15. April 2021 in Kommentar
„Zum 70. Jubiläum von Bischof Bätzing könnte es dann soweit sein, dass deutsche Theologen ein Symposium abhalten: ‚Pilatus – ein Miterlöser?‘“ Satire von Franz Norbert Otterbeck
Köln (kath.net) Stellen wir uns vor, es hätte im Jahr 39 n. Chr. in Rom bereits eine katholische Universität gegeben. Die Professoren treten zusammen und möchten einem berühmten Statthalter von Judäa, drei Jahre zuvor aus Jerusalem heimgekehrt, die Doktorwürde ehrenhalber verleihen. Die epochalen Erkenntnisfortschritte in Theologie und Humanwissenschaften erzwingen es geradezu! Da zugleich der 60. Geburtstag des allseits als Vermittler anerkannten, heiteren und leutseligen Politikers naht, wird überdies eine Festschrift ins Auge gefasst, Arbeitstitel: "Wer bin ich zu urteilen?" Einige deutsche Geistesgrößen haben schon Beiträge eingereicht: Wolfgang F. Gruener will die Abschaffung der Ehe, Stefan Hartwurst fordert die Abschaffung der Beichte, Peter Graf Karfiol befürwortet die Abschaffung der Sünde. Unter dem Pseudonym "Schwester Karla Murx" wurde ein Aufsatz aus München vorgeschlagen: "Fressen als Moral". Das Redaktionskomitee beharrt allerdings darauf, nur unter Echtnamen zu publizieren. Jedoch hat die "Stiftung Weltkrieg" in Tubingia, aus dem Nachlass eines unbekannten Verfassers, den besten Text übersandt: IESVS SEQVESTER DEI. Jesus? Nie gehört! Da müssen wir mal den lieben Jubilar fragen ...
Tatsächlich wurde 1961, vor 60 Jahren, in Caesarea Maritima eine Inschrift gefunden, die bestätigt, dass es den Präfekten Pontius Pilatus gegeben hat, wie es das Neue Testament berichtet. Manche vermuten, dass er im Jahr 39, also neun Jahre nach der von ihm befohlenen Kreuzigung Christi, sein Leben in Rom durch Suizid beendete. Es besteht also kein Anlass, diese Persönlichkeit theologisch zu würdigen. Aber heute ist anscheinend alles möglich. Spalter werden Versöhner genannt und Versöhner sind Spalter. Pilatus ein Prophet? Ratzinger ein Spalter, Küng ein Versöhner? Bischof Bätzing möchte vielleicht beiden großen Namen gerecht werden, rutscht aber "altersbedingt" ins Lager des Kirchenkritikers ab. Sein aktuelles Grußwort zum Ramadan stimmt, wie ähnliche Aussagen des Tübingers, nicht ausreichend mit der Lehre des jüngsten Konzils überein. Gewürdigt wurde dort, dass die Muslime auch "den einen" Gott anbeten und Abraham verehren. Aber sie beten nicht "denselben" Gott an wie wir Christen. Kein Muslim könnte je das "Vater unser" beten. Es wäre Gotteslästerung. Insoweit Abraham der Urheber des jüdischen Glaubens ist, sind auch wir Christen späte Kinder des Patriarchen, jedoch vermittelt durch Jesus Christus. Der Islam hat ein anderes Bild von Abraham und führt sich auf ihn zurück, ohne dass eine historisch tragfähige Herleitung dessen möglich ist. Die Redeweise von drei "abrahamitischen" Religionen weist also in die Irre. Den Koran, wörtlich: die 'Rezitation' Gottes, können wir nicht Offenbarung nennen. Wohl aber gehört die Geschichte Israels dazu, aus der Jesus, der Menschennatur nach, hervorging: geboren aus der Jungfrau Maria. (Dieses Faktum glauben auch Muslime.)
Die Stellung Jesu im Islam, der ihn unter den Propheten hervorhebt, sieht es vor, dass er am Ende der Geschichte wie eine Art "Konkursverwalter" Allahs erscheinen wird. Er führt den Endkampf an, zerstört das Kreuz, tötet die Schweine ... Manche moderne Theologen wünschen sich heute – nur symbolisch – einen Jesus, der vom Himmel herabsteigt und die Kirche unter Zwangsverwaltung nimmt. Sie unterstellen dabei, dass eine solche ihre Interessen durchsetzen würde. Die Herrschaft Christi über seine Kirche ist jedoch anderer Art. Sie offenbart sich nicht in der Mehrheitsmeinung bestimmter Fakultäten oder synodaler Gremien. Die gewöhnliche, wenn auch nicht ausschließliche Gegenwart Christi in der Kirche nimmt "den Dienstweg". Es entscheiden die zuständigen Stellen! Allerdings erschwert der Trend zur "Anarchie statt Hierarchie" in unseren Breiten das Verständnis dafür, dass dieses Konzept weiterhin trägt. Speziell die deutsche Kirche scheint von einer Bonzokratie regiert zu werden, aus Klerus und Laienbeamten, deren Gleichgültigkeit gegenüber Glauben und Frömmigkeit vieler guter Seelen immer noch ansteigt.
Insofern ist es gar nicht so sehr aus der Luft gegriffen, dass dem einen oder anderen Jubilar eine "Festgabe" voller absurder bis lächerlicher Meinungsäußerungen überreicht werden könnte. Immer mal wieder heißt es, dass Beiträge in Festschriften veröffentlicht werden, weil sie anderswo nicht zu publizieren waren. Eine Festschrift zum 60. Jahrestag der Auffindung der Pilatus-Inschrift hat bislang niemand vorgeschlagen. Dem Ereignis wird noch keine besondere Bedeutung zuerkannt. Aber zum 70. Jubiläum könnte es dann soweit sein, dass deutsche Theologen ein Symposium abhalten: "Pilatus - ein Miterlöser?" Denn die Botschaft des Evangeliums muss ja anhand der 'Zeichen der Zeit' immer neu verstanden werden. Tagungsort wird dann vielleicht das Bischofshaus in Limburg sein, unter seinem neuen Namen "Villa Weltethos".
Symbolbild: Verwirrung
© 2021 www.kath.net