Also gut, Bischof Bätzing, reden wir über Sex

19. April 2021 in Kommentar


Es geht darum, den Menschen das zu nehmen, was die Kirche ihnen zu schenken hat. Pardon, Herr Bischof, halten Sie an mit dem Geplapper über Lebenswirklichkeit. Davon verstehen Kleriker nichts. Müssen sie auch nicht - Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Es hat etwas Albernes an sich. Fast schon eine Peinlichkeit ist es, doch das liegt nicht an dem Wort „Sex“. Wir leben in einer so durchsexualisierten Welt, dass man kaum eine Internetseite findet, die nicht mit Sex Geschäfte machen will. Albern und peinlich ist es, wenn auf der Webseite des Nachrichtenkanals „ntv“ ein Bild von einem alten weißen Mann in lindgrüner Kasel (99,9% derer, die die Seite aufrufen werden nicht wissen, was sie sehen.) und weißer Mitra prangt, der ein wenig fassungslos in die Kamera schaut. Titelzeile: »"Lehre nicht mehr zeitgemäß" Bischof Bätzing will über Sex sprechen.«

Nun wird sehr schnell klar, dass der Bischof wohl kaum über Sex als solchen wird reden wollen. Wozu auch, denn als zölibatär lebender Mann, der er zumindest vorgibt zu sein, dürfte er für Sextipps kaum Verwendung haben. Zumal, pardon, in dem Alter die Libido der meisten Männer ohnehin sanft abzukühlen beginnt. Das Feuer der jungen Jahre weicht, ohne sich allzu sehr abzukühlen, dennoch einer wissenden Gelassenheit und Ruhe. Nein, weder Stellungen noch Techniken sind es, die den Bischof interessieren. Es geht darum, die Moral zu dekonstruieren.

Es geht darum, den Menschen das zu nehmen, was die Kirche ihnen zu schenken hat. Pardon, Herr Bischof, halten Sie an sich mit Geplapper über Lebenswirklichkeit. Davon verstehen Kleriker nichts. Müssen sie auch nicht. Sollten sie vielleicht auch gar nicht. Und wenn doch, dann geht es uns Laien einen Sch***dreck an. Auch Kleriker müssen ihre Sünden im Beichtstuhl beichten, nicht in der Öffentlichkeit. Schon immer, so lange es Menschen gibt, habe diese seit dem Eintreten der Sünde in die Welt, also nach dem Sündenfall, kreuz und queer durcheinander gepimpert. So what!

Doch auch das ist wahr: Schon seit es Menschen gibt, hat es Menschen gegeben, die dennoch danach gestrebt haben, so zu leben, wie es „am Anfang“, nämlich unmittelbar nach der Schöpfung war. Mann und Frau sind aufeinander hin geschaffen und füreinander geschaffen. Und dennoch, selbst die, die unbedingt danach streben, fallen und sündigen.

Auch das sollte man wissen, Sex ist eine Kraft, eine Kraft, die es dem Menschen ermöglicht, am Schöpfungshandeln Gottes teilzunehmen. Es ist ganz sicher nicht verkehrt, wenn man von einer Kraft spricht, die nahezu göttlichen Charakter hat. Naturreligionen wissen darum. Glauben doch viele Weisheitslehren, der sexuelle Höhepunkt vereine den Menschen mit dem Göttlichen. Keine Droge, keine Ekstase, keine Höchstleistung vermag den Menschen in einen solchen Zustand zu versetzen.

Wie kommt man eigentlich allen Ernstes darauf, eine solche Kraft könne nicht schlimmsten Schaden anrichten, wenn sie diabolisch pervertiert wird. Ja, selbst wenn man glaubt, es sei Liebe, was man empfindet, selbst eine als Liebe empfundene verkörperlichte Lust, die in falsche Kanäle geleitet wird, vermag schweren Schaden auszulösen. In Folge der sexuellen Revolution der 68er machte man einen Hype um das „erste Mal“, als wäre das etwas mystisch-religiöses. Tatsächlich pervertierten die sexuellen Revolutionäre die Hochzeitsnacht. Die Schäden sind beträchtlich.

