Kardinal Müller: „Ich halte Benedikt XVI. für einen Kirchenlehrer der Zukunft“

16. April 2021 in Interview


Müller zum 94. Geburtstag von Joseph Ratzinger: „Als 20-Jährigem hat mir sein Buch ‚Einführung in das Christentum‘ Tür zum Verständnis der Offenbarung als der geschichtlich präsenten Wahrheit Gottes geöffnet.“ kath.net-Interview von Lothar Rilinger


Vatikan (kath.net) Papst em. Benedikt XVI./Joseph Ratzinger feiert am 16. April 2021 seinen 94. Geburtstag. Aus Anlass dieses denkwürdigen Tages erinnert sich der vormalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, im KATH.NET-Exklusiv-Interview an seine inzwischen freundschaftliche Verbindung mit dem emeritierten Papst. Wir haben mit Kardinal Müller den Weg nachgezeichnet, den er mit Benedikt XVI./Ratzinger gemeinsam gegangen ist – zuerst als Student aus der Entfernung, dann als Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, als Bischof von Regensburg und schließlich als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre und damit als engster Mitarbeiter des Papstes, um jetzt als Herausgeber der gesammelten Schriften des Jubilars mitzuwirken, das umfangreiche Werk der wissenschaftlichen Welt, aber nicht nur dieser, zugänglich zu machen. Dieses Gespräch ist eine Hommage, die die Dankbarkeit der beiden Gesprächspartner Müller und Rilinger ausdrücken soll, Benedikt XVI. durch die Schriften auf die Entfernung einerseits und durch persönliche Gespräche des Kardinals andererseits begegnet und dadurch im Denken beeinflusst worden zu sein. Das Gespräch soll aber auch eine Gratulation zum Geburtstag ausdrücken, verbunden mit dem Wunsch, dass der Herr seine schützende Hand auch weiterhin über Papst em. Benedikt XVI. halten möge.

 

Ordinarius und Honorarprofessor in München

Lothar Rilinger: Wann sind Sie auf Prof. Ratzinger aufmerksam geworden?

Kardinal Gerhard Müller: Ich meine, dass ich als Student Prof. Ratzingers Vorträge über die Taufe in der Katholischen Akademie Bayern in München gehört habe. Wegen Überfüllung musste alles auf die Straße übertragen werden. Prof. Ratzinger war damals 1969/70 der große Stern am deutschen Theologenhimmel.

Rilinger: Haben Sie mit ihm zusammen öffentlich diskutiert oder eine Schrift herausgegeben, bevor Ihnen die Aufgabe übertragen wurde, die Herausgeberschaft der „Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften“(JRGS), erschienen im Herder-Verlag zu Freiburg/Brg., zu übernehmen?

Kard. Müller: Die Herausgeberschaft seiner Gesammelten Werke begann 2008 mit dem 11. Band der Gesammelten Schriften zum Thema der „Theologie der Liturgie“. Es war der Wunsch des Papstes, dass die 16-bändige Gesamtausgabe mit der Liturgie, die ihrem Wesen nach Verehrung Gottes und Heilsvermittlung an die Menschen ist, beginnen soll. Vorher habe ich auch mal einige seiner Schriften besprochen und vorgestellt. Aber man muss bedenken, dass ich bei dem Altersabstand von 20 Jahren als Professor nie sein Kollege war.

Rilinger: Gab es zwischen Ihrer Arbeit und der von J. Ratzinger Berührungspunkte?

Kard. Müller: Mich hat immer beeindruckt, dass Joseph Ratzinger in seinem theologischen Denken ein waches Gespür für die tieferen Verschiebungen im Geistes- und Kulturleben hatte, die dann zu großen Diskussionsthemen in der Theologie geworden sind. Schon 1960 hat er die Gottesfrage im Horizont des Säkularismus in den Mittelpunkt gestellt, was man im 3. Band der gesammelten Schriften mit verfolgen kann. Ich erinnere auch an seinen großen Beitrag zu der damals heftigen Diskussion über die Eschatologie im 9. Band der Katholischen Dogmatik, die er zusammen mit Johann Auer im Jahr 1977 herausgegeben hat. Im Vergleich zur damaligen Neuscholastik hat er einen existentiellen Ansatz vertreten, wie er den großen Denkern Augustinus und Bonaventura, die sich im Stil auch von dem aristotelisch geprägten Thomismus unterscheiden, zu eigen ist. Man kann aber nicht sagen, dass damit der objektiv-sachliche Ansatz des hl. Thomas von Aquin abschätzig behandelt worden sei. Es gibt in der Theologie die legitime Pluralität der Stile und geistigen Wahlverwandtschaften, die den Reichtum des katholischen Geisteslebens ausmachen. In diesem Konzert kommt es auf die Harmonie des Zusammenspiels der verschiedenen Stimmen an.

