8. April 2021 in Deutschland
„Bätzing verschweigt, dass Küng die Anerkennung, als ‚katholischer‘ Theologe zu lehren, schon seit über 40 Jahren fehlte“ – DBK-Vorsitzender „positioniert sich auf der Seite des prominenten Kirchenkritikers“. Kommentar von Franz Norbert Otterbeck
Tübingen-Bonn (kath.net) Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gibt bekannt: „Mit dem Tod von Prof. Dr. Hans Küng verliert die theologische Wissenschaft einen anerkannten und streitbaren Forscher. In seinem Wirken als Priester und Wissenschaftler war es Hans Küng ein Anliegen, die Botschaft des Evangeliums verstehbar zu machen und ihr einen Sitz im Leben der Gläubigen zu geben."
Man achte genau auf den Wortlaut: Die Botschaft des Evangeliums ist vielleicht gar nicht zu verstehen ohne Wissenschaftler wie Hans Küng? Einen Sitz im Leben geben ihr solche streitbaren Forscher! Der Bischof von Limburg spricht sogar von einem "anerkannten Forscher". Es besteht gar kein Zweifel, dass der Schweizer Theologe sich Weltruhm erarbeitet hat, mit Fleiß und Talent extrem hohe Buchauflagen erzielte und ein "reiches Erbe" hinterlässt, wortwörtlich. Seine Werke sind durchkomponiert, eingängig, gut lesbar. Aber versteht ihr Leser das Evangelium? Das behauptet nicht einmal Bätzing: "die Botschaft" verstehbar zu machen, das war angeblich sein Anliegen. Die ist vielleicht dann doch vor allem Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung? Oder noch bescheidener: Frohsinn mitten im Leben, ein heiteres Streiten wider den Tod?
Der Lobredner fährt fort: "Hans Küng hat es sich nie nehmen lassen, für seine Überzeugungen einzutreten. Auch wenn es diesbezüglich Spannungen und Konflikte gab, danke ich ihm in dieser Stunde des Abschieds ausdrücklich für sein jahrelanges Engagement als katholischer Theologe in der Vermittlung des Evangeliums." Hier verschweigt Bätzing, dass Küng die Anerkennung, als "katholischer" Theologe zu lehren, schon seit über 40 Jahren fehlte. Es klingt nebenbei an, dass die Pilger des "Synodalen Wegs" in Hans Küng anscheinend ihr Vorbild finden können, für ihre Überzeugung einzutreten, als wehrhafte deutsche Christen, allen Spannungen und Konflikten zum Trotz. Noch nie zuvor war ein Vorsitzender der deutschen Bischöfe so weit "los von Rom" wie der Limburger Bätzing heute: Es trifft zweifellos zu, dass der Dialog der Religionen, ein Bemühen um das so genannte Weltethos, für Küng "ein großes Anliegen" war. Vermittelt man so aber das Evangelium?
Dann holt Bätzing zu einem bösen Kinnhaken gegen die ehrlichen Interpreten des jüngsten Konzils aus: "Hans Küng war zutiefst vom Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt, um dessen theologische Rezeption er sich bemüht hat." Zutiefst! Die Perspektive, aus der Bätzing urteilt, wird noch etwas deutlicher: "In dieser Stunde erinnere ich auch an den Besuch von Prof. Dr. Hans Küng bei Papst Benedikt XVI. im September 2005, kurz nach dessen Wahl." Die Bätzing'schen Schlussfloskeln aus der DBK-Pressemitteilung brauchen wir hier nicht zu berichten. Wohlgemerkt dankt Bätzing nicht dem emeritierten Papst für diese hochherzige Tat, sondern bei ihm ist es Küng, der den Papst besucht! Der Weltethos-Stifter kehrte übrigens schon kurze Zeit danach zu seiner immer angriffslustigen Haltung wider Ratzinger zurück. Diese begründete Küng, der "Kirchenvater der deutschen Kirche", immer mal wieder damit, dass Joseph Ratzinger die Studentenunruhen in Tübingen 1968 kaum verkraftet habe, bevor er sich nach Regensburg begab. Tatsächlich haben beide vielgelesenen Konzilsberater unterschiedlich auf den tiefen Traditionsbruch der späten 1960-er Jahre reagiert. Küng wurde zum Anführer der deutschen Papstkritik, seit seiner "Anfrage" von 1970: Ihm schien die