12. Mai 2021 in Chronik
Johannes Paul II. war der große Mystiker auf dem Papstthron - Dieser Zug verstärkte sich noch nach dem Mordkomplott vom 13. Mai 1981, das nie aufgeklärt wurde - Von Ludwig Ring-Eifel und Johannes Schidelko
Rom (kath.net/KAP) Der 13. Mai 1981 in Rom. Wie an jedem Mittwoch fährt Papst Johannes Paul II. während der Generalaudienz im offenen Jeep über den Petersplatz. Rund 30.000 Menschen jubeln ihm zu, der Papst segnet, küsst Kinder, lächelt. Dann sackt er zusammen; mehrere Schüsse aus einer Neun-Millimeter-Pistole, von dem türkischen Terroristen Ali Agca aus wenigen Metern Entfernung abgefeuert, haben ihn getroffen.
Nicht alle auf dem weiten Platz haben begriffen, was gerade geschehen ist. Die in der Nähe Stehenden schreien in Panik. Der Jeep startet durch, Papstsekretär Stanislaw Dziwisz hält den stark blutenden Johannes Paul II. in seinen Armen. Eine Dreiviertelstunde später liegt der Verwundete auf dem OP-Tisch der Gemelli-Klinik. Er überlebt trotz schwerer innerer Verletzungen und starker Blutungen. Seine volle Gesundheit und seine Sportlichkeit sollte er nie mehr zurückerlangen.
Genau 64 Jahre zuvor, 13. Mai 1917: Nahe dem kleinen Ort Fatima in Portugal haben drei Kinder beim Viehhüten eine Erscheinung. Wie eines von ihnen später berichtet, spricht eine in Weiß gekleidete Frau zu ihnen. Sie sagt, dass sie vom Himmel komme, und trägt ihnen auf, den Rosenkranz zu beten. Sie kommt noch einige Male wieder, jeweils am 13. des Folgemonats, und macht Prophezeiungen über einen neuen Weltkrieg und die mögliche Bekehrung Russlands - zwei der sogenannten Geheimnisse von Fatima. Nicht alle Prophezeiungen werden bekannt. Es gibt Gerüchte über ein düsteres "Drittes Geheimnis". Aus Fatima wird einer der bekanntesten Wallfahrtsorte der Welt.
Als Johannes Paul II. später über das Attentat von 1981 spricht, sagt er, er habe schon im Moment, als er im Jeep zusammenbrach, gespürt, dass jemand ihn beschützt habe: die in Fatima erschienene Muttergottes. Für ihn war es kein Zufall, dass er ausgerechnet an ihrem Gedenktag um Haaresbreite dem Tod entkam.
Das dritte Geheimnis
Genau ein Jahr nach dem Attentat besuchte der Papst 1982 Fatima, ebenso 1992. Und am 13. Mai 2000 sprach er die zwei Seherkinder Jacinta und Francisco, in Fatima selig. Erst bei dieser Gelegenheit ließ er das von Legenden umwobene Dritte Geheimnis bekanntgeben: eine Weissagung, wonach ein weiß gekleideter Bischof, von Kugeln getroffen, zusammenbrach.
Für den polnischen Papst stand außer Zweifel, dass sich jene Vision von 1917 auf das Attentat bezog, das er am 13. Mai 1981 nur knapp überlebte. Johannes Paul II. glaubte an ein weltweites, geschichtsmächtiges Wirken der Muttergottes, das sich 1917, im Jahr der russischen Oktober-Revolution, den drei Hirtenkindern in Portugal offenbart habe.
Dass er Maria auch beim Sturz des Kommunismus am Werk sah, bekannte er unmissverständlich bei der Fatima-Feier 1991, nur wenige Monate nach dem Untergang der Sowjetunion und zehn Jahre nach dem noch immer ungeklärten Attentat auf dem Petersplatz. Damals dankte er der "Mutter der Nationen" für die "unerhofften Veränderungen, die den allzu lang unterdrückten und erniedrigten Völkern das Vertrauen zurückgegeben" hätten.
Ungelöstes Kriminalrätsel
Die Hintergründe des Attentates von 1981 gehören seit 40 Jahren zu den ungelösten Rätseln der Kriminalgeschichte. Der damals 23-jährige Ali Agca wurde noch in der Nähe des Tatorts gefasst, verurteilt, nach 19-jähriger Haft in Italien 2000 an die Türkei ausgeliefert und schließlich 2010 freigelassen. Über seine Hintermänner und Helfershelfer, über Motive und Logistik tappt man bis heute im Dunkeln.
Schon vor dem Papstbesuch 1979 in Istanbul hatte Agca, ein türkischer Terrorist aus dem Umfeld der "Grauen Wölfe", lauthals angekündigt, Johannes Paul II. töten zu wollen. Bei seinen Vernehmungen durch die italienische Justiz belastete er zunächst den bulgarischen Geheimdienst, dann auch den KGB.
Bald verstrickte er sich in Widersprüche, legte falsche Spuren, versuchte offenbar, Verbindungslinien zu verwischen und Helfer zu schützen. Beim großen Prozess 1985/86 gegen die mutmaßlichen Hintermänner legte er mehr als 100 Versionen des angeblichen Hergangs vor. Zeitweise zog er die islamistische Karte, dann gab er den wirren Einzeltäter, behauptete schließlich: "Ich bin Jesus Christus".
KGB im Fokus
Bis heute spricht vieles dafür, dass Agcas Auftraggeber aus dem Zentrum des kommunistischen Ostblocks kamen. In Moskau, Warschau, Sofia und Ostberlin sah man offenbar im polnischen Papst eine ernste Gefahr für das gesamte System. Der frühere Papstsekretär Kardinal Dziwisz vertrat in seinen Memoiren die Ansicht, dass weder die türkische Mafia oder die "Grauen Wölfe" noch die Bulgaren hinter dem Komplott steckten, sondern der Moskauer KGB.
Copyright 2021 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten
© 2021 www.kath.net