Christus den Apostel frage: „Liebst du mich?“, meint er eine vorbehaltlose und totale Liebe. Die Antwort des Petrus sei zaghaft und unsicher. Nach dreimaligem Fragen nehme Jesus die schwache und der göttlichen Stütze bedürftige Liebe des Menschen an: „Der Herr kommt uns nahe, und wir dürfen ganz auf die heiligende Gegenwart des Auferstandenen vertrauen: Christus ist der ‚Heilige Gottes’, die Quelle wahrer Freude“.
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„Nach diesen Worten wurde Jesus im Geiste erschüttert und bezeugte: Amen, amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern. Die Jünger blickten sich ratlos an, weil sie nicht wussten, wen er meinte. Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche. Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es? Jesus antwortete: Der ist es, dem ich den Bissen Brot, den ich eintauche, geben werde. Dann tauchte er das Brot ein, nahm es und gab es Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, fuhr der Satan in ihn. Jesus sagte zu ihm: Was du tun willst, das tue bald! 28 Aber keiner der Anwesenden verstand, warum er ihm das sagte. Weil Judas die Kasse hatte, meinten einige, Jesus wolle ihm sagen: Kaufe, was wir zum Fest brauchen! oder Jesus trage ihm auf, den Armen etwas zu geben. Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, ging er sofort hinaus. Es war aber Nacht. Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen. Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ihr werdet mich suchen, und was ich den Juden gesagt habe, sage ich jetzt auch euch: Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen.
Simon Petrus fragte ihn: Herr, wohin gehst du? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen. Petrus sagte zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben. Jesus entgegnete: Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, ich sage dir: Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ (Joh 13,21-33.36-38)
Benedikt XVI., Generalaudienz am 24. Mai 2006:
In diesen Katechesen denken wir über die Kirche nach. Wir haben gesagt, daß die Kirche in den Personen lebt, und deshalb haben wir in der letzten Katechese begonnen, über die Gestalten der einzelnen Apostel nachzudenken, angefangen beim hl. Petrus. Wir haben zwei entscheidende Abschnitte seines Lebens betrachtet: die Berufung am See von Galiläa und dann das Glaubensbekenntnis: »Du bist der Christus, der Messias«.
Ein Bekenntnis, so haben wir gesagt, das noch unzureichend ist, in den Anfängen steht, und das dennoch offen ist. Der hl. Petrus stellt sich in den Weg der Nachfolge. Und so trägt dieses anfängliche Bekenntnis gleichsam im Keim bereits den künftigen Glauben der Kirche in sich. Heute wollen wir zwei weitere wichtige Ereignisse im Leben des hl. Petrus betrachten: die Brotvermehrung – wir haben in dem soeben gelesenen Abschnitt die Frage des Herrn und die Antwort des Petrus gehört – und danach den Herrn, der Petrus dazu beruft, Hirt der universalen Kirche zu sein.
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Seine ungestüme Großherzigkeit bewahrt Petrus freilich nicht vor den Gefahren, die mit der menschlichen Schwäche verbunden sind. Das können wir im übrigen auf der Grundlage unseres eigenen Lebens bestätigen. Petrus ist Jesus mit Eifer gefolgt, er hat die Glaubensprüfung bestanden, indem er sich ihm ganz hingab. Trotzdem kommt der Augenblick, in dem er der Angst nachgibt und fällt: Er verrät den Meister (vgl. Mk 14,66–72). Die Schule des Glaubens ist kein Triumphmarsch, sondern ein Weg, der mit Leiden und Liebe bedeckt ist, mit Prüfungen und einer Treue, die jeden Tag erneuert werden muß. Petrus, der vollkommene Treue versprochen hatte, kennt die Bitternis und die Demütigung der Verleugnung: Der Übermütige lernt auf eigene Kosten die Demut. Auch Petrus muß lernen, schwach zu sein und der Vergebung zu bedürfen. Als ihm endlich die Maske abfällt und er die Wahrheit seines schwachen Herzens, das das Herz eines gläubigen Sünders ist, begreift, bricht er in befreiende Tränen der Reue aus. Nach diesen Tränen ist er bereit für seine Sendung.
