19. Mai 2021 in Kommentar
Die aktuelle Laschet-Attacke auf die Werteunion beflügelt Grüne und AfD – „Wo bleibt das ‚christliche Menschenbild‘ der Union bei Abtreibung, Gewaltpotenzial und Antisemitismus unter islamischen Zuwanderern, Genderideologie?“ Von Jürgen Henkel
Berlin (kath.net/jh) Armin Laschet und die Union aus CDU und CSU wollen scheinbar mit Gewalt die Bundestagswahlen im September krachend verlieren und im Deutschen Bundestag künftig die Oppositionsbänke drücken, um Annalena Baerbock dann stressbefreit beim Regieren zuzuschauen oder den Grün*innen als Juniorpartner zu dienen wie in Baden-Württemberg. Nachdem die CDU in Thüringen mit der Nominierung von Hans-Georg Maaßen ein klitzekleines Hoffnungszeichen in Richtung Konservative aussandte – für viele konservative Wähler die erste gute Nachricht aus der CDU seit Jahren – reitet nun Kanzlerkandidat Armin Laschet völlig grundlos eine neue heftige Attacke gegen die Werteunion bei einer Versammlung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU.
Der CDU ist wirklich nicht mehr zu helfen. Die Werteunion vertritt nichts anderes als die Union in ihren besten Zeiten, als der geistig-politische Kompass noch stimmte und CDU wie CSU wirklich von liberalkonservativ-bürgerlichen über christlich-soziale Positionen bis hin zu demokratischen Patrioten alle Strömungen in der Mitte und im demokratischen rechten Spektrum abdeckten. Das waren die Jahre und Jahrzehnte, als die Partei in Bundesländern absolute Mehrheiten holte oder im Bund nach dem einmaligen Erfolg von Konrad Adenauer 1957 mehrfach daran kratzte, am deutlichsten Helmut Kohl 1976 mit 48,6 Prozent.
Unvergessen bleiben freilich die Auftritte von Kanzlerin Merkel und ihrer Wunderwaffe Ursula von der Leyen am Wahlabend 2017 nach dem desaströsen Unions-Wahlergebnis bei der letzten Bundestagswahl. Merkel strahlte bei ihrer ersten Stellungnahme stolz in die Kameras mit dem Hinweis, der Wahlkampf habe ihr Spaß gemacht, sie wisse nicht, was sie politisch in den letzten Jahren hätte anders machen sollen und ein paar Prozent mehr hätten es ruhig sein dürfen. So kann man/frau sich auch aus Wirklichkeit und Verantwortung verabschieden. Und auf den Hinweis von Alexander Gauland in der Talkshow bei Anne Will, es gäbe keine AfD im Bundestag, wenn die CDU heute noch die alte wäre und CDU-Politik machen würde, giftete von der Leyen Gauland an: diese alte konservative Union von gestern wolle man gar nicht mehr haben, sondern eine moderne, attraktive, urbane und frische Union.
Nun: Die Wähler haben die Ansage der letzten Jahre verstanden und die Union auf „moderne“ 25 Prozent in Wahlen und Umfragen heruntergeholt, die Konservativen sind wunschgemäß abgewandert. Wer seine treuesten Stammwähler vergrault, wer lieber auf Laufkundschaft statt Stammkunden setzt, braucht sich über den ausbleibenden Erfolg nicht zu wundern. Zu Zeiten eines Alfred Dregger oder Heinrich Lummer, eines Franz Josef Strauß, Fritz Zimmermann oder Carl-Dieter Spranger konnten sich (Wert)Konservative und demokratische Patrioten noch bei der Union wahrgenommen und gut aufgehoben wissen. Letztere waren es übrigens, die in Deutschland gegen alle linke Propaganda und Status-quo-Politik immer den Gedanken an die Wiedervereinigung hochgehalten haben und sich dafür als Revanchisten, Ewiggestrige und kalte Krieger beschimpfen lassen mussten. Dem großen Christdemokraten, Patrioten und Europäer Helmut Kohl schließlich verdanken Land und Volk die Wiedervereinigung. Man reibt sich heute Augen und Ohren gleichermaßen verwundert bis entsetzt, wenn nun der als Kreuzritter gestartete und zum Baumumarmer mutierte CSU-Chef Markus Söder sich von Helmut Kohl und der „Kohl-CDU“ abgrenzt.