Enzyklika "Humanae vitae" geradezu der wissenschaftliche Beweis gegen die päpstliche Unfehlbarkeit zu sein. Großer Irrtum! Als unbestritten brillanter Analytiker hatte ausgerechnet Hans Küng aus dem Konzilsdokument "Lumen gentium" (Nr. 25) aber richtig herausgelesen, dass die Lehre des Konzils die kirchliche Unfehlbarkeit noch strenger einschärft. Joseph Ratzinger bemühte sich seither um eine sorgfältige Einordnung des Problems: Die päpstliche Unfehlbarkeit sei als der besondere Ausnahmefall der allgemeinen Gewissheit zu verstehen, dass die konkrete, rechtlich verfasste katholische Kirche im Wesentlichen nicht irren könne, unter zuverlässigem Beistand des Heiligen Geistes. Seither standen beide Theologen in einander entgegengesetzten "kirchenpolitischen" Lagern. Bätzing hat jetzt den Tod des Großschriftstellers genutzt, um sich eindeutig auf der Seite des prominenten Kirchenkritikers zu positionieren. Derselbe hatte schon in seinen Memoiren kundgetan, dass er sich, falls er Papst geworden wäre, Johannes XXIV. genannt hätte, ganz bescheiden, weil Hans ja schon sein Taufname war. Die göttliche Vorsehung hatte aber offenbar an einen anderen gedacht, den stillen Gelehrten und umsichtigen Arbeiter im Weinberg des Herrn, mit dem Georg Bätzing so ganz und gar nichts anfangen kann.
Es ist falsch, dass Küng vom Zweiten Vatikanum "geprägt" war. Die Ergebnisse waren für ihn nie von Bedeutung. Die Glaubenskongregation stellte schon 1975 fest, dass Küng mit wesentlichen Auffassungen von der Kirche außerhalb der Lehre des Konzils steht. Er war allerdings tief davon beeindruckt, dass zu seinen Lebzeiten ein Konzil einberufen wurde. Das inspirierte ihn 1960 zu seinem ersten Bestseller: "Konzil und Wiedervereinigung" (der Konfessionen), das aber bereits die methodischen Mängel auch der späteren Werke ankündigt. Küng vereinfachte die so schlicht nicht auflösbaren Probleme: "Mir nach!" (Wir schaffen das!) Vermutlich prägte ihn die Philosophie von G.W.F. Hegel intensiver als die katholische Tradition. So wird jedenfalls verständlich, dass nach Küng der überlieferte Glaube in jeder Epoche zu einer neuen Synthese finde, "dasselbe" in neuen Begriffen aussage. Das deutet auch Bätzing an, wenn er die Verstehbarmachung des "Evangeliums" durch Küng lobt. Hier steckt der Teufel im Detail: Ist das "Christsein" in Küng'schem Verständnis tatsächlich dasselbe, das die Heiligen, die Märtyrer, die großen Theologen dazu herausgefordert hat, ihr Lebenszeugnis für Christus zu geben? Oder verfehlt das vereinfachte Modell das große Ziel? Wer in einem gutkatholischen Milieu die wahre Religion kennenlernte, der kann subjektive Dankbarkeit empfinden, wenn Hans Küng oder Georg Bätzing den Glauben enträtseln, vereinfachen, handlich und bequem machen. Aber niemand möge von Küng-Lektüre eine Bekehrung zum Glauben erwarten. Zweifler und Religionskritiker vermochte er nicht zu überzeugen. Hans Küng erntete großen Applaus in Veranstaltungen weit außerhalb der Kirche, wie ich es selber in Jena im Jahr 2000 einmal erlebte. Er vermochte jedoch keine Einführung in die Herzmitte des Christentums zu leisten, was bestimmt nicht am etwas langweiligen Vortragsstil lag. Man wollte den weltberühmten "Feind des Papstes" erleben, mehr nicht, auch wenn er stets um Geltung um seiner selbst willen bemüht war, zuletzt mithilfe seiner beachtlichen, dreibändigen Memoiren. Sie kreisen um ein großes Ego, das nicht dienen wollte, sondern ganz eigenwillige Maßstäbe setzen. Das Urteil der Kirche hingegen spricht, Gott sei Dank, niemand sich selber aus. Es folgt wahrscheinlich gar nicht so selten dem Urteil Christi, des Herrn aller Zeit.
Archivfoto Bischof Bätzing (c) Bistum Limburg
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