Die von Gott gestiftete Ehe ist ein Sakrament, ein Zeichen des Heils. Dazu gehört nicht nur der Sex, er hat dort – im sakramentalen Bund von Mann und Frau – seinen einzig wahren Platz, seinen geordneten Platz, weil hier der Ort ist, wo sich die schöpferische Kraft Gottes manifestiert, wenn Mann und Frau ein Kind zeugen. In der stabilen, auf Dauer angelegten und für Nachwuchs offenen Lebensgemeinschaft von Mann und Frau liegt so viel Heilskraft und heilende Kraft für die Welt, dass Gott diesem Bund von Mann und Frau seinen besonderen Segen gegeben hat.

Jeder Mensch, der nicht völlig zugekifft durch die Welt läuft, weiß, dass die Lebenswirklichkeit der Menschen eine Lebenswirklichkeit von gebrochenen Ehen, gebrochenen Verträgen, gebrochenen Versprechen und gebrochenen Biografien ist. Das ist so, weil die Erbsünde die Natur des Menschen gebrochen hat. Nicht, dass der Mensch nicht anders könnte, die Freiheit hat auch die Erbsünde dem Menschen nicht rauben können. Die Verlockungen sind aber so groß, dass es enormer Kraftanstrengung bedarf, um ihnen nicht zu erliegen. Wer wüsste besser darum als Gott, der den Menschen geschaffen hat. Und wer käme allen Ernstes auf die Idee, der Teufel wolle ausgerechnet diesen Teil des Heilshandelns Gottes nicht nachäffen.

Gott weiß um die Schwäche des Menschen und Gott liebt den Menschen. So wurde dem Menschen zuerst das Gebot gegeben. Die Menschen wurden von Richtern geführt und von Propheten gelehrt. Am Ende der Zeiten sandte Gott seinen Sohn, um uns neben der Gerechtigkeit auch die Barmherzigkeit zu zeigen. Und wieder findet der Mensch eine neue Form zu pervertieren, indem er denkt, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit seien ein Widerspruch. Das Gegenteil ist der Fall. Nur der Gerechte vermag barmherzig zu sein und nur der Barmherzige ist wirklich gerecht.

Die Lebenswirklichkeit der Menschen ist auf ein einziges Wort gebracht: Die Sünde. Und nur die Logik der Sünde ist – zu allen Zeiten – wirklich zeitgemäß. Wer also die Lehre zeitgemäß gestalten will, muss die Lehre der Sünde anpassen. Im Grunde ist damit die Geschichte der Menschheit seit der Vertreibung aus dem Paradies beschrieben. Der Mensch will, dass seine verdorbene Lebenswirklichkeit für sakrosankt erklärt wird.

Macht man sich das klar, so muss man einsehen, dass man vor einem Bischof, der die Lehre der Kirche, die nur einem dient, dem Heil der Menschen, der Zeit (=der Sünde) anpassen will, nur weglaufen kann. Bloß nicht hinhören, denn diese vergifteten Worte lauten so, wie sie schon immer lauteten: Stellt Euch nicht so an, tut, was Euch gut tut, lebt nach Eurer Lebenswirklichkeit. Ihr werdet sein wie Gott! Ups! Woher kennen wir das noch gleich? Es gibt nicht neues. Und wirklich, was Bischof Bätzing will, ist nicht einmal originell.

Abgesehen davon, dass es ein Bild der Lächerlichkeit und Peinlichkeit ist, wenn dieser alte weiße Mann in Kasel unter Mitra über Sex reden will, ist das, worüber er reden will, folglich nichts anderes als der Welt nach dem Mund zu reden. Und da muss man sagen: Danke, aber Danke nein. Was bitte könnte Bischof Bätzing über Sex sagen, was man nicht schon vor fünfundvierzig Jahren im Playboy gelesen hätte. Wenn es um Sex geht: Charles Bukowski statt Georg Bätzing! Ersterer hatte so eine herrlich brutale, ausdrucksstarke Sprache. Letzterer ist nur langweilig.

Vielleicht lesen wir für eine zeitgemäße Adaption der Sexualmoral doch lieber die Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II. und versuchen uns daran, diese für die breite Masse nachvollziehbar in Lehre und Verkündigung zu integrieren.

Das wäre heilsamer und … ganz ehrlich … deutlich weniger peinlich.

 

LET´S TALK ABOUT SEX mit Maria und Jakob Gfrerer - Ausschnitt aus Sunday Morning


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