3. Juni 2021 in Spirituelles
"Als Du auf der Erde unter uns warst, zogst Du mit einer Schar von Leuten umher, Menschen umdrängten Dich, fassten Dich an. Heute weinen wir nicht, wir fühlen Dich nicht, wir fühlen uns nicht" - Betrachtung zu Fronleichnam von Dagmar Dewald
Würzburg (kath.net)
O heiliger Leib des Herrn! An Deinem Festtag dürfen wir Dir nicht durch die Straßen folgen, Dir nicht singen, Dich nicht anbeten. Immerhin, wir dürfen Dir wieder in Deinem Haus begegnen und im Brot empfangen. Immerhin ... Vorangemeldet, abgezählt, auf Einbahnlaufwegen zum abgetrennten Platz geführt, meterweit voneinander entfernt. Dein Haus ist gut gelüftet und keimfrei gemacht. Auch wir treten mit desinfizierten Händen vor Dich hin, bedecken Mund und Nase. Wir bleiben nicht zu lange, die Luft soll sich nicht mit Erregern anreichern.
Daher auch mit leisem Gesang, ohne Bläser und Chor. Der Hauch des Todes soll uns nicht befallen. Nicht durch Weihwasser, nicht durch den Priester, den Kommunionspender oder durch Dich selbst, durch Deinen heiligen Leib. Plexiglasscheiben, Bedeckung und die Abtötung von Keimen bannen die drohende Ansteckung. Dein heiliger Leib wird uns nicht einzeln mit „der Leib Christi“ zugesprochen. Wir erhalten ihn nur in die Hand, vielleicht mit Zange oder einzeln abgepackt, oder wir nehmen ihn uns selbst, penibel sauber. Dich, den heiligen Leib des Herrn.
Als Du auf der Erde unter uns warst, zogst Du mit einer Schar von Leuten umher, die Menschen umdrängten Dich, fassten Dich an. Du berührtest sie, legtest ihnen die Hand auf, bliesest sie an, benetztest sie mit Speichel, suchtest überall ihre Nähe, um sie zu heilen. Du nahmst Brot in die Hand, sprachst über ihm den Segen, nanntest dieses Brot Deinen Leib, gabst es Deinen Jüngern und sagtest ihnen, sie sollen es genauso tun. Deinen heiligen Leib gabst Du unter großen Schmerzen für uns hin, ließest ihn zum Verrat küssen, ließest ihn misshandeln und töten. Übersät von blutenden Wunden, Hände, Füße und Herz durchbohrt, empfing ihn Deine Mutter in ihrem Schoß und umfasste ihn. Die Frauen wickelten ihn in Tücher und beweinten ihn.
Heute weinen wir nicht, wir fühlen Dich nicht, wir fühlen uns nicht. Wir sind zu beschäftigt, die Vorgaben zur Begegnung mit Dir eifrig und gründlich auszuführen. Wir haben sie uns selbst auferlegt, um „Leben“ zu bewahren. Heute weint nur unsere Seele, und unserem Leib ist kalt, weil er nicht mehr sein darf wie Dein Leib. Ein Leib nach Deinem Bild, ein Leib, der dem Anderen, auch dem Fremden nahe kommt und seine Wärme verströmt, der ihm die Hand reicht, in den Arm nimmt. Ein Gesicht, das sich ansehen lässt, ein Mund, der sichtlich lacht und spricht.
Warum spüren wir nicht, was vorgeht? – Schleichend haben sich unsere Begegnungen entleiblicht. Schon länger schauen wir mehr in den Bildschirm als in Gesichter, schon länger reden wir mehr mit Geräten als mit Menschen. Elektronik hält uns einander vom Leib, Ohrenstöpsel schirmen uns ab. Jetzt aber halten wir bewusst Abstand, machen einen Bogen umeinander, bedecken uns voreinander mit Masken. Zum gegenseitigen Schutz. Wir bringen schon Kindern bei, dass wir mit Atem und Hand einander tödlich sind. Wir tun das voller Glauben, einen Tod zu verhindern.
Doch was wiegt dieser Tod gegenüber dem vielfachen Tod durch andere Krankheiten, durch Gewalt und Hunger? Und wie viel gemessen am wahren Tod, dem Tod der Seele? Während wir meinen, den Leib vor einem bestimmten Tod zu bewahren, grassiert der Tod der Seele in ungekanntem Ausmaß, ohne dass es uns kümmert. Dieser große, ewige Tod geht auch aus vom Leib des Menschen und trifft tödlich den Schuldigen wie den Unschuldigen: Abtreibung, Scheidung, Pornografie, wahlloser Sex. Ausbeutung durch Prostitution, Leihmutterschaft, Organhandel. Es ist ein Netz des Todes, das sich längst über die ganze Welt spannt. Gerade jetzt unter „Corona“ wird dieses Netz durch Gesetze und Propaganda enger geknüpft und straffer gezogen. Eine Pandemie, die nun voll entfesselt ist. Ihr Todeshauch, ihr eiserner Todesgriff erschüttert die Menschheit in ihrem Bestand.
In jedem einzelnen Geschundenen ist es Dein heiliger Leib, der von diesen Taten misshandelt und getötet wird. Wir heilen ihn nicht, wir verhindern es nicht, wir merken es nicht einmal. Was tun wir da mit Dir und mit den Menschen, was unterlassen wir schuldhaft? Hilf uns, rette uns, damit wir nicht aneinander zugrunde gehen. Mach uns gesund durch Deinen heiligen Leib.
Lass es wieder keimen durch uns und unsere Familien. Das haben wir, vielleicht auch andere, jetzt neu erfahren und gespürt, dass unsere Familien der Ort der Liebe und der Zärtlichkeit sind, von dem neues Leben ausgeht. Gemeinsam mit Dir können wir aufbrechen. Lass uns die Kinder in die Mitte, in die Arme nehmen und neuen Mut schöpfen, dass wir die Mauern der Furcht überwinden, die uns jetzt von einander trennen. Lass uns bei den Nächsten beginnen, geh mit uns zu den Alten, Kranken und Einsamen, die uns so entbehren. Zeig uns den verlorenen Weg. Lass uns einander Segen und Freude sein durch unseren Leib, damit wir uns in Dir begegnen, o heiliger Leib des Herrn!
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