Ist Joe Biden exkommuniziert?

21. Juni 2021 in Kommentar


Präsident Biden hat seit Beginn seiner Amtszeit immer wieder Schritte unternommen, die in den USA und weltweit die Tötung ungeborener Kinder direkt oder indirekt erleichtern - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Die Bischöfe in den USA haben es sich nicht leicht gemacht mit ihrer Entscheidung in der vergangenen Woche. Es wird ein umfassendes Schreiben erarbeitet, das den Empfang der Kommunion regelt. Natürlich geht es mehr oder weniger direkt um die Frage, ob der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auf Grund seiner Maßnahmen pro Abtreibung exkommuniziert ist. Das Kirchenrecht sagt sehr klar, ein Katholik, der Abtreibung fördert, ist exkommuniziert. Wenn die Präsidenten der USA in der Regel Protestanten sind, berührt es katholische Bischöfe hinsichtlich ihrer Jurisdiktion wenig, ob ein Präsident pro life oder pro choice ist. Natürlich kann es niemanden kalt lassen, wenn sich ein Staats- und Regierungschef aktiv für Zulassung der Tötung ungeborener Kinder einsetzt. Aber es geht nun einmal um Fragen der Jurisdiktion. Insofern dieser Präsident, wie es nun zum zweiten Mal in der Geschichte der USA der Fall ist, ein Katholik ist, berührt es die Bischöfe eindeutig. Der aktuelle Umstand verlangt eine Entscheidung.

Nicht, dass dies irgendwo in der Welt anders wäre. Vielmehr ist das, was sich derzeit in den USA ereignet, geradezu mustergültig für Bischofskonferenzen weltweit. Das betrifft nicht nur die Entscheidung, es betrifft auch das Ringen darum. Niemand sollte sich Illusionen hingeben, ein katholischer Bundeskanzler könnte die Abtreibung in Deutschland beenden. Es gibt schlicht und ergreifend keine parlamentarische Option, den Schutz des menschlichen Lebens an seinem Beginn in Deutschland zu verbessern. Das ist Fakt. Doch wäre das ein Freispruch? Ein Blick in die USA kann helfen.

Präsident Biden hat seit Beginn seiner Amtszeit immer wieder Schritte unternommen, die in den USA und weltweit die Tötung ungeborener Kinder direkt oder indirekt erleichtern. Kein US- Präsident kann per Erlass in den USA Abtreibungen untersagen. Es gibt eine, bis dato leider immer noch nicht wieder revidierte höchstrichterliche Entscheidung, die Frauen die Abtreibung grundsätzlich erlaubt. Doch der Präsident kann mit Hilfe administrativer Maßnahmen Abtreibungsorganisationen den Zugriff auf öffentliche Gelder erschweren oder unmöglich machen. So lange Organisationen wie Planned Parenthood für ihre Lobbyarbeit in den USA und Weltweit auf Staatsgelder zugreifen können, ist ihnen ihr schauriges Handwerk allzu sehr erleichtert.

Nach allem, was jetzt zu erkennen ist, werden die Bischöfe in den USA die Taten oder Unterlassungen der einzelnen Personen konkret und im Einzelfall bewerten. Das ist immer noch politisch genug, denn moralisch einwandfrei wäre in der Tat nur der unbedingte Kampf gegen die Tötung von Menschen in jeder Phase ihres Lebens. Dabei muss einfach jeder, der hier zu einer fairen Bewertung kommen will, eingestehen, dass der politische Alltag eines Regierungsmitgliedes oder Parlamentariers immer Konzessionen verlangt. Zu bewerten ist nicht, was als unabänderbar ohne persönliche Zustimmung hingenommen wird. Zu bewerten ist, was aktiv getan oder unterlassen wird. Die Bewertung politischen Handelns wird bei aller moralischen Klarheit immer politische Unabänderlichkeiten mit bewerten müssen.

Bezogen auf die Situation in Deutschland wäre beispielsweise zu bewerten, wie sich ein katholisches Regierungsmitglied hinsichtlich des Verfassens von Erlassen und Verordnungen oder ein katholischer Parlamentarier bei einer parlamentarischen Abstimmung in Fragen des Lebensschutzes oder der Bioethik verhält. Dazu wäre immer ein konkrete Einzelfallbeurteilung nötig. Es wäre aber in der Tat nötig, wie es derzeit in den USA geschieht, katholischen Politikern klarzumachen, dass ihre Regierungs- oder Abstimmungsverhalten, insofern es in Konflikt mit der Lehre der Kirche in Fragen des Glaubens und der Sitten gerät, deutliche Konsequenzen hat.

Diese Klarheit lässt sich derzeit in Deutschland vermissen. Wer also als Politiker mit der Organisation „Donum vitae“ aktiv kooperiert, sollte von den Bischöfen gesagt bekommen, welche Konsequenzen damit einhergehen. Im Ernstfall kann ein Politiker sich die Exkommunikation zuziehen, der Strukturen fördert, die Abtreibungen begünstigen. Wer sich als Politiker übergriffig in die Ämterfrage der Kirche einmischt oder in Glaubensfragen öffentlich Irrtümer vertritt, muss von Bischöfen gemeinsam, seinem zuständigen Diözesanbischof konkret auf die Folgen hingewiesen werden. Statt also, wie es hier in Deutschland – zum Teil sogar von Seiten der Bischöfe selber – passiert, den Glauben zu dekonstruieren, wäre es dringend nötig, auf die Konsequenzen von Irrtümern und absichtlichen Verstößen gegen die Lehre hinzuweisen.

Das Ringen der US- Bischöfe wird mit der Erarbeitung eines konkreten Papiers seine Fortsetzung finden. Der Anfang ist gemacht. Das ist weitaus mehr als in vielen anderen Ländern. Der Weg ist aber noch nicht zu Ende.


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