In den letzten 16 Jahren freilich setzte die „CDU-Kanzlerin“ Merkel selbst Schritt für Schritt eine rotgrüne Agenda um, an die Baerbock im Falle ihres Wahlsiegs inhaltlich nahtlos anknüpfen kann. Gerne zitieren Unionspolitiker wie der glühende Merkelist und Ex-Fraktionschef Volker Kauder das „christliche Menschenbild“ als geistige Grundlage für die Politik der Union, wobei das inhaltlich eher vages Kauderwelsch bleibt. Er bestreitet regelmäßig auch gleich präventiv, dass CDU und CSU konservative Parteien seien. Nur was soll das noch für ein christliches Menschenbild sein, das Kauder & Co. so gerne im Mund führen, um die christliche Grundierung der Union zu betonen? Wolfgang Ockenfels und Martin Lohmann haben schon 2009 in ihren klugen, mahnenden wie prophetischen Büchern über das „C“ der CDU diese inhaltliche Entkernung der Merkel-CDU bis hin zur Selbstaufgabe kritisiert.
Wo bleibt das „christliche Menschenbild“ der Union bei Fragen wie Abtreibung und Lebensschutz, Gewaltpotenzial und Antisemitismus unter islamischen Zuwanderern, der Genderideologie als Staatsdoktrin oder dem medial zwangsaufoktroyierten Gender-Schrecksprech? Wo bleibt der politische Einsatz gegen die Christenverfolgungen weltweit? Kauder hat dies immerhin regelmäßig thematisiert, blieb allerdings ziemlich alleine dabei, auch in der Union. Zu lukrativ sind wohl die Geschäfte mit Chinesen und Arabern im Unternehmerumfeld vieler Abgeordneter. Dieses Schweigen der Lämmer bei solchen Themen ist längst konservative Grundhaltung.
Die Unions-Führung arbeitet sich heute lieber an der Werteunion und Persönlichkeiten wie Maaßen ab, statt die intellektuelle Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern um politische gesellschaftliche Deutungshoheit aufzunehmen und der – gerade auch über zwangsgebührenfinanzierte Medien und staatssubventionierte „Kulturschaffende“ erzeugten – linken Gesellschafts- und Kulturhegemonie noch etwas entgegenzusetzen. Wer heute für „Freiheit statt Sozialismus“ plädiert – wie Strauß im Bundestagswahlkampf 1980 plakatieren ließ –, der denkt eher an Wolfgang Kubicki, Christian Lindner und die FDP als an CDU und CSU, erst recht nach über einem Jahr mäandernder wie lähmend phantasieloser Corona-Politik à la Merkel.
Bewähren musste sich die Union übrigens immer gegen heftigen Widerstand des linken Lagers und Zeitgeistes, das sei zu der Mär der sich so unglaublich „wandelnden Zeiten“ festgehalten. „Die Zeiten“ haben sich immer „gewandelt“, der Zeitgeist steht seit den 1968er Gesellschaftsrevoluzzern immer stramm links und die Zeichen auf Revolution und Sturm, ganz im Sinne von Herbert Marcuse. Unter Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß hatte die Union aber immer genug Rückgrat und hielt dem stand: bei der Westintegration und bei der Wiederbewaffnung, bei der NATO-Nachrüstung der 1980er Jahre, beim Festhalten am Abtreibungsverbot und Wiedervereinigungsgebot und zuletzt bei der Wiedervereinigung selbst.