Rilinger: Sind Sie durch die theologischen und philosophischen Schriften von Joseph Ratzinger in Ihrem Denken beeinflusst worden?

Kard. Müller: Als 20-Jährigem hat mir am Anfang meines Studiums sein Buch „Die Einführung in das Christentum" aus dem Jahr 1968 die Tür zum Verständnis der Offenbarung als der geschichtlich präsenten Wahrheit Gottes geöffnet – einer Wahrheit, die von uns im Akt des Glaubens und im sakramentalen Ereignis der Taufe in unsere gesamte Existenz aufgenommen wird. Wer glaubt, lebt nicht mehr von sich her und in sich eingeschlossen, sondern von Christus her und in ihm. Der auf den Tod und die Auferstehung Christi Getaufte sagt von sich: „Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat." (Gal 2, 20).

Rilinger: Gab es theologische oder philosophische Fragen, die zu einem öffentlichen Disput mit Joseph Ratzinger geführt haben?

Kard. Müller: Ich selbst habe keinen öffentlichen Disput mit ihm in seiner Professorenzeit geführt, was schon – wie gesagt – vom Altersabstand her unmöglich war. Ich kam zwar von der Rahner-Lehmann-Schule her, aber ich habe mich auf keine Schuldiskussionen eingelassen. Ich erinnere mich aber an die Kontroversen mit Walter Kasper, Hans Küng oder Gisbert Greshake, die allerdings jeweils andere Themen und Methoden der Theologie betrafen.

Rilinger: Hat sich Ihr Verhältnis zu Joseph Ratzinger auf den wissenschaftlichen Bereich beschränkt oder kamen Sie sich auch persönlich näher?

Kard. Müller: Persönlich habe ich ihn erst näher kennen gelernt, als ich 1998 in die Internationale Theologenkommission, der ich bis 2003 angehörte, berufen wurde. In dieser Zeit bot er mir das Du an, das ich aber nie öffentlich gebraucht habe. Einen Kardinal oder gar den Heiligen Vater spricht man öffentlich mit der gebührenden Achtung an und man soll sich auch nicht vor andern mit der Vertraulichkeit, die dem privaten Umgang zugehört, wichtig machen.

Rilinger: Wie würden Sie Joseph Ratzinger als Menschen charakterisieren?

Kard. Müller: Ich glaube, dass es mir nicht zusteht, ihn oder überhaupt andere Menschen öffentlich zu charakterisieren, was immer ein Urteil über eine Person ist. Was – mit allem Respekt – zu sagen ist, hat m. E. Peter Seewald in seiner über 1000seitigen Biographie (Droemer Verlag 2020) hervorragend erschlossen. Was ansonsten sich so an Ratzinger-Bashing auf dem Marktplatz tummelt, ist meist Dummenfang und Geldmacherei von Schlaumeiern und Wichtigtuern, die die Sensationslust der Masse geschickt auszubeuten wissen.

Rilinger: Welchen Stellenwert messen Sie dem wissenschaftlichen Werk von Joseph Ratzinger im weltweiten theologischen und philosophischen Diskurs bei?

Kard. Müller: Wer einen wachen Sinn für den Dienst der wissenschaftlichen Theologie an der Kirche als Sakrament des Heils der Welt hat und interessiert ist an den nach der Wahrheit suchenden Menschen der Gegenwart, wird in den Beiträgen Joseph Ratzingers zur Theologie und Philosophie geistige Orientierung und spirituelle Bereicherung finden. Den vielen Christen, die nicht direkt von der akademischen Theologie herkommen, sei empfohlen, mit dem 13. und 14 Band der Gesammelten Schriften, die aus mehreren Teilbänden bestehen und die seine großen Interviews und Predigten enthalten, einzusteigen.

Rilinger: Könnte das theologische und das philosophische Werk von Joseph Ratzinger die weitere Entwicklung der Römisch-Katholischen Kirche wesentlich beeinflussen?

Kard. Müller: Ich halte ihn für einen Kirchenlehrer der Zukunft.

Rilinger: Können Sie sich vorstellen, dass die Politische Philosophie von Joseph Ratzinger Einfluss auf die Politik nehmen könnte?

Kard. Müller: Seine Beiträge zu Europa oder sein Vortrag im Deutschen Bundestag am 22.9.2011 sind zukunftsweisend.