An einem Frühlingsmorgen wird ihm diese Sendung vom auferstandenen Jesus anvertraut werden. Die Begegnung wird sich am Ufer des Sees von Tiberias zutragen. Es ist der Evangelist Johannes, der uns das Gespräch überliefert, das bei dieser Gelegenheit zwischen Jesus und Petrus stattfindet. Hier tritt uns in den Verben ein sehr bedeutsames Wortspiel entgegen. Im Griechischen drückt das Verb »philéo« die freundschaftliche Liebe aus, die zwar zärtlich, aber nicht allumfassend ist, während das Verb »agapáo« die vorbehaltlose, allumfassende und bedingungslose Liebe bedeutet. Jesus fragt Petrus beim ersten Mal: »Simon…, liebst du mich (agapâs-me)« mit dieser allumfassenden und bedingungslosen Liebe (vgl. Joh 21,15)? Vor der Erfahrung des Verrates hätte der Apostel sicherlich gesagt: »Ich liebe dich (agapô-se) bedingungslos«. Jetzt, da er die bittere Traurigkeit der Untreue, das Drama der eigenen Schwäche kennengelernt hat, sagt er voll Demut: »Herr, ich habe dich lieb (philô-se)«, das heißt: »Ich liebe dich mit meiner armseligen menschlichen Liebe«. Christus fragt noch einmal: »Simon, liebst du mich mit dieser allumfassenden Liebe, die ich will?« Und Petrus wiederholt die Antwort seiner demütigen menschlichen Liebe: »Kyrie, philô-se«, »Herr, ich habe dich lieb, so wie ich liebzuhaben vermag«. Beim dritten Mal sagt Jesus zu Simon nur: »Phileîs-me?«, »Hast du mich lieb?«. Simon versteht, daß Jesus seine armselige Liebe genügt, die einzige, zu der er fähig ist, und trotzdem ist er traurig darüber, daß der Herr so zu ihm sprechen mußte. Deshalb antwortet er ihm: »Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich lieb habe (philô-se)«. Man möchte fast sagen, daß Jesus sich eher an Petrus angepaßt hat als Petrus an Jesus! Gerade dieses göttliche Anpassen schenkt dem Jünger, der das Leid der Untreue kennengelernt hat, Hoffnung. Daraus erwächst das Vertrauen, das ihn zur Nachfolge bis ans Ende fähig macht: »Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!« (Joh 21,19).
Von jenem Tag an »folgte« Petrus dem Meister mit dem klaren Bewußtsein der eigenen Schwäche; aber dieses Bewußtsein hat ihn nicht entmutigt. Er wußte nämlich, daß er auf die Gegenwart des Auferstandenen an seiner Seite zählen konnte. Vom naiven Enthusiasmus der anfänglichen Zustimmung über die schmerzhafte Erfahrung der Verleugnung und die Tränen der Bekehrung ist Petrus dahin gelangt, sich jenem Jesus anzuvertrauen, der sich seiner armseligen Liebesfähigkeit angepaßt hat. Und so zeigt er auch uns den Weg, ungeachtet all unserer Schwäche. Wir wissen, daß Jesus sich unserer Schwäche anpaßt. Wir folgen ihm mit unserer armseligen Liebesfähigkeit und wissen, daß Jesus gut ist und uns annimmt. Es war für Petrus ein langer Weg, der ihn zu einem zuverlässigen Zeugen gemacht hat, zum »Felsen« der Kirche, weil er ständig für das Wirken des Geistes Jesu offen war. Petrus selbst wird sich als »Zeuge der Leiden Christi« bezeichnen, der »auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird« (1 Petr 5,1). Wenn er diese Worte schreiben wird, wird er schon alt sein und auf das Ende seines Lebens zugehen, das er mit dem Martyrium beschließen wird. Dann wird er in der Lage sein, die wahre Freude zu beschreiben und zu zeigen, wo man sie schöpfen kann: Die Quelle ist Christus, den wir mit unserem schwachen, aber aufrichtigen Glauben lieben und an den wir glauben, trotz unserer Schwäche. Deshalb wird er an die Christen seiner Gemeinde schreiben und sagt auch uns: »Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil« (1 Petr 1,8–9).
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