Kardinal Pell zum Synodalen Weg: ‚Wir brauchen keine zweite protestantische Kirche’

28. Mai 2021 in Weltkirche


Die Missbrauchsskandale könnten kein Grund dafür sein, die katholische Lehre grundlegend zu ändern. Wer sich an die Lehre der Kirche halte, begehe keinen Missbrauch, betonte der Kardinal.


Vatikan (kath.net/KAP/jg)

„Sind wir Diener und Verteidiger der apostolischen Tradition, des Glaubens, der Offenbarung – oder deren Herren, so dass wir sie grundlegend ändern könnten?“ Dies sei die entscheidende Frage, die sich die Katholiken bei synodalen Prozessen stellen müssten, sagte George Kardinal Pell in einem Interview mit Kathpress.

Pell bezog sich auf den „Synodalen Weg“ der Kirche in Deutschland und auf das bevorstehende Plenarkonzil der Kirche in Australien. Mit den genannten Prozessen wollen die Verantwortlichen Vertrauen zurückgewinnen, welches durch die Missbrauchsskandale in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Die Missbrauchsfälle müssten aufgearbeitet werden, betonte Pell, dies könne aber kein Grund dafür sein, wesentliche Lehraussagen der katholischen Kirche aufzugeben. Wer glaube, die „furchtbare Krise verlange ein völliges Umdenken bei unseren Strukturen oder der Art, wie wir leben“, unterliege einer totalen „Fehlinterpretation“, sagte er wörtlich.

Missbrauch und schwere Fehler würden nicht dadurch entstehen, dass jemand der kirchlichen Lehre folge. „Jemand, der sich an die Lehre hält, begeht keinen Missbrauch“, betonte er.

Pell ist davon überzeugt, dass ein Abgehen von der katholischen Lehre den Mitgliederschwund in der Kirche nicht aufhalten würde. „Wir brauchen keine zweite protestantische Kirche; liberale Protestanten verlieren noch viel schneller und mehr Mitglieder als wir“, sagte er wörtlich. Der christliche Glaube sei attraktiv, wenn er sich an dem orientiere, was Jesus Christus gelehrt habe.  „Religiöse Gruppen, die eine feste, klare Lehre haben, überleben besser als liberale. Die Kinder liberaler Christen werden Agnostiker“, sagte Pell.

Finanzreform weist in die richtige Richtung

Die von Papst Franziskus eingeleitete Reform der Finanzen des Vatikan sieht der ehemalige Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates positiv. Die wichtigste Maßnahme ist nach seiner Ansicht die Einrichtung eines Expertengremiums, welches den Heiligen Stuhl bei Finanzinvestitionen berät. Es sei seit Jahrzehnten bekannt gewesen, dass der Vatikan mit verdächtigen und unseriösen externen Finanzpartnern zusammen gearbeitet habe.

Vieles wofür er sich vor seiner Beurlaubung 2017 eingesetzt habe, habe sich als richtig erwiesen, sagte Pell rückblickend. Die Entlassung des Generalrevisors 2017 sei ein Fehler gewesen, ebenso die Kündigung von Verträgen mit externen Beratern wie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers, betonte der Kardinal.

 


© 2021 www.kath.net