Missbrauch – „Ich wehre mich dagegen, dass die Schuld allein bei den Klerikern gesucht wird“

11. Juni 2021 in Deutschland


Früherer ZdK-Präsident Hans Maier im „Christ in der Gegenwart“: „Mitbetroffen durch die Kirchenkrise – und zuständig für die fällige Aufarbeitung des Unheils – sind alle, die sich zur Kirche bekennen.“


Freiburg (kath.net/pl) „Die Erkenntnis wächst, dass alle in der Kirche – alle! – Verantwortung für das Geschehene übernehmen müssen: Bischöfe, Priester, Ordensleute, aber auch die Laien – also die Christgläubigen insgesamt.“ Das erläuterte der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prof. Hans Maier, im Interview mit dem in Freiburg erscheinenden „Christ in der Gegenwart“. Natürlich müssten jene, „die für offenkundiges Unrecht unmittelbar verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden“, statuierte er weiter, doch wehre er sich „dagegen, dass die Schuld allein bei den Klerikern gesucht, bei ihnen gewissermaßen abgeladen wird“. In diesem Falle läge nämlich „ein Klerikalismus umgekehrter Art“ vor. Von der Kirchenkrise mitbetroffen und damit „für die fällige Aufarbeitung des Unheils“ zuständig seien vielmehr „alle, die sich zur Kirche bekennen. Sühne und Wiedergutmachung können wir nur gemeinsam schaffen.“ Insgesamt stellte Maier aber fest, dass sich die „Zeichen für einen Neuanfang“ mehren würden.

Maier, der in wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag feiern wird, weist darauf hin, dass „wenn man heute zu Recht nach den systemischen Ursachen der Kirchenkrise fragt, dann muss auch der Klerikalismus in uns allen diskutiert und mit Entschiedenheit in Frage gestellt werden“. Er fragt weiter, wie es dazu habe kommen können, dass „Opfer in so großer Zahl so leicht zu Opfern werden, manchmal in Heimen, Schulen, Klöstern sogar im Kollektiv?“ Seine Interpretation war: „Offenbar war da eine etablierte Gehorsams- und Unterwerfungskultur im Spiel, die bei vielen zur Wehrlosigkeit führte – eine anerzogene Demut im Verhalten, die Demütigungen bewusst in Kauf nahm, ja diese manchmal sogar als verdiente Strafe und Buße ausgab.“

Zum Synodalen Weg und zur vom Papst für die Weltkirche ausgerufenen Synodalität äußerte Maier, dass Papst Franziskus „mit einiger Mühe“ seinen Weg suche. Dabei kämpfe er „offensichtlich gegen große Widerstände, in Rom wie auch in einigen Teilen der Weltkirche, etwa in den USA“. Dies erkläre vermutlich auch, „weshalb er in jüngster Zeit Vorstöße der deutschen Katholiken in Einzelheiten korrigiert“ habe. „Mit der Einberufung einer längerdauernden weltweiten Synode – fast schon einem Konzil! – hat er aber nun einen point of no return geschaffen, der ihn und die ganze Kirche verpflichtet.“ Man sollte diese Chance „mit Freude und Fantasie wahrnehmen“.


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