CDU und CSU waren immer besonders stark bei Gegenwind. Sie hatten stets den Anspruch, Politik und Gesellschaft zu prägen, gerade auch im Gegenüber von prinzipientreuer Realpolitik versus linker Ideologie(n). Damit „setzten“ CDU und CSU Moderne und prägten die jeweilige Zeit! Die politischen Prinzipien von Christdemokraten und Christsozialen waren (vor Merkel!) im Wesentlichen immer die der Katholischen Soziallehre. Und das waren nie die schlechtesten Prinzipien für Deutschland und Europa. Unter der Präsidial- und Harmoniekanzlerin Merkel hat die Union jedoch das inhaltlich-intellektuelle Kämpfen verlernt, die CDU degenerierte stärker zum Kanzlerwahlverein denn je zuvor.
Die Union geht heute vor Zeitgeist und Mainstream in die Knie. Sie setzt dem nichts mehr entgegen und bekämpft sich und ihre politischen Wurzeln noch selbst in Gestalt der Werteunion, statt diesen traditionsreichen Flügel wieder zu integrieren. CDU und CSU versuchen nicht einmal mehr, Konservativen echte inhaltliche und personelle Angebote zu machen. Selbst Söder als Chef der traditionell konservativeren CSU will explizit keine „konservative CSU“ mehr, sondern schwärmt vereint mit seinem Generalsekretär blumig von einer „CSU der Modernität“. Merkel, Laschet und zuletzt auch Söder schlagen den politisch und religiös Konservativen ständig die Tür vor der Nase zu und wundern sich dann über die Wahlergebnisse der letzten Jahre und die Umfragen dieser Wochen.
Wenn nun Kanzlerkandidat Armin Laschet ohne Grund die Werteunion so attackiert wie jetzt beim EAK, statt sich ernsthaft darum zu bemühen, diese von Merkel missachtete bis geschundene einst treue Klientel für die Union wiederzugewinnen, dann ist das kein Ausdruck politischer Weitsicht, sondern vor allem selten dämlich. So geht’s für die erst sozialdemokratisierte und jüngst vergrünte Union mit Volldampf in den Abgrund! Und so erfreut und beflügelt die Laschet-Attacke auf die Werteunion vor allem die Grün*innen und die AfD: die Ökosozialisten, weil die Union ohne die wertkonservativ-christlichen und demokratisch-patriotischen Wähler stabil unter 30 Prozent bleiben wird; die AfD wiederum, weil Laschet & Co. ihr diese Wähler regelrecht in die Arme treiben!
Sahra Wagenknecht von der Partei Die Linke hat jüngst übrigens erklärt, es sei nicht wünschenswert, dass es in deutschen Städten Viertel gebe, wo die „Einheimischen“ in der Minderheit seien. Respekt! Früher wäre dies eine klassische Position der Union gewesen. Vor Merkel. Vor Laschet. Vor Söder. In dieser ablaufenden Legislaturperiode haben die unionsgeführte Bundesregierung und die Mehrheit des Deutschen Bundestages hingegen den sogenannten „Migrationspakt“ auf „Muttis“ Wunsch durchgewunken, jene Garantie der Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme, die die Einwanderungs- und Abtreibungspartei der Grün*innen in Ekstase versetzt und Merkels unverantwortliche Flüchtlingspolitik nachträglich legitimieren soll. Und die CSU-Landesleitung lädt ein zu einer Europakonferenz, bei der ausgerechnet eine Referentin der linksliberalen Open-Society-Stiftung des zwielichtigen Milliardärs George Soros den Christsozialen das Europa der Zukunft erklären soll.
Wenn die Union so weitermacht, wird sie eine Verzwergung erleben wie vorher die SPD. Dann ist die Zeit vielleicht reif für eine neue christliche, bürgerliche und konservative Partei in Deutschland: konservativer als die heutige Union, christlicher als die FDP und bürgerlicher, europafreundlicher und gemäßigter als die rechte AfD mit ihren Höckes.
Dr. Jürgen Henkel ist evangelischer Theologe und Publizist sowie Bezirksvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CSU/EAK in Oberfranken.
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