 

Bischof in Regensburg (2002-2012)

Rilinger: Haben Sie als Bischof Verbindung mit Kardinal Ratzinger als dem Präfekten der Glaubenskongregation gehabt?

Kard. Müller: Ja, der Präfekt der Glaubenskongregation ist auch der Vorsitzende der Bibelkommission und der Internationalen Theologischen Kommission, der ich von 1998 bis 2003 angehörte. Ich wurde 2007 als Mitglied in die Glaubenskongregation berufen, als er schon Papst war. Benedikt XVI. hat mich dann am. 2. Juni 2012 zum Präfekten dieser Kongregation ernannt. Zum Fest der Cathedra Petri kreierte mich sein Nachfolger Papst Franziskus zum Kardinal.

Rilinger: Haben Sie als Bischof von Regensburg Verbindung mit Joseph Ratzinger gehabt, nachdem er als Papst Benedikt XVI. den Thron Petri bestiegen hatte?

Kard. Müller: Ja, auch über seinen Bruder Georg Ratzinger, der in Regensburg als emeritierter Domkapellmeister lebte, nachdem er 30 Jahre lang den weltbekannten Chor der „Regensburger Domspatzen" musikalisch geleitet hatte.

Rilinger: Können Sie die Verbindung mit Joseph Ratzinger näher beschreiben?

Kard. Müller: Wenn er seinen Bruder Georg in Regensburg besucht hatte, kam er auch mit ihm zu uns ins Bischofshaus. Ich denke besonders an die Silvesterabende in den Jahren 2002 bis 2004, die wir gemeinsam verbringen und, da ich am letzten Tag des Jahres Geburtstag habe, auch gemeinsam diesen feiern konnten. Einmal hat mich Joseph Kardinal Ratzinger sogar bei einer Festmesse vertreten, als mich eine kleinere Operation im Krankenhaus festhielt. Als Benedikt XVI. als Papst im Rahmen seines Besuchs in Bayern auch Regensburg aufgesucht hatte, wohnte er zwar im Priesterseminar, doch haben wir uns privat in der Wohnung seines Bruders Georg getroffen. Auch hat mich Papst Benedikt in meiner römischen Wohnung, die ja lange Jahre seine eigene war, zu einem freundschaftlichen Besuch aufgesucht. Wenn sein Bruder nach Rom gekommen war, haben wir uns ebenfalls privat bei Benedikt XVI. getroffen, auch dann noch, als er seinen Rücktritt als Papst erklärt hatte.

Rilinger: Haben Sie sich im Missbrauchsverfahren mit Kardinal Ratzinger oder später mit Papst Benedikt XVI. abgestimmt?

Kard. Müller: Heute scheint sich alles um dieses Thema zu drehen, so dass die Kirche mit den Sexualverbrechen einzelner ihrer Verantwortlichen assoziiert wird. Die Kirche ist nicht das, was sich eine entchristlichte Öffentlichkeit darunter vorstellt oder auch nicht das üble Zerrbild, das von ihr gezeichnet wird. Die Kirche ist die Stiftung Gottes. Sie ist der Leib Christi und der in seinem Wort und in den Sakramenten gegenwärtige Christus. Er gewährt den Mitgliedern der Kirche trotz ihrer Fehler und Sünden seine Vergebung, wenn wir Reue und Leid erwecken und wenn wir Buße tun. Zu meiner Zeit in Regensburg war ein kanonisches Verfahren anhängig, das mit dem vom Papst verfügten Ausschluss des Betreffenden aus dem Klerikerstand abgeschlossen wurde. Es wurde später aber viel negative Propaganda gegen mich über Fälle inszeniert, die sich 50 Jahre vor meinem Amtsantritt als Bischof von Regensburg ereignet hatten und mit deren Aufarbeitung nach der Meldung an die Diözesanleitung auf meine Weisung hin begonnen wurde. Mein Nachfolger hat die Arbeit fortsetzen lassen und abgeschlossen und dafür die verdiente Anerkennung geerntet.


Präfekt der Glaubenskongregation unter Papst Benedikt XVI. (2012-2013)

Rilinger: Papst Benedikt XVI. hat Sie im Jahr 2012 zum Präfekten der Glaubenskongregation berufen. In der Festschrift zu Ihrem 70. Geburtstag „Der dreifaltige Gott. Christlicher Glaube im säkularen Zeitalter“ (Herder Verlag 2017) hat Benedikt XVI. in einem persönlich gehaltenen Grußwort an Sie selbst die Gründe benannt, weshalb er Sie zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt hat: Ich zitiere: „Persönlich konnte ich Dich dann kennenlernen, als die Deutsche Bischofskonferenz Dich als Mitglied der Internationalen Theologenkommission vorgeschlagen hatte. In ihr bist Du vor allem durch den Reichtum Deines Wissens und die von innen her kommende Treue zum Glauben der Kirche aufgefallen. Als im Jahr 2012 Kardinal Levada seine Arbeit als Präfekt der Glaubenskongregation aus Altersgründen niederlegte, erschienst Du nach allem Überlegen als der am meisten geeignete Bischof, um diese Aufgabe zu übernehmen." (S. 8f) Bestand Ihre Aufgabe als Präfekt auch darin darin, Benedikt XVI. theologisch, philosophisch oder politisch zu beraten?

Kard. Müller: Ja, das ist die Aufgabe der Kongregation mit ihren 25 Mitgliedern im Kardinals- und Bischofsrang, zusammen mit dem Arbeitsstab von etwa 40 Sachbearbeitern. Der Präfekt leitet die Kongregation und trägt dem Papst die Ergebnisse vor, damit dieser dann die letzte Entscheidung zu den Glaubensfragen und in den kanonischen Prozessen treffen kann.

Rilinger: Wie haben Sie als Präfekt mit Papst Benedikt XVI. zusammengearbeitet?

Kard. Müller: In der Regel sind es die wöchentlichen Audienzen, in denen der Präfekt die unterschriftsreifen Arbeitsergebnisse der Kongregation dem Papst vorlegt.

Rilinger: Wie waren die Besprechungen mit Benedikt XVI. organisiert?

Kard. Müller: Es werden die Punkte der Tagessordnung und die einzelnen Fälle nach und nach dem Papst vorgetragen, und er entscheidet entweder sofort oder er behält sich die Akten zum weiteren Studium vor.

Rilinger: Haben Sie im Auftrag von Benedikt XVI. die Missbrauchsverfahren geleitet?

Kard. Müller: Ja, im amtlichen Auftrag als Präfekt der Kongregation, der als dem höchstem Apostolischen Gericht die Letztentscheidung in diesen Gerichtsverfahren zukommt. Es gibt hier eine Verfahrensordnung, die einzuhalten ist. Es wird da nichts über den Daumen gepeilt, wie es mit den antikatholischen Stereotypen der Boulevardpresse dem unwissenden Publikum sensationslüstern vorgegaukelt wird.

Rilinger: Welche Fragestellungen waren Benedikt XVI. besonders wichtig?

Kard. Müller: Als großem Theologen lagen ihm naturgemäß am meisten die Thematiken um die katholische Glaubenslehre am Herzen. Denn der Papst ist nicht zuerst ein global player im internationalen Machtspiel oder in Themen des Umweltschutzes, der Migration und der Brüderlichkeit, von der viel in der Theorie die Rede und wenig in der Praxis zu spüren ist. In der Zeit falscher Akzentsetzungen sollte sich jeder Geistliche – vom Papst angefangen bis zum jüngsten Kaplan – wieder in Erinnerung rufen lassen, „dass das Gut der Gnade einer einzelnen Person größer ist als das Gut des ganzen Weltalls." (Thomas von Aquin, Summa theologiae I-II q. 113 a.9 ad 2.)

Der Nachfolger des Apostels ist von Christus eingesetzt, um die Kirche im Bekenntnis zu Jesus dem Sohn Gottes zu vereinen, seine Brüder auf dem gemeinsamen Weg der Nachfolge Christi zu bestärken und die Herde Christi als guter Hirte auf die „Weide" des Wortes Gottes und seiner Gnade zu führen. Das weltliche Engagement für soziale Gerechtigkeit und den Frieden unter den Völkern ergibt sich aus der moralischen Autorität dieses Amtes bei den Menschen guten Willens, auch wenn sie nicht zur katholischen Kirche gehören. Gegenüber der falschen, aber populistisch wirkungsvollen Bescheidenheit, die in Selbstrelativierung des Petrus-Dienstes auf sogenannte „historische Titel" verzichten will, begründet das II. Vatikanum den Dienst des Papstes an der Einheit der Universal-Kirche im Glauben und der Gemeinschaft der Bischöfe mit seiner Einsetzung durch Christus als „Nachfolger Petri, Stellvertreter Christi und sichtbares Haupt der ganzen Kirche, dem Haus des lebendigen Gottes." (Lumen gentium 18).

Rilinger: Haben Sie die Auslandsreisen und die ad-limina-Besuchen für Papst Benedikt XVI. vorbereitet?

Kard. Müller: Für die Pastoralreisen ist das Staatsekretariat zuständig. Bei den ad-limina-Besuchen kommen die Bischöfe auch zu einem Treffen mit der Glaubenskongregation zusammen. Die Kongregation informiert den Papst natürlich vorher auch über die Themen und Probleme eines Landes in den Fragen, für die sie zuständig ist.


Herausgabe der gesammelten Schriften von Joseph Ratzinger (JRGS)

Rilinger: Aus welchem Grund wurde das Institut Papst Benedikt XVI. gerade in Regensburg gegründet?

Kard. Müller: Einfach, weil es meine Idee war. Als Bischof von Regensburg habe ich das Institut Papst-Benedikt XVI. gegründet, dafür kompetente Mitarbeiter gewonnen und mit den sachlichen Mitteln ausgestattet. Professor Dr. Voderholzer war der erste Direktor und wirkt heute als mein Nachfolger im Regensburger Bischofsamt als der beste Promotor des Instituts. Mein Schüler Dr. Christian Schaller ist einer der bestens ausgewiesenen Ratzinger-Kenner und der bewährte Leiter der wissenschaftlichen Arbeiten bei der Herausgabe des Gesamtwerkes und aller damit verbundenen Studien.

Rilinger: Was ist die Aufgabe dieses Instituts?

Kard. Müller: Es ist die Herausgabe aller Schriften von Joseph Ratzinger, außer den amtlichen Texten, die mit seinem Pontifikat verbunden sind. Außerdem ist dort die gesamte Literatur von und über Ratzinger gesammelt, so dass das Institut der weltweit bekannteste Ort für Ratzinger-Studien ist.

Rilinger: In welchem Verhältnis steht das Institut Papst Benedikt XVI. in Regensburg zur Römischen Bibliothek Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI.?

Kard. Müller: Die Aufgaben sind verschieden, wenn man nur an die Herausgabe der Schriften denkt. Aber die römische Stiftung soll auch die italienische Übersetzung in die Hand nehmen und Studien zu Ratzinger ideell und finanziell fördern.

Rilinger: Welches Konzept liegt der Herausgabe der JRGS zu Grunde?

Kard. Müller: Zum Glück konnte das Konzept zu seinen Lebzeiten noch mit Joseph Ratzinger selbst abgesprochen werden, und er begleitet es mit Rat und Tat. Es fehlen jetzt nur noch zwei Bände und der Registerband, so dass wir kurz vor dem Abschluss stehen. Es geht nicht um eine chronologische Abfolge seiner Beiträge, wodurch der Überblick verlorengehen würde. Natürlich ist es leicht, die vorhandenen gedruckten Bücher in die Gesamtausgabe zu integrieren. Viel Arbeit jedoch bereitet die sachliche Ordnung der unzähligen kleineren Beiträge, die über einen Zeitraum von 60-70 Jahren entstanden sind. Somit sind die einzelnen Bände nach Sachthemen geordnet. Der Leser kann aber dennoch leicht die Chronologie erkennen und somit durch entsprechende Studien die Evolution des Denkweges von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. rekonstruieren.

Rilinger: Werden als Supplementbände auch die Schriften wie Predigten und Ansprachen, die Benedikt XVI. selbst verfasst hat, herausgegeben?

Kard. Müller: Die Frage steht noch aus, ob in einer Supplement-Reihe auch die päpstlichen Predigten und Ansprachen herausgegeben werden sollen. Sie sind ja leicht auf der Homepage des Vatikans zugänglich.

Rilinger: Werden die Enzykliken im Rahmen der Gesamtausgabe ebenfalls herausgegeben?

Kard. Müller: Ich meine, dass das nicht notwendig ist, da sie auf der Homepage des Vatikans und den Acta Apostolicae Sedis ohne weiteres zugänglich sind. Aber man wird sehen.

Rilinger: Ist daran gedacht, die bestimmt umfangreiche Korrespondenz von J. Ratzinger/Benedikt XVI. herauszugeben?

Kard. Müller: Ich meine, das müsste er entscheiden und in seinem Testament genaue Anweisungen geben, wie mit seiner privaten Korrespondenz zu verfahren ist. Die amtlichen Schreiben gehören dem Archiv des Heiligen Stuhles an. Da wird man sich an die allgemeinen Richtlinien halten.

Rilinger: Eminenz, ich danke Ihnen für die Darlegungen.

Lothar C. Rilinger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R., Stellvertretendes Mitglied des Niedersächischen Staatsgerichtshofes a.D.. Außerdem ist er Autor des Buches VRBS AETERNA. Bd